Konkurrenzanalyse Kanzlei

Von Steffen Braun

Endlich geschafft – das Zweite Staatsexamen und vielleicht sogar die ersten Berufsjahre liegen hinter Ihnen. Mit allen damit verbundenen Anstrengungen und Entbehrungen. Und der Start in eine neue Zukunft liegt vor Ihnen. Für viele von Ihnen, die sich früh für die Gründung einer eigenen Kanzlei entscheiden, ist diese Etappe mit Vorfreude verbunden. Sie wollen Ihr Wissen in der Praxis anwenden und mit eigenen Mandanten und Mandantinnen den Grundstein für eine erfolgreiche Zukunft Ihrer Kanzlei legen.

Das juristische Rüstzeug haben Sie. Was Sie jetzt noch benötigen, ist eine gute Portion unternehmerisches Know-how – mit dem Ziel, Ihr Wissen über das Recht mit den Gegebenheiten in dem von Ihnen ins Auge gefassten Marktsegment in Einklang zu bringen.

Für einen Start in die Selbstständigkeit, der gut überlegt, vorbereitet und deshalb erfolgreich ist, gehört deshalb noch etwas dazu: die Beobachtung, Analyse und das Abheben von der Konkurrenz. Wie Sie dies strategisch angehen können, erfahren Sie in diesem Artikel.

1. Wie soll Ihre Kanzlei aussehen?

Bei dieser Frage geht es weniger um die Innenausstattung Ihres zukünftigen Büros, sondern darum, welche inhaltliche Richtung Sie Ihrer Kanzlei beim Berufsstart geben wollen. Oder anders ausgedrückt: mit welchen Rechtsgebieten oder rechtlichen Themen Sie sich in den nächsten Monaten beschäftigen wollen. Und das unabhängig von Aufträgen, die Sie zu Beginn vielleicht aus dem Freundes- oder Familienkreis erhalten.

Für das erste Portfolio Ihrer Kanzlei wählen Sie am besten zwei Rechtsgebiete, die Sie wirklich interessieren und für die Sie sich in Zukunft eine entsprechende Spezialisierung vorstellen können. Mit dieser Auswahl haben Sie nicht nur einen inhaltlichen Fokus für sich selbst festgelegt, sondern auch Ihre Zielgruppe(n) bestimmt.

Welche Angebote Sie zu weiteren rechtlichen Themen in Ihr Portfolio aufnehmen, hängt vor allem davon ab, mit welchem Erfolg Sie „Ihre“ Rechtsgebiete in den kommenden Monaten in den entsprechenden Marktsegmenten bei Ihren Zielgruppen platzieren können. Damit Ihnen dies gelingt, benötigten Sie eine möglichst genaue Analyse des von Ihnen ins Auge gefassten Standortes sowie der dort bereits vorhandenen Konkurrenz.

2. Wo halten sich Ihre Zielgruppen auf?

Sie wissen jetzt, welche Mandantengruppen Sie mit Ihrem Angebot ansprechen wollen. Die nächste Frage ist, wo sich diese Zielgruppen aufhalten. Wenn Sie Ihre anwaltlichen Leistungen überregional oder sogar deutschlandweit anbieten wollen, werden sich eben dort Ihre potentiellen Mandanten und Mandantinnen befinden. Dann ist Ihr Standort quasi das Internet, in dem Sie zu bestimmten Suchbegriffen von Ihren Zielgruppen gefunden werden können.

Beim Berufsstart ist es jedoch wahrscheinlicher, dass sich die potentiellen Mandantinnen und Mandanten in der Region aufhalten. Mit der Folge, dass der Standort für das erste Büro gut überlegt sein will. Wer sich mit Schulrecht beschäftigen will, wird sich in einem Stadtgebiet niederlassen wollen, in dem es überwiegend junge Familien mit schulpflichtigen Kindern und die entsprechenden Schulen gibt. Wer hingegen das Erbrecht oder die verschiedenen Themen des Seniorenrechts für sich entdeckt hat, wird als Kanzleisitz eher ein Stadtgebiet bevorzugen, in dem der Anteil älterer Menschen überdurchschnittlich hoch ist.

Deshalb bietet es sich an, sich die generell in Frage kommenden Standorte einmal unter statistischen Gesichtspunkten genauer anzusehen. Auf den offiziellen Internetseiten Ihrer Stadt können Sie bereits wichtige und interessante statistische Kennzahlen sowohl über Ihre Stadt an sich als auch über die einzelnen Stadtgebiete finden, z. B. auf den offiziellen Internetseiten der folgenden Städte:

Wichtige statistische Kennzahlen über Ihren Standort können insbesondere die folgenden Informationen sein:

  • die Altersstruktur der Einwohner und Einwohnerinnen inkl. Durchschnittsalter, unterteilt in die Altersgruppen von 15 bis 24 Jahren, von 25 bis 34 Jahren, von 35 bis 44 Jahren usw.,
  • die Einwohnerstruktur nach Familienstand,
  • die Haushaltsstruktur mit Informationen insbesondere über die Anzahl der Singlehaushalte, Mehrpersonenhaushalte ohne Kinder sowie der Haushalte mit Kindern,
  • die Zahl der Arbeitslosen nach Altersgruppen aufgeschlüsselt und die Arbeitslosenquote,
  • die Anzahl der Gewerbebetriebe und Unternehmen (unterteilt in Dienstleistungs- und Produktionsbetriebe),
  • die Anzahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten.

Nach der Analyse dieser statistischen Daten verfügen Sie über wichtige Informationen, die Sie bei der Standortwahl unterstützen können. Was dann bleibt, sind zwei Dinge: zum einen das Finden eines bezahlbaren Büros, das darüber hinaus noch eine gute Anbindung an den ÖPNV sowie Parkplätze besitzt. Und dies grenzt gerade in Innenstadt-nahen Lagen nicht selten an ein Wunder. Zum anderen aber auch und gerade die Beantwortung der Frage, wer bereits vor Ihnen diesen Standort für sich entdeckt hat.

3. Identifizieren Sie die bereits vorhandene Konkurrenz

Bekanntlich macht es keinen Sinn, die 51. Kanzlei an einem Standort eröffnen zu wollen, an dem es bereits 50 Rechtsanwälte und Rechtsanwältinnen mit einem sehr ähnlichen Angebot gibt. Es sei denn, Sie machen etwas anders.

Deshalb ist es so unsagbar wichtig, die bereits bestehenden Kanzleien einmal gründlich unter die Lupe zu nehmen. Denn nur so erfahren Sie, welche anwaltlichen Leistungen Ihre Konkurrenz bisher anbietet und wie sie es tut. Es geht hierbei also nicht um die Anwaltsdichte an sich, sondern um die Identifizierung der Kolleginnen und Kollegen, die sich an dem von Ihnen ins Auge gefassten Standort bereits mit „Ihren“ Rechtsgebieten beschäftigen.

Das Internet bietet Ihnen für die Suche nach den bereits vorhandenen Kanzleien verschiedene Möglichkeiten. Beginnen können Sie mit dem Bundesweiten Amtlichen Anwaltsverzeichnis. Hier können Sie sich einen ersten Überblick über die Kolleginnen und Kollegen verschaffen, die an Ihrem Standort mit einem Fachanwaltstitel in „Ihrem“ Rechtsgebiet vertreten sind.

Auf den bekannten Anwaltsportalen, z. B. auf www.anwalt.de oder auch auf www.juraforum.de/rechtsanwalt erhalten Sie Informationen über die dort aufgeführten Anwältinnen und Anwälte. Geben Sie auch einmal unmittelbar auf www.google.de Keywords wie Anwalt + „Ihr“ Rechtsgebiet + Ihre Stadt ein und schauen Sie sich die Kanzleien an, die es auf die erste Rankingseite der Google-Suche geschafft haben. 

Abrunden können Sie Ihre Suche nach der bereits vorhandenen Konkurrenz auf Internetportalen wie:  

Notieren Sie sich alle Kanzleien, die ihren Sitz in dem von Ihnen favorisierten Stadtgebiet haben – mit Adresse und natürlich der Internetdomäne.

4. Nehmen Sie Ihre Konkurrenz einmal genau unter die Lupe

In Abhängigkeit vom Rechtsgebiet und der Größe Ihres anvisierten Standortes sollten Sie nach einer genauen Suche wenigstens zehn unmittelbare Konkurrentinnen und Konkurrenten ausfindig gemacht haben. Das sind dann die Kolleginnen und Kollegen, die Sie sich einmal näher anschauen sollten. Der Ausgangspunkt für Ihre Analyse ist dabei der Internetauftritt der jeweiligen Kanzlei.

Erstellen Sie sich am besten eine Tabelle, in der Sie Informationen zu den folgenden Fragen zusammentragen:

  • Wie lautet der Slogan auf der Startseite (wie wird Ihre Zielgruppe von der Konkurrenz angesprochen)?
  • Mit wem arbeitet die Kanzlei zusammen?
  • In welcher Vereinigung ist die Kollegin bzw. der Kollege Mitglied?
  • Welche Zielgruppen werden durch den Internetauftritt in besonderer Weise angesprochen? (im Arbeitsrecht: eher Arbeitnehmer oder Unternehmer/Arbeitgeber),
  • Welche rechtlichen Themen werden auf der Website behandelt?
  • Gibt es Themen, die einen gewissen Expertenstatus offenbaren?
  • Gibt es Fachartikel zu ausgewählten rechtlichen Problemstellungen (Blogartikel)?
  • Sind auf der Website Hinweise zu Seminaren oder Workshops/Webinaren vorhanden?
  • Gibt es bestimmte thematische Events?
  • Welche Social Media-Kanäle werden genutzt?
  • Wie häufig werden Posts oder Fotos/Pins veröffentlicht?
  • Gibt es einen thematischen YouTube-Kanal?
  • Werden E-Books zu bestimmten Themen angeboten? Gibt es Freebies oder eine Newsletter-Anmeldung zur Kundengewinnung?

Die Antworten auf diese Fragen geben Ihnen bereits ein gutes Bild über die jeweilige Konkurrenzkanzlei. Denn Sie wissen dann z. B., ob sich Ihre Kolleginnen und Kollegen bereits einen – regionalen/überregionalen – Expertenstatus (Personal Branding) in „Ihren“ Rechtsgebieten aufgebaut haben oder gerade dabei sind. Sie können dann eher ein Gefühl dafür entwickeln, wie Sie Ihre anwaltlichen Leistungen darstellen und wo dies für Sie neben Ihrer Website Sinn macht. Also insbesondere, welcher Social Media-Kanal von Ihnen bespielt werden sollte.

Schauen Sie sich die Internetseiten in Ruhe an und lassen sie diese auch etwas auf sich wirken. Machen Sie einen Perspektivwechsel. Versetzen Sie sich einmal in die Rolle einer Person, die in „Ihrem“ Rechtsgebiet ein Problem hat und nach einem vertrauenswürdigen Ansprechpartner für die Lösung dieses Problems sucht. Fühlen Sie sich persönlich von der Darstellung der anwaltlichen Leistungen auf den Internetseiten Ihrer Konkurrenz – auch emotional – angesprochen? Oder haben Sie das Gefühl, dass alle Kanzleiseiten die gleichen Botschaften – wie Top-Qualität, kompetente Beratung und langjährige Erfahrung – enthalten?

Nach der gründlichen Analyse der statistischen Daten sowie Ihrer Konkurrenz können Sie nun entscheiden, ob sich der favorisierte Standort für die Eröffnung Ihrer Kanzlei tatsächlich eignet. Darüber hinaus empfehle ich Ihnen, dass Sie von Anfang an eine zu Ihnen passende Kanzleistrategie entwickeln: eine Perspektive für das Wachstum Ihrer Kanzlei, die Sie dann nach und nach umsetzen. Eine Strategie, die Ihnen zeigt, mit welchen unternehmerischen Themen Sie sich neben Ihrer juristischen Spezialisierung auch beschäftigen sollten.

5. Fazit: Konkurrenzanalyse hilft bei der eigenen Positionierung

Eine Standort- und Konkurrenzanalyse für die eigenen anwaltlichen Dienstleistungen bietet die einmalige Chance, fundierte Informationen über einen ins Auge gefassten Standort sowie die dort bereits tätige Konkurrenz zu erlangen. Dies gibt Ihnen die Möglichkeit, Ihre Kanzlei von Anfang an in „Ihren“ Rechtsgebieten erfolgreich zu positionieren. Vergessen Sie aber bitte nicht, diese Wettbewerbsanalyse in der Zukunft wenigstens einmal im Jahr zu wiederholen. Denn eines ist sicher: Ihre Konkurrenz schläft nicht.

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ist seit 20 Jahren als selbstständiger Rechtsanwalt in der wirtschaftsrechtlichen Beratung tätig. Daneben unterstützt er mit seiner Erfahrung Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte, auch beim Berufsstart bei der Entwicklung von passenden Kanzleistrategien auf der Grundlage von aussagekräftigen Markt- und Wettbewerbsanalysen. Außerdem steht er mit seinem unternehmerischen Wissen auch als Sparringspartner vor wichtigen Business-Entscheidungen zur Verfügung. 

https://steffenbraun.com/

[1] Abrufdatum aller im Text vorhandenen Links ist der 14.07.2023.
Bild: Adobe Stock/©treety

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