Quiet Quitting

Von Hülya Dalkilic

Quiet Quitting – diese Arbeitsphilosophie ist derzeit in aller Munde und wird unter anderem in den Sozialen Medien diskutiert. Auch die klassischen Medien greifen das Thema zunehmend auf. Dabei ist Quiet Quitting nicht wortwörtlich übersetzt als „stille Kündigung“ zu verstehen, sondern als eine Lebenseinstellung, die sich insbesondere nach der Pandemie und infolge der angespannten wirtschaftlichen Situation etabliert hat. Vielmehr ist es sinngemäß zu übersetzen mit dem hierzulande bereits bekannten „Dienst nach Vorschrift“.

Was bedeutet Quiet Quitting? Was unterscheidet diesen Begriff von anderen neuen arbeitsrechtlich relevanten Begriffen und wie sollte man als Anwältin oder als Anwalt in der Beratungspraxis damit umgehen? Dieser Beitrag soll dabei helfen, den Begriff einzuordnen, und geht zudem der Frage nach, ob Quiet Quitting ein Kündigungsgrund sein kann.

Begriffserklärung und Ursprung

Der Begriff kann mit dem hierzulande bekannten „Dienst nach Vorschrift“ übersetzt werden, bedeutet aber noch viel mehr.

Den Anstoß gab der junge Amerikaner Zaid Khan in einem 17-sekündigen TikTok-Video, in dem er mit Aussagen wie „Work is not your life“ und „Quiet Quitting – quitting the idea of going above and beyond at work“ den Frust einer ganzen Generation zum Ausdruck brachte und damit den Begriff des Quiet Quitting im Netz und in den Medien innerhalb kürzester Zeit verbreitete.[1]

Gerade in den Sozialen Medien werden Unterschiede der Generationen in Bezug auf die Arbeitsmoral deutlich. Der sogenannten Gen Z, Jahrgang 1995 bis 2010, die nun nach und nach auf dem Arbeitsmarkt ankommt, wird nachgesagt, sich in Bezug auf das Thema Arbeitseinstellung bewusst von älteren Generationen zu unterscheiden.[2] Diese möchte sich vom Leistungsdruck lösen. Sie sieht die Arbeit nicht als ihren Lebensinhalt an, sondern strebt statt eines Aufopferns für die Arbeit eine strikte Trennung zwischen Arbeit und Freizeit an. Es gibt mehrere Ursachen für diese neue Haltung zur Arbeit:

Aufgrund des Fachkräftemangels sind regelmäßige Überstunden wohl mittlerweile vermehrt Alltag in Deutschland. Viele junge Beschäftigte müssen den Fachkräftemangel auffangen, in dem Sie mehr leisten als vereinbart – bei gleicher Vergütung.

Auch die Inflation, die Folgen der Pandemie und zunehmende Schwierigkeiten, sich durch Arbeit Wohlstand aufzubauen, sind ausschlaggebende Gründe. Auf TikTok, Instagram und Co. grenzen sich jüngere Beschäftigte von älteren Generationen ab, in dem sie ihren Frust darüber zeigen, dass sie trotz Mehrarbeit in wirtschaftlich schlechteren Zeit leben und sich beispielsweise ein Eigenheim nicht mehr leisten werden können, so wie es ihre Eltern häufig noch konnten.

Schließlich ist ein weiterer Grund die immer wieder genannte geringe Wertschätzung der Mitarbeitenden. Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen fordern mehr Anerkennung ihrer Leistung – und das nicht nur durch mehr Entgelt. 

Begriffsunterscheidung: Quiet Quitting, Low Performer, Quiet Hiring

Quiet Quitting ist von anderen arbeitsrechtlichen Begriffen abzugrenzen.

Insbesondere entspricht Quiet Quitting nicht dem Begriff des „Low Performers“. Denn Quiet Quitting verfolgt nicht die Intention, schlechter oder konstant weniger als der Durchschnitt zu arbeiten. Genau das ist aber bei Low-Performing-Arbeitnehmern der Fall. Dies ist ein eigenes Problemfeld, zu dem es bereits Rechtsauffassungen und Handhabungen in der Praxis gibt. Gerade bei den Low Performern ist eine konstant schlechte oder langsame Leistung charakteristisch, wohingegen Quiet Quitting lediglich auf eine Begrenzung auf die vertraglich vereinbarte Leistung zielt.

Ein weiterer Begriff, welcher derzeit viral geht, ist das „Quiet Hiring“. Danach erhalten bereits bestehende Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen neue oder mehr Aufgabenfelder und andere Verantwortungsbereiche, ohne dafür offiziell befördert worden zu sein. Dies ist wohl auch eine Folge des Fachkräftemangels, um so gezielt Stellen im Unternehmen mit bereits bestehenden Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen zu besetzen. Dabei werden jedoch keine neuen Verträge oder Gehaltsverhandlungen geführt, was für die betreffenden Beschäftigten ein Nachteil ist. Daher ist das Quiet Quitting als Gegenbewegung zu verstehen.

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Reaktionen in der Arbeitswelt

Dass Quiet Quitting bereits in der Arbeitswelt angekommen ist, erkennen Arbeitgeber daran, dass in Bewerbungsverfahren die Vorstellungen und Forderungen gestiegen sind und die Bewerber und Bewerberinnen auf begrenzte Arbeitszeiten bestehen. Auf Tik Tok melden sich bereits Unternehmer und Unternehmerinnen persönlich, um dem Begriff Quiet Quitting entgegenzutreten: Gerade in kreativen Berufen seien klar definierte Arbeitszeiten keine Alternative für Beschäftigte. Andererseits gibt es einige Unternehmen, die ihren Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen bereits entgegenkommen, ihnen mehr Freiheiten gewähren und darauf bedacht sind, sie mit besonderen Benefits an das Unternehmen zu binden.

Eine dieser Methoden ist das sog. Onboarding, also eine gut strukturierte Einstellungsphase. Wie in den Sozialen Medien vielfach belächelt, reicht ein Obstkorb heute nicht mehr, um seinen Arbeitnehmern und Arbeitnehmerinnen eine Nettigkeit zu bieten und seine Wertschätzung zu zeigen.

Anwaltliche Beratungspraxis: Quiet Quitting als Kündigungsgrund?

Um Arbeitgeber und Arbeitnehmer bezüglich des Quiet Quitting anwaltlich zu beraten, ist es zunächst wichtig, diese neue Bewegung mitsamt ihrer Begriffe zu kennen. Die rechtliche Einordnung und Prüfung richten sich nach bestehenden Rechtsgrundsätzen und nach geltendem Recht. Das Problem des Quiet Quitting ist dem Arbeitsrecht auch nicht fremd, jedoch hilft die Kenntnis dieser Bewegung für eine vorausschauende und lösungsorientierte Beratung.

Gerade wenn man Arbeitgeber bzw. Unternehmen berät, sollte man diese Begriffe im Hinterkopf haben, sobald sie von einem ähnlichen Sachverhalt berichten sollten.

Auch kann das Wissen darüber relevant werden, wenn ein Arbeitnehmer bzw. eine Arbeitnehmerin eine Beratung zu dem Thema und den damit einhergehenden Pflichten wünscht.

Denn nichts anderes steht bei diesen Begriffen im Raum, als die Grenzen der arbeitsrechtlich vereinbarten Pflichten und die geltenden Nebenpflichten:

  • Was ist vertraglich vereinbart?
  • Was gehört zum Weisungsrecht?
  • Wann darf der Arbeitnehmer oder die Arbeitnehmerin die Überstundenleistung verweigern?
  • Ab wann ist es Verweigerung der Arbeitsleistung?

Es bietet sich an, den Arbeitsvertrag auf die vereinbarten Pflichten hin zu überprüfen und die übliche Arbeitspraxis zu erfragen. Gerade die Überstundenregelung und die Bestimmung der Arbeitsbereiche sollte hier rechtlich überprüft werden.

Auch wenn sich der Arbeitgebermandant bzw. die -mandantin noch so ärgert, dürfte in der Regel kein Kündigungsgrund wegen Reduzierung der Arbeitsleistung auf das vertraglich Vereinbarte vorliegen. Denn dies wäre als verhaltensbedingte Kündigung einzuordnen, weswegen nach den Grundsätzen des Bundesarbeitsgerichts eine sozial gerechtfertigte Kündigung möglich wäre, wenn der Arbeitnehmer durch das ihm vorgeworfene Verhalten eine arbeitsvertragliche Pflicht schuldhaft verletzt (BAG, Urteil vom 08.09.2011, 2 AZR 543/10 – Rn. 16).

Das ist hier aber nicht der Fall, denn beim Quiet Quitting will der Arbeitnehmer oder die Arbeitnehmerin gerade die vertraglich vereinbarten Arbeitspflichten erfüllen — jedoch eben nicht mehr als das.

Ebenso scheidet hier eine personenbedingte Kündigung aus. Ein personenbedingter Grund liegt vor, wenn die vom Arbeitgeber beanstandete Störung des Arbeitsverhältnisses auf einem vom Arbeitnehmer nicht steuerbaren Verhalten beruht (BAG 13.3.1987, AP BGB § 611 Lehrer, Dozenten Nr. 77; APS/Vossen § 1 KSchG Rn. 118 ff.).[3] Neben der fraglichen Störung des Arbeitsverhältnisses liegt ein steuerbares Verhalten vor.

Letztendlich handelt es sich bei Quiet Quitting wohl um eine kommunikative und organisatorische Störung im Arbeitsverhältnis. 

Es bietet sich an, sowohl dem Arbeitnehmer als auch dem Arbeitgeber zu raten, das Gespräch zu suchen. Wenn es bereits zum Quiet Quitting gekommen ist, spricht dies für ein Ungleichgewicht im Arbeitsverhältnis.

Ein Personalgespräch mit der Beachtung beiderseitiger Interessen ist empfehlenswert, um langfristig den „Frieden“ im Arbeitsverhältnis aufrecht zu erhalten. Aufgrund des Hierarchiegefälles fällt es vielen Arbeitnehmern und Arbeitnehmerinnen regelmäßig schwerer, das Gespräch zu suchen, vermutlich weil es oft ergebnislos verläuft oder man Gefahr läuft, den Arbeitgeber zu verärgern. Als ultima ratio im außergerichtlichen Verfahren bietet sich u. U. ein anwaltliches Schreiben an, um die vertraglich vereinbarte Arbeitszeitregelung und Überstundenregelung einzufordern.

Abschließend kann man sagen, dass Quiet Quitting dem deutschen Recht bereits bekannt ist als „Dienst nach Vorschrift“, die Motivation und Bewegung dahinter aber eher den gesellschaftlichen Wandel widerspiegelt. Es ist von Vorteil dies in der Beratungspraxis weiter zu beobachten, um der Mandantschaft effiziente und interessengerechte Lösungen zu bieten. Angesichts des Fachkräftemangels, der sich in den nächsten Jahren durch die Verrentung von mehreren Millionen Menschen verschärfen wird, wird das Thema vermutlich nicht so schnell an Relevanz verlieren.

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Hülya Dalkilic ist seit 2015 zugelassene Rechtsanwältin. Nach ihrer Arbeit als Volljuristin in der Türkei in einer international tätigen Kanzlei und dem Ministerium für europäische Angelegenheiten war sie angestellte Rechtsanwältin in einer bundesweit tätigen Kanzlei für Bank- und Kapitalmarktrecht mit Sitz in Düsseldorf/Bielefeld. 2019 hat sie ihre eigene Kanzlei mit Sitz in Herford gegründet. Ihre Schwerpunkte liegen in der Betreuung von Unternehmen und Selbstständigen, vorwiegend im Vertrags-/AGB Recht sowie Arbeitsrecht.

[1] @zaidleppelin Nutzername auf Tik Tok.
[2] Boomer, Millenials .
[3] BeckOK ArbR/Stoffels, 66. Ed. 1.12.2022, BGB § 626 Rn. 138.

Bild: Adobe Stock/©BillionPhotos.com

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