EU-Entgelttransparenzrichtlinie

Im Juni 2023 trat die Entgelttransparenzrichtlinie[1] der Europäischen Union in Kraft, die bis 2026 in Deutschland umgesetzt werden muss. Da die Richtlinie jedoch einige Herausforderungen für Arbeitgeber mit sich bringt, die eine längere Planung erfordern, sollten Unternehmen sich bereits jetzt damit vertraut machen und entsprechende Vorbereitungen treffen.

Die Richtlinie zielt darauf ab, das sogenannte Entgeltgefälle, insbesondere zwischen den Geschlechtern, zu verringern und die Diskriminierung von Frauen im Bereich der Entlohnung zu bekämpfen. Auch die neusten Statistiken zeigen weiterhin ein starkes Gefälle bei der Entlohnung auf.[2] Die EU verfolgt mit der Richtlinie das Ziel, die Gleichstellung der Geschlechter in den Arbeitsmärkten zu fördern und setzt auf transparente Entgeltstrukturen, die zur Verringerung von Lohnunterschieden beitragen sollen und durch ihre Transparenz den Zugang erleichtern soll. 

Um die Ziele des EU-Vertrag zu erreichen, bedient sich die Europäische Union verschiedener Rechtsakte, hier vornehmlich die Richtlinie nach Art. 157 Absatz 3 AEUV, um die Rechtsstandards der Mitgliedstaaten zu harmonisieren. [3] Richtlinien geben den umzusetzenden Standard vor und die Mitgliedstaaten müssen diese in ein Gesetz überführen. Gerade das Arbeitsrecht erfährt dadurch eine stetig dynamische Veränderung.

Arbeitgeber müssen sich nun darauf vorbereiten, bestehende Vergütungsstrukturen zu überprüfen oder neue zu schaffen. Insbesondere HR-Abteilungen stehen vor der Herausforderung, diese Struktur transparenter zu gestalten und den zukünftigen Standards der Richtlinie anzupassen. Auch wenn die Umsetzungspflicht erst 2026 kommt, erfordert die Komplexität der Richtlinie eine frühzeitige Planung, um organisatorische und rechtliche Anforderungen rechtzeitig zu erfüllen.

Hier sind einige Neuregelungen der Richtlinie im Überblick:

1. Vergütungsstrukturen

Die Mitgliedstaaten – somit auch Deutschland – sind nach Artikel 4 der Entgelttransparenz-RL gehalten, notwendige Maßnahmen zu ergreifen, um sicherzustellen, dass Arbeitgeber über Vergütungsstrukturen verfügen, durch die gleiches Entgelt bei gleicher oder gleichwertiger Arbeit gewährleistet wird. Zwar werden hier viele Details noch bestimmt werden müssen, die Pflicht zur Schaffung eines transparenten Vergütungssystems nach den genannten Kriterien ist jedoch eindeutig.

Arbeitgeber sollten daher bereits interne Vorgaben treffen um nach objektiven und geschlechtsneutralen Kriterien vorhandene Stellen entsprechend zu gruppieren. Konkreten Kriterien sind insbesondere Kompetenz, Belastung, Verantwortung und Arbeitsbedingungen.

2. Bewerbungsverfahren

Auch das Bewerbungsverfahren wird direkt durch die Entgelttransparenzrichtlinie betroffen. Besonders vor dem Hintergrund des Fachkräftemangels wächst der Bereich des internen sowie ausgelagerten Recruitings zunehmend und gewinnt immer mehr an Bedeutung.

Nach Artikel 5 der Richtlinie sollen nun Bewerberinnen und Bewerber das Recht bekommen, das Einstiegsgehalt für die betreffende Stelle oder die Gehaltsspanne vom künftigen Arbeitgeber zu erfahren. Ziel ist es, das Bewerbungsverfahren transparenter zu gestalten.

Arbeitgeber sollten sich daher bereits jetzt auf zukünftige Bewerbungsverfahren vorbereiten und die entsprechenden Informationen bereithalten. Auch diese Angaben müssen dabei objektiv und geschlechtsneutral sein, um den Anforderungen der Richtlinie gerecht zu werden.

Stellen müssen nach Inkrafttreten des Gesetzes nach „Kompetenzen“, „Belastungen“, „Verantwortung“ und „Arbeitsbedingungen“ beurteilt werden können. Eine interne Dokumentation eines Bewerbungsverfahrens ist dringend anzuraten.

3. Auskunftsrecht

Das Auskunftsrecht von Arbeitnehmern und Arbeitnehmerinnen bestimmt Artikel 7 der Entgelttransparenz-RL. Danach ist bei Geltendmachung des Auskunftsrechts durch den Arbeitnehmer oder die Arbeitnehmerin der Arbeitgeber gezwungen über die individuelle Entgelthöhe und über die durchschnittliche Entgelthöhe bei gleicher oder gleichwertig verrichteter Arbeit, zu erteilen.

Die Auskunft muss in Schriftform erteilt werden und spätestens zwei Monate nach dem Auskunftsbegehren erfolgen. Die konkrete Regelung der prozessualen oder verfahrenstechnischen Geltendmachung dieses Anspruchs wird den Mitgliedstaaten selbst überlassen. So haben die Mitgliedstaaten und auch die Bundesrepublik die Möglichkeit, die Regelung in die bereits bestehenden rechtlichen Strukturen einzubinden.

4. Verschwiegenheitsklausel über das Gehalt

Wichtig ist auch, dass Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen nicht mehr gehindert werden dürfen, Auskunft über ihr Gehalt zu erteilen. Standardklauseln haben bisher in vielen Arbeitsverträgen die Weitergabe der Entgelthöhe, insbesondere an andere Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, verboten. Diese Klauseln gelten dann als unzulässig.

Bereits jetzt droht die Streichung bei einer möglichen AGB-Kontrolle der Arbeitsverträge. Da die Richtlinie bereits erlassen wurde, könnten Gerichte richtlinienkonform auslegen. Daher ist es bereits jetzt an der Zeit, Arbeitsverträge auf eine Ungleichbehandlung hin zu prüfen. Insbesondere sollten Klauseln, die die Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen daran hindern, Informationen über ihr Entgelt zu erteilen, richtlinienkonform umgeändert werden oder gänzlich gestrichen werden.

5. Berichterstattung

Je nach Größe der Unternehmen müssen Arbeitgeber über das geschlechterspezifische Entgeltgefälle und den Anteil der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer gemäß Artikel 9 Entgelttransparenz-RL Bericht erstatten.

Die Fristen dafür sind bereits festgelegt worden und lauten wie folgt:

  • Ab einer Unternehmensgröße von 250 Arbeitnehmern müssen Arbeitgeber bis zum 7. Juni 2027 Bericht erstatten und anschließend jährlich berichten.
  • Bei einer Unternehmensgröße von 150 bis 249 Arbeitnehmern müssen Arbeitgeber bis zum 7. Juni 2027 und anschließend alle drei Jahre Bericht erstatten.
  • Bei einer Unternehmensgröße von 100 bis 149 Arbeitnehmern haben Arbeitgeber bis zum 7. Juni 2031 Zeit und müssen dann alle drei Jahre Bericht erstatten.
  • Bei einer Unternehmensgröße von weniger als 100 Arbeitnehmenden überlässt es die Richtlinie den Mitgliedstaaten, die Berichterstattung freiwillig oder verpflichtend zu gestalten. Eine sogenannte überschießende Umsetzung einer Richtlinie ist nicht unüblich, weshalb eine Berichterstattung auch für kleinere Unternehmen möglich erscheint. Meiner Einschätzung nach könnte eine Berichtspflicht aber weniger streng gestaltet werden.

Was droht bei Verstößen?

Für Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen ergeben sich mit der Richtlinie mögliche Schadensersatzansprüche, Ansprüche auf zukünftige Anpassung ihrer Vergütung und Auskunftsansprüche. Die Tendenz der höchstrichterlichen Rechtsprechung [4] ist bereits erkennbar und wird nunmehr durch die Richtlinie und ihre Umsetzung gestärkt. 

Ein wichtiger Punkt gerade beim Schadensersatz ist die vorgesehene Beweislastumkehr. Bisher mussten Arbeitnehmende die Pflichtverletzung und die Kausalität darlegen und beweisen. Nach der Richtlinie aber soll sich die Darlegungs- und Beweislast auf den Arbeitgeber verlagern. Dieser muss künftig darlegen und beweisen, dass keine mittelbare oder unmittelbare Entgeltdiskriminierung vorliegt.

Auch werden Sanktionierungen des Arbeitgebers in Artikel 23 sehr deutlich gemacht, die in Deutschland wohl mit Bußgeldern bestimmt werden. Die Richtlinie sieht Sanktionen vor, die wirksam, verhältnismäßig und abschreckend wirken sollen, wenn Rechte und Pflichten im Zusammenhang mit dem Grundsatz des gleichen Entgelts verletzt wurden.

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Bewertung der Richtlinie

Welche Herausforderungen stellen sich?

Gerade für Unternehmen, die eine Vielzahl unterschiedlicher Stellen oder eine hohe Anzahl an Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern haben, ist der Verwaltungsaufwand enorm hoch. Besonders in der Anfangszeit werden die Entwicklung und Gestaltung der Richtlinien im Unternehmen sehr arbeits- und personalintensiv sein. Wie so häufig wird bis zur Umsetzung und sogar nach der Umsetzung Unsicherheit herrschen, bis es höchstrichterliche Rechtsprechung dazu gibt. Schließlich ist der Kostenfaktor zu berücksichtigen, da Unternehmen nicht nur die notwendigen Ressourcen für die Implementierung aufbringen müssen, sondern sich auch die nötige Expertise aneignen müssen. Möglicherweise ist es notwendig, externe Unterstützung durch Anwältinnen und Anwälte oder spezialisierte Beratungen in Anspruch zu nehmen, um sicherzustellen, dass alle rechtlichen Vorgaben korrekt umgesetzt werden.

Bei größeren Unternehmensstrukturen kommt zusätzlich die Herausforderung hinzu, dass die Entgelttransparenzrichtlinie in verschiedenen Abteilungen und auf unterschiedlichen Hierarchieebenen konsistent angewendet werden muss. Dies kann den Verwaltungsaufwand weiter steigern, da umfassende interne Kommunikations- und Schulungsmaßnahmen erforderlich sein werden. Auch die Koordination zwischen verschiedenen Unternehmensbereichen wie HR, Recht und der Finanzabteilung kann zusätzlichen Aufwand bedeuten.

Auch an die Gefahr der rechtsmissbräuchlichen Klagewellen muss hier gedacht werden.

Welche Vorteile können sich aus der Umsetzung ergeben?

Insbesondere Unzufriedenheit unter den Arbeitnehmenden könnte durch die Entgelttransparenzrichtlinie ausgeräumt werden. In vielen Unternehmen führt die Ungewissheit und Unzufriedenheit über das Entgeltgefälle zu einem anhaltenden Motivationsabfall. Außerdem könnten die unternehmensinternen Prozesse langfristig vereinfacht werden, da klare Richtlinien die Handhabung im Unternehmen vereinfachen können. Prozesse werden beschleunigt und vereinfacht, ohne immer wieder Einzelfallentscheidungen treffen zu müssen, die im Zweifel auch diskriminierend wirken könnten.

Durch die frühzeitige und transparente Umsetzung der Entgelttransparenzrichtlinie kann ein Unternehmen nicht nur seine interne Wettbewerbsfähigkeit stärken, sondern sich auch als sozial verantwortlicher Arbeitgeber positionieren, was zunehmend zu einem wichtigen Kriterium bei der Wahl des Arbeitgebers wird. In einem Markt, in dem der Zugang zu Fachkräften immer schwieriger wird, bietet eine klare und gerechte Vergütungspolitik einen entscheidenden Wettbewerbsvorteil. Unternehmen, die sich frühzeitig an diese Standards anpassen, können nicht nur rechtlichen Problemen vorbeugen, sondern zudem ihre Attraktivität für Fachkräfte erhöhen und sich somit langfristig im Wettbewerb behaupten.

Was sollten Unternehmen jetzt tun?

To-do‘s:

  • Überprüfen bestehender Entgeltsysteme (auch Betriebsvereinbarungen und Tarifverträge prüfen)
  • Sofern kein Entgeltsystem besteht, sollten Vorbereitungen zur Schaffung getroffen werden
  • Planung der Arbeitskraft oder interner Schaffung einer Abteilung
  • Dokumentationsmuster schaffen: Tabellen, Anpassung der IT, Muster schreiben
  • Anpassung der Arbeitsverträge bezüglich möglicher Geheimhalteklauseln
  • Dokumentieren und Anpassungen im Bewerbungs-/Einstellungsverfahren
  • Anpassung bestehender Compliance-Richtlinien
  • Mitbestimmungsrechte von Betriebsräten beachten und bereits entsprechend Vereinbarungen planen

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Hülya Dalkilic ist seit 2015 zugelassene Rechtsanwältin. Nach ihrer Arbeit als Volljuristin in der Türkei in einer international tätigen Kanzlei und dem Ministerium für europäische Angelegenheiten war sie angestellte Rechtsanwältin in einer bundesweit tätigen Kanzlei für Bank- und Kapitalmarktrecht mit Sitz in Düsseldorf/Bielefeld. 2019 hat sie ihre eigene Kanzlei mit Sitz in Herford gegründet. Ihre Schwerpunkte liegen in der Betreuung von Unternehmen und Selbstständigen, vorwiegend im Vertrags-/AGB Recht sowie Arbeitsrecht.

[1] RICHTLINIE (EU) 2023/970 DES EUROPÄISCHEN PARLAMENTS UND DES RATES vom 10. Mai 2023 zur Stärkung der Anwendung des Grundsatzes des gleichen Entgelts für Männer und Frauen bei gleicher oder gleichwertiger Arbeit durch Entgelttransparenz und Durchsetzungsmechanismen
https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/PDF/?uri=CELEX:32023L0970
[2] „Wie das Statistische Bundesamt (Destatis) anlässlich des Equal Pay Day mitteilt, lag der Gender Gap Arbeitsmarkt im Jahr 2023 bei 39 % und damit auf dem Niveau des Vorjahres. Langfristig nahm die Verdienstungleichheit ab: Gegenüber dem Jahr 2014 sank der Gender Gap Arbeitsmarkt um sechs Prozentpunkte. „ https://www.destatis.de/DE/Presse/Pressemitteilungen/2024/03/PD24_083_621.html
[3] Erreichen einer nachhaltigen Entwicklung auf der Grundlage von ausgeglichenem Wirtschaftswachstum und Preisstabilität sowie einer wettbewerbsfähigen Marktwirtschaft mit Vollbeschäftigung und sozialem Fortschritt. Artikel 3 Absatz 3 EU-Vertrag
[4] Entgeltgleichheit von Männern und Frauen – Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 16. Februar 2023 – 8 AZR 450/21
Bild: Adobe Stock/©Andrey Popov

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