Gründung Kanzlei

Von Prof. Dr. Volker Römermann

Während für einige Kanzleigründer und Kanzleigründerinnen die Solo-Selbständigkeit ein wahrgewordener Traum ist, stellt der eine oder andere nach der Startphase und mit zunehmendem Mandatsaufkommen fest, dass nicht mehr alles alleine gemeistert werden kann. Mit dem Wachstum einer Kanzlei sind für Selbständige ganz neue Herausforderungen verbunden: Zum Beispiel die Entwicklung vom Einzelanwalt zur Führungskraft mit Verantwortung für ein gesamtes Team oder der Wandel von der Rolle der Einzelanwältin zur Kanzleimanagerin, die mit wirtschaftlichen Kennzahlen arbeiten muss.

Prof. Dr. Volker Römermann ist seit mehr als 26 Jahren niedergelassener Anwalt. Seine Kanzlei wurde bereits vor vielen Jahren in eine Aktiengesellschaft, die Römermann Rechtsanwälte AG, umgewandelt und ist heute mit mehr als 20 Berufsträgerinnen und Berufsträgern an mehreren Standorten in den Bereichen Rechtsberatung, Insolvenzverwaltung und Consulting tätig. Im Interview verrät er, wie er nach langjähriger Berufserfahrung auf die Vorteile der Selbständigkeit blickt und welche Voraussetzungen Gründungswillige mitbringen sollten.

Herr Professor Römermann, was waren zum Zeitpunkt Ihrer Kanzleigründung die aus Ihrer Sicht größten Vorteile der Selbständigkeit?

Die Freiheit der eigenen Gestaltung des Arbeitsumfeldes, der Auswahl von Mitarbeitern, der Zeiteinteilung. In der Realität ist diese Freiheit indes vielen Begrenzungen unterworfen: Mandanten bestimmen über die Zeit, Mitarbeiter sind nur aus einem beschränkten Kreis auswählbar, Kosten begrenzen die Möglichkeit der Gestaltung des Umfeldes. Soweit nicht Mandate Zeit erfordern, sind es organisatorische Fragen oder die Akquisition – insgesamt ist die Selbständigkeit typischerweise deutlich zeitintensiver als ein Anstellungsverhältnis.

Welche Voraussetzungen sollten Juristinnen und Juristen mitbringen, die damit liebäugeln, sich selbständig zu machen?

Zuversicht, da niemand mathematisch einen Erfolg vorausberechnen kann und man mit der Ungewissheit umgehen können muss. Akquisitionstalent, denn ohne neue Mandate geht nichts. Die Bereitschaft, sich mit Betriebswirtschaft und Management zu beschäftigen, von der Ablauforganisation bis zum Beschwerdemanagement.

Wie sieht ein typischer Arbeitstag bei Ihnen in der Kanzlei aus?

Ich habe es bislang nicht geschafft, typische Arbeitstage zu haben. In der Regel bin ich vier Tage pro Woche unterwegs zu Gerichts- oder Mandantenterminen, Vorträgen, Verbandstreffen (ich bin in mehreren Verbänden engagiert), meiner Vorlesung (an der Humboldt-Universität). Das Auto ist (dank eines Fahrers) mein rollendes Büro, von wo aus ich auch an zahlreichen Videokonferenzen teilnehme. – Bei den anderen Kolleginnen und Kollegen ist das Leben deutlich selbstbestimmter, da niemand so viele auswärtige Termine wahrzunehmen hat. 

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Wie haben Sie die Entwicklung Ihrer Rolle vom Kanzleigründer hin zur Führungskraft in der eigenen Kanzlei gemeistert und die damit verbundenen nicht-juristischen Aufgaben und Herausforderungen konfrontiert?

Das ist für mich nach wie vor eine große Herausforderung. Vor ein paar Jahren haben wir ein intensives Coaching mit Persönlichkeitsanalyse für alle Anwälte und Anwältinnen gemacht.

Bei mir war etwa der Bereich Controlling praktisch nicht vorhanden und der gesamte Zahlenbereich ist mir nach wie vor fremd (wenn auch lebenswichtig). Dafür waren Innovation und Produktentwicklung ausgeprägt.

Wenn ich mit Kanzleiinhabern spreche, steht die Personalführung oft als größtes Problem im Vordergrund, was angesichts des heutigen Mangels an Personal nicht verwundert. In puncto Organisation hilft die Zertifizierung, die wir seit Jahren in Teilen der Kanzlei erhalten und der jeweils umfangreiche Auditierungen von externen Beratern vorausgehen.

Viele selbständige Juristinnen und Juristen meinen, dass keine andere Tätigkeit so viel Flexibilität und Vereinbarkeit mit der Familie zulässt. Wie steht es bei Ihnen um das Thema Work-Life-Balance?

So etwas kenne ich nicht. Mein Beruf ist ein wesentlicher Teil meines Lebens. Oft nehme ich meine Familie zu Kongressen mit. Beispielsweise waren meine drei Kinder (18, 8 und 8 Jahre) und meine Frau (selbst Anwältin) im Oktober 2022 mit zu einem internationalen Kongress in Dakar. Ich habe das Glück, keine künstliche Trennung in verschiedene Lebensbereiche einziehen zu müssen, und könnte mir auch nicht vorstellen, dass das funktionieren könnte.

Vielen Dank für Ihre Zeit und Ihre Antworten!

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Prof. Dr. Römermann ist Vorstand der Römermann Rechtsanwälte AG, wo die berufsrechtliche Beratung zu seinen Schwerpunkten zählt. Er ist Direktor des Forschungsinstituts für Anwaltsrecht der Humboldt-Universität zu Berlin, wo er seit vielen Jahren Berufsrecht lehrt.

Bild: Adobe Stock/©Flash concept

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