Die wenigsten Anwältinnen und Anwälte spüren nichts von der Coronakrise, doch je nach Kanzleigröße fallen die Veränderungen durchaus unterschiedlich stark aus. Wir haben 125 Anwältinnen und Anwälte gefragt, wie sich ihre Arbeit konkret verändert hat. Gibt es Profiteure der Krise und wen trifft sie besonders hart? Lesen Sie hier die wichtigsten Umfrageergebnisse im Überblick:
Infos zur Umfrage
Befragungszeitraum: Juni bis September 2020
125 Anwältinnen und Anwälte aller Altersstufen haben an der Umfrage teilgenommen. 44 Prozent davon sind als Einzelanwalt bzw. Einzelanwältinnen tätig. 19 Prozent sind PartnerIn einer Kanzlei mit bis zu fünf Anwältinnen und Anwälten. Acht Prozent arbeiten als angestellte Anwältinnen und Anwälte in einer Kanzlei mit mehr als 20 BerufsträgerInnen. Die restlichen TeilnehmerInnen verteilen sich auf alle weiteren Kanzleigrößen. 29 Prozent der Befragten verfügen über einen Fachanwaltstitel.
Ältere BerufsträgerInnen am stärksten mit Veränderungen konfrontiert
Wie stark hat sich die Arbeit von Anwältinnen und Anwälten durch die Coronakrise verändert (Abb. 1)?
40 Prozent der befragten Anwältinnen und Anwälte finden, dass sich ihre Arbeit durch die Coronakrise etwas verändert hat. Für 29 Prozent hat sie sich kaum verändert. Nur sieben Prozent der Anwaltschaft konnten gar keine Veränderungen feststellen. Für immerhin ein Viertel der Befragten hat sich ihr Kanzleialltag im Zuge des Lockdowns und kurzfristigen Gesetzesänderungen etc. sogar stark verändert.
Die 30- bis 40-Jährigen spüren nach eigenen Angaben weniger Auswirkungen durch die Pandemie: 44 Prozent geben an, dass sich ihre Arbeit kaum verändert hat. Starke Veränderungen stellen hingegen nur 13 Prozent fest. Je älter die Befragten, desto häufiger sehen sie sich mit Veränderungen konfrontiert: 32 Prozent der 40- bis 50-Jährigen und 34 Prozent der über 50-Jährigen geben an, dass sich ihre Arbeit in den letzten Monaten stark verändert hat.
Homeoffice, Videokonferenzen, Online-Fortbildung
Wie sehen die durch die Coronakrise ausgelösten Veränderungen konkret aus? Die am häufigsten genannte Neuerung ist die verstärkte Nutzung von Online-Kommunikationsmöglichkeiten, um mit KollegInnen, aber auch mit Mandanten zu interagieren (59 Prozent). Daneben hat knapp die Hälfte der Befragten (46 Prozent) in den letzten Monaten verstärkt Online-Fortbildungen in Anspruch genommen. 41 Prozent haben erstmals Homeoffice-Arbeitsplätze eingerichtet. 27 Prozent besuchen aus Mangel an Alternativen nun Online-Veranstaltungen wie Messen und Webinare.
Kurzarbeit haben nur zehn Prozent der Kanzleien eingeführt und auch Online-Verhandlungen wurden erstaunlich selten Realität. 10 Prozent geben an, an einer solchen teilgenommen zu haben.
Einzelanwältinnen und -anwälte trifft die Krise besonders stark
Ein Viertel der Befragten gibt an, einen größeren Beratungsbedarf in der Mandantschaft festzustellen. Wie genau hat sich die Coronakrise also auf die Anzahl der Mandate ausgewirkt (Abb. 2)?
33 Prozent der befragten Juristinnen und Juristen verzeichneten, bedingt durch Lockdown und Kontaktbeschränkungen etwas weniger Mandate als gewöhnlich. Ein Fünftel aller Kanzleien hat sogar mit deutlich weniger Mandaten zu kämpfen.
Bei den Einzelanwältinnen und -anwälten gibt sogar ein Drittel an, während der Coronakrise deutlich weniger Mandate verzeichnet zu haben.
Auf der anderen Seite gibt es auch Profiteure der Krise: 16 Prozent aller Befragten geben an, durch die Coronakrise etwas mehr Mandate zu bearbeiten. Von deutlich mehr Mandaten profitierte dagegen nur ein Prozent aller Befragten. Bei 30 Prozent hat sich die Anzahl der Mandate seit Beginn der Coronakrise nicht verändert.
Fachanwaltstitel schützt nicht vor Krise
Bei Anwältinnen und Anwälten mit einem Fachanwaltstitel zeigen sich ähnliche Zahlen. Die Spezialisierung hat fachanwaltschaftsübergreifend nicht dazu geführt, dass mehr Mandate ausbleiben oder verstärkt neue Mandate anfallen.
32 Prozent der Kanzleien haben Corona-Soforthilfe beantragt oder planten, dies zum Zeitpunkt der Umfrage zu tun. Von den Einzelanwältinnen und -anwälten haben sogar 46 Prozent die Corona-Soforthilfe beantragt oder planten zumindest, staatliche Hilfe in Anspruch zu nehmen.
Anwaltschaft rechnet mit langfristigen Veränderungen
Neben den kurzfristigen Veränderungen und Einschränkungen stellt sich die Frage, ob die derzeitige Krise die Arbeit von Anwältinnen und Anwälten auch langfristig verändern wird (Abb. 3). Kanzleigrößenübergreifend geht man von dauerhaften Veränderungen aus: Ganze 61 Prozent denken, dass sich ihre Arbeit aufgrund der Coronakrise dauerhaft verändern wird. 24 Prozent glauben nicht, dass dies der Fall sein wird. 15 Prozent sind noch unentschlossen.
Fazit: Kleinstkanzleien am stärksten von Coronakrise betroffen
Kleinere Kanzleien sind am stärksten von den negativen Folgen der Coronakrise betroffen. Hier sind die stärksten Mandatsrückgänge zu beobachten und auch staatliche Hilfe musste häufiger in Anspruch genommen werden. Besonders betroffen sind Einzelanwältinnen und -anwälte. Die Anzahl der Juristinnen und Juristen, die von der Krise profitiert haben, fällt dagegen gering aus.
Dass ältere BerufsträgerInnen die Veränderungen durch die Coronakrise im Vergleich zu ihren jüngeren KollegInnen stärker spüren, ist vermutlich darauf zurückzuführen, dass jüngere Anwältinnen und Anwälte in der Regel bereits vor der Coronakrise häufiger digitale und flexible Arbeitsweisen wie Homeoffice und Videokonferenzen genutzt haben. Dennoch ist sich die Mehrheit aller Anwältinnen und Anwälte altersübergreifend einig: Die Corona-Pandemie wird ihre Arbeit auch langfristig verändern.
Teilnehmen und Gutes tun
Für jeden der 125 Teilnehmerinnen und Teilnehmer haben wir über die Organisation Eden Reforestation Projects einen Baum gepflanzt.