Als neuer Hauptgeschäftsführer des DAV betrachtet Philipp Wendt die Begleitung der Anwaltschaft in die Digitalisierung als eine seiner wichtigsten Aufgaben. Im Interview verrät er, was der DAV hier für seine Mitglieder tut.
Lieber Herr Wendt, was sind zurzeit die größten Herausforderungen der deutschen Anwaltschaft?
Aktuell sehe ich zwei wesentliche Herausforderungen. Die eine ist die Digitalisierung, die andere der Fachkräftemangel.
Zur Digitalisierung: Auch Dienstleistungen geistig höherer Art werden in Zukunft zumindest in Teilen von Computern übernommen werden. Anwaltliche Dienstleistung wird dabei sicher nicht überflüssig. Kolleginnen und Kollegen werden ihre Dienstleistungsangebote aber neu überdenken müssen, um auch in Zukunft erfolgreich zu sein.
Bei aller Digitalisierung und Automatisierung: Erfolgreich sein werden Kanzleien nur mit guten, nichtanwaltlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Die Anstrengungen der Aus- und Fortbildung und auch die Wertschätzung gegenüber den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in den Kanzleien müssen wir als Anwältinnen und Anwälte erhöhen.
Was muss sich schnell ändern?
Bereits die Zukunftsstudie des DAV – Rechtsdienstleistungsmarkt 2030 – aus dem Jahr 2013 Um zeigt. Um auch in Zukunft erfolgreich zu sein, müssen Anwältinnen und Anwälte wirtschaftlicher denken. Kanzleien brauchen eine konkrete Vorstellung davon, wie sie sich in einem wandelnden Markt aufstellen möchten. Der Deutsche Anwaltverein (DAV) muss prüfen, wo er hierbei Hilfestellung bieten kann. Dazu gehört auch, dass zum Beispiel über die Deutsche Anwaltsauskunft, über die reine Suchplattform hinaus, moderne technische Hilfestellung gegeben wird.
Welche kurzfristigen Ziele haben Sie sich persönlich für das laufende Jahr 2018 gesetzt?
Als DAV müssen wir beim Thema Digitalisierung mit den Mitbewerbern Schritt halten. Ein Thema wird deswegen sein, wie wir die Deutsche Anwaltsauskunft als eine wichtige Leistung des DAV für die Zukunft weiterentwickeln.
Wie kann der Deutsche Anwaltverein langfristig die Entwicklung der Anwaltschaft positiv unterstützen?
Mit seiner Kernkompetenz: Der DAV ist der Interessenvertreter der Anwaltschaft in Politik und Gesellschaft. Die Veränderungen der Zukunft müssen politisch begleitet werden. Anwältinnen und Anwälte brauchen hierbei eine starke Stimme. So sind zum Beispiel der Sinn und Zweck gesetzlicher Vergütungsregelungen nicht selbsterklärend. Hier braucht es den DAV als Vermittler in Richtung Politik und Deutschland und Europa.
Unser Infodienst MKG richtet sich in erster Linie an junge Juristen. Können Sie verstehen, dass unsere Leser bezüglich ihrer beruflichen Zukunft eine gewisse Unsicherheit verspüren? Oder schätzen Sie die Chancen für junge Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte dank Legal Tech vielleicht sogar besonders gut ein?
Ich kann gut verstehen, dass Kolleginnen und Kollegen aktuell eine gewisse Unsicherheit spüren. Dies gilt nicht nur für junge Anwältinnen und Anwälte. Auch etablierte Kanzleien sehen sich vor der Herausforderung, dass ihre bisherigen Geschäftsmodelle durch die Digitalisierung grundsätzlich infrage gestellt werden. Eine Kanzlei, die viele Jahre erfolgreich im Verkehrsrecht tätig war, muss sich natürlich mit Blick auf autonome Fahrsysteme fragen, ob sie auch in Zukunft in diesem Rechtsgebiet wirtschaftlich tätig sein kann. Unabhängig davon, meine ich aber, dass Legal Tech für die Anwaltschaft mehr Chancen als Risiken mit sich bringt. Die Arbeit von Juristinnen und Juristen wird sich natürlich ändern. Bei standardisierbaren Tätigkeiten unterstützt uns die Technik. Die dadurch gesparte Zeit kann dann in die Beratung der Mandanten investiert werden. Im Idealfall wird sie dadurch persönlicher, individueller und auch spannender. Ich bin sicher, dass eine komplexe Gesellschaft auch in Zukunft viele gut ausgebildete Anwälte benötigt.
Inwieweit kann der Deutsche Anwaltverein insbesondere jungen Juristen bei der Bewältigung der zukünftigen, neuen Herausforderungen unterstützen?
Herausforderungen bewältigen Menschen in der Regel nicht alleine. Gemeinsam denken und gemeinsam entwickeln sich in der Regel sehr viel bessere Lösungen. Der DAV und seine Arbeitsgemeinschaften bieten hier das Netzwerk für den fachlichen Austausch. Daneben ist es eine neue Aufgabe des DAV, auch technische Entwicklungen im Interesse seiner Mitglieder zu begleiten und zu fördern.
Warum würden Sie Abiturienten heute dazu raten, Jura zu studieren und Rechtsanwalt zu werden?
Auch eine digitale Welt wird ohne einen rechtlichen Rahmen nicht auskommen. Diesen rechtlichen Rahmen füllen Anwältinnen und Anwälte mit ihrer gestalterischen Tätigkeit aus. Anwältinnen und Anwälte gestalten Zukunft, während Richter in der Regel über Fälle in der Vergangenheit entscheiden. Allein deswegen würde ich allen jungen Juristen empfehlen den Anwaltsberuf zu ergreifen. Der Anwaltsberuf ist aus meiner Sicht der kreativste der juristischen Berufe.