Juristendeutsch

Von Julia Torner

Mit seinem Buch „Juristendeutsch?“ hat Professor Roland Schimmel aus Frankfurt ins Schwarze getroffen, denn während es bereits diverse Artikel zum Thema gibt, so fehlte doch eine umfassendere Abhandlung.

In mehr als 200 Textbeispielen aus der Praxis, meist Urteile und Aufsätze, zeigt der Autor, wie man es nicht machen sollte und fordert die Leserinnen und Leser dazu auf, diese Texte entsprechend zu redigieren. Kürzer, lebendiger und verständlicher sollen sie am Ende sein. Insofern ist es eine Art Übungsbuch. Anfangs ist das etwas mühsam und man fürchtet, das Buch erschöpfe sich im langatmigen Sezieren juristischer Bandwurmsätze. Doch hier und da stellen sich zunehmend Aha-Momente ein, insbesondere, wenn man die Muster eigener Fehler entdeckt.

Statt Juristendeutsch: Komplexe Themen in einfachen Worten?

Ob Passivkonstruktionen oder Substantiv-Flut, Fremdwort-Schwemme oder doppelte Verneinung („nicht unwesentlich“): Die Kapitel widmen sich den einzelnen Klassikern, die im Juristendeutsch immer wieder auftauchen. Ganz oben auf der Roten Liste stehen Fachjargon und Schachtelsätze (Stichwort: Mach mal ‘nen Punkt!).

Auch sprachlich oder inhaltlich Überflüssiges und Überladenes sollte der Verfasser oder die Verfasserin eines juristischen Textes tunlichst vermeiden. Warum nicht umfassen statt beinhalten, sinngemäß statt entsprechend oder ein schlichtes sein statt darstellen schreiben? Oder, wie der Autor pointiert herausstellt: „A, B, C stellen eine Bande dar. – Das klingt doch sehr nach Laienschauspielgruppe.“

Es wird auch aufgefordert, möglichst bei der deutschen Sprache zu bleiben. Lateinische Begriffe vergrößern die Distanz zu Nichtjuristinnen und -juristen. Anglizismen sollte man nur benutzen, wenn sie dem Allgemeinwissen bzw. dem allgemeinem Sprachgebrauch entnommen sind oder es kein deutsches Pendant gibt. Kommentar des Autors: „Das Mindeste, was man tun kann, ist über schwer verständliche Probleme halbwegs verständlich zu reden.

Die Zielgruppe im Blick oder: Wann darf es Juristendeutsch sein und wann nicht?

Wie man schreibt bzw. schreiben sollte, hängt davon ab, wer man ist und was man für wen schreibt. Was wie eine Binsenweisheit klingt, wird in der Praxis leider nur allzu selten beherzigt. Wenn Jurist:innen für Jurist:innen schreiben, also beispielsweise in Fachartikeln, Schriftsätzen oder Urteilen, ist es selbstverständlich und zwecks Präzisierung auch notwendig, sich der Fachsprache zu bedienen. Doch auch unter Kolleginnen und Kollegen kann man sich gruseln, wenn man zu entschlüsseln versucht, was in manch einer Passage gemeint sein soll. Beispielsweise, wenn der EuGH formuliert:

„Jedoch hätten Verfahrensmodalitäten, durch die es – wie diese im Ausgangsverfahren der Fall sein könnte – sowohl dem erstinstanzlichen Gericht als auch dem Rechtsmittelgericht, die mit einer Gewährleistungsklage im Rahmen eines Kaufvertrags befasst sind, untersagt würde, auf der Grundlage der tatsächlichen und rechtlichen Gesichtspunkte, über die sie verfügen oder über die sie auf ein einfaches Auskunftersuchen hin verfügen können, das fragliche Vertragsverhältnis als Verkauf an einen Verbraucher einzustufen, wenn sich dieser nicht ausdrücklich auf diese Eigenschaft berufen hat, zur Folge, dass dem Verbraucher die Pflicht auferlegt würde, selbst eine vollständige rechtliche Einordnung seiner Lage vorzunehmen, um nicht die Rechte zu verlieren, die ihm der Unionsgesetzgeber mit der Richtlinie 1999/44 verleihen wollte.“

So, und nun basteln Sie daraus doch einmal etwas Verständliches. Uff! Und so mahnt der Autor zu Recht: „Gehen Sie davon aus, dass Ihre Leserin bzw. Ihr Leser den Text nur einmal liest. Zwingen Sie nicht zu doppelter Lektüre.

Der Wurm muss dem Fisch schmecken – Texte für Mandanten

Sobald sich Jurist:innen an Nichtjurist:innen wenden, also im Brief an Mandanten oder im Rahmen des Marketings, z. B. beim Texten für den Kanzleiblog, müssen sie umschalten und sich anpassen. Ganz grundsätzlich sollte sich der Sender mit der Form seiner Botschaft stets dem Empfänger anpassen; schließlich soll das zu Übermittelnde – in jeder Hinsicht, buchstäblich – ankommen. Dafür bedarf es jedoch im Wesentlichen dreierlei:

  • Die Einsicht der Notwendigkeit, die Sprache anzupassen,
  • die Bereitschaft, dies zu tun und
  • die Fähigkeit, die Botschaft zielgruppengerecht zu formulieren.

Wer schon mit juristischen Laien über inhaltlich komplexe Themen spricht, sollte das wenigstens in einer einigermaßen verständlichen Art und Weise tun. Unter den Ratschlägen des Autors finden sich in diesem Zusammenhang ein paar „Golden Nuggets“, also Sätze, die in Stein gemeißelt oder zumindest hinter die Ohren geschrieben gehören:

„In Rechtstexten sprechen oder schreiben Sie ziemlich häufig über einen Unterschied im Fachwissen hinweg: Juristen erklären Nichtjuristen Rechtsfragen, fachlich Fortgeschrittene zeigen Anfängern, wo das Problem liegt und wie man damit umgehen kann. Je leichter verständlich die Sprache ist, in der das geschieht, desto eher kann Ihr Adressat Ihnen folgen.“

Wenn Sprache Kompetenz transportieren soll

„52% aller anstrengend langen Sätze haben kluge Leute geschrieben, die das Konzentrationsvermögen ihrer Leser deutlich überschätzen, weil sie sich selbst als Maßstab setzen. Die anderen 48% verfassen Angeber:innen, die meinen, sie könnten so die Leser von ihrer Klugheit überzeugen.“

Wumms! Ein Satz wie ein Paukenschlag! Und er hat so Recht! Übrigens: Als lange Sätze gelten solche mit mehr als 15 Wörtern.

Doch es wird zwischendrin auch durchaus feinsinnig, wenn der Autor beispielsweise herausstellt, dass ein Tatbestand nicht vorliegt, sondern erfüllt oder verwirklicht ist. Vorliegen, das tun schließlich nur die Tatsachen, die den Tatbestand erfüllen.

Fazit: Die Lektüre dieses Buches ist zu empfehlen

Fraglich ist, ob die Leser:innen am Ende besser formulieren. Es kommt darauf an… Zweifellos werden sie dies tun, sofern sie die eigenen Texte einer kritischen Prüfung unterziehen. Natürlich sollten sie darüber hinaus auch mit den Beispielen im Buch üben. Selbstverständlich macht das dann noch keine Meistertexter:in aus ihnen, doch ihre Mandanten werden sich jedenfalls freuen. Und die Kolleginnen und Kollegen sicher auch.

Roland Schimmel, Juristendeutsch? Ein Buch voll praktischer Übungen für bessere Texte, utb Verlag, Stuttgart 2020, ISBN 978-3-8252-5533-6, 222 S. mit 24 Abbildungen, 22,00 EUR

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Julia Torner hat Rechtswissenschaft in Hamburg studiert und das Referendariat im Rheinland absolviert. Nach einem Umzug in die Hauptstadt war sie zuletzt einige Jahre bei der Kassenärztlichen Vereinigung Berlin beschäftigt. Seit 2018 ist Julia Torner freie Autorin und schreibt Texte für Rechtsanwält:innen.
www.linkedin.com/in/juliatorner

Foto: utb

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