Deutschland hat dank der Regelungen zur Kurzarbeit nach §§ 95 ff. SGB III die Corona-Pandemie bisher relativ gut überstanden. Es stellen sich aber sowohl aus der Sicht von Arbeitgebern als auch von Arbeitnehmern neue Fragen rund um das Verhältnis Kurzarbeit und Kündigung. Was bei der Beratung der unterschiedlichen Seiten zu berücksichtigen ist, erfahren Sie in diesem Beitrag.
Keine Besonderheiten ergeben sich bei Kündigungen:
- aus personen- und verhaltensbedingten Gründen,
- bei Kündigungen während der Probezeit bzw. vor Ablauf der sechsmonatigen Wartezeit nach § 1 KSchG,
- bei außerordentlichen Kündigungen,
- bei ArbeitnehmerInnen, die nicht in Kurzarbeit sind und
- bei Kleinbetrieben von bis zu zehn ArbeitnehmerInnen nach 23 Abs. 1 KSchG.
Diese Möglichkeiten bestehen für den Arbeitgeber auch in der Coronakrise ohne Einschränkungen, sofern die üblichen bekannten Voraussetzungen erfüllt werden. Strittige Fragen ergeben sich vor allem bei der betriebsbedingten Kündigung. Dies zeigt eine Gegenüberstellung:
Will der Arbeitgeber nun einen Arbeitnehmer oder eine Arbeitnehmerin in Kurzarbeit aus betriebsbedingten Gründen kündigen, ist dies nach der Rechtsprechung grundsätzlich zulässig, er sollte aber unbedingt auf folgende Punkte achten, um das Prozessrisiko zu minimieren:
- Hat sich die wirtschaftliche Situation des Unternehmens nach Einführung der Kurzarbeit nachweislich negativ verändert?
- Weiterer Auftragsrückgang nach der Einführung der Kurzarbeit
- Verlust von wichtigen Kunden z. B. durch Insolvenz
- Outsourcing von Teilbereichen wird günstiger und damit Wegfall von Arbeitsplätzen oder gar ganzen Abteilungen
- Bloßer Rückgang des Umsatzes reicht nicht aus
- Den Arbeitgeber trifft dabei eine hohe Darlegungs- und Beweislast im Prozess, d. h., die negative Entwicklung muss mit konkreten Zahlen belegt werden, vgl. BAG Urteil vom 26. Juni 1997, 2 AZR 494/96 und BAG Urteil vom 23.02.2012, 2 AZR 548/10. Diese hohen Hürden der Darlegungs- und Beweislast resultieren v. a. aus der Tatsache, dass der Arbeitgeber bei Einführung von Kurzarbeit davon ausgegangen ist, dass es sich nur um einen vorübergehenden Auftragsmangel handelt, der grundsätzlich eine betriebsbedingte Kündigung ausschließt.
- Es ist stets das Risiko des Unternehmers, wirtschaftlichen Schwankungen zu begegnen. Eine Kündigung einer Arbeitnehmerin oder eines Arbeitnehmers wegen der Ungewissheit, wie sich die Pandemie weiterentwickelt, quasi eine vorsorgliche Kündigung auf „Verdacht“, ist nicht zulässig.
- Die betriebsbedingte Kündigung darf nicht zur Arbeitsverdichtung für die verbleibenden ArbeitnehmerInnen einschließlich Mehrarbeit führen.
- Eine betriebsbedingte Kündigung führt dazu, dass die BA für Arbeit für den betroffenen Arbeitnehmer oder die betroffene Arbeitnehmerin kein KUG mehr an den Arbeitgeber überweist (das dieser ja im Rahmen der Verdienstabrechnung weiterzuleiten hat) und evtl. zu viel gezahltes KUG zurückfordern wird.
- Unter Umständen hat das Verhalten des Arbeitgebers strafrechtliche Konsequenzen, z. B. KUG-Betrug nach § 263 StGB.
Auf was sollte eine Arbeitnehmerin bzw. ein Arbeitnehmer achten, wenn er oder sie während der Kurzarbeit eine betriebsbedingte Kündigung erhält?
- Bei Zweifeln an den betriebsbedingten Gründen, unbedingt die Notfrist für die Kündigungsschutzklage zum Arbeitsgericht nach 4 KSchG von drei Wochen beachten, andernfalls wird die Kündigung wirksam.
- Achtung: Nach einer betriebsbedingten Kündigung besteht kein Anspruch mehr auf KUG, da es an der persönlichen Voraussetzung nach § 98 Abs. 1 Nr. 2 SGB III fehlt.
- Aber: Die Arbeitnehmerin/der Arbeitnehmer hat während der Kurzarbeit Anspruch auf Vergütung gegen seinen Arbeitgeber in Höhe des KUG, BAG Urteil vom 22. April 2009, 5 AZR 310/08. Es kommt also zu einem herben Einkommensverlust, da nicht 100 Prozent der Vergütung, sondern nur 60 Prozent bzw. 67 Prozent der letzten Nettovergütung überwiesen wird. Zu dieser Kürzung der Vergütung des Arbeitnehmers/der Arbeitnehmerin ist der Arbeitgeber nur berechtigt, wenn die Kurzarbeit rechtmäßig vom Arbeitgeber angeordnet worden ist. Die rechtmäßige Anordnung der Kurzarbeit kann geschehen durch
- Einen einschlägigen anzuwendenden Tarifvertrag
- Eine transparente Betriebsvereinbarung zum KUG, soweit ein Betriebsrat vorhanden, vgl. BAG Urteil vom 18. November 2015, 5 AZR 494/14
- Eine individuelle Vereinbarung zum KUG zwischen Arbeitgeber und ArbeitnehmerIn (entweder im Arbeitsvertrag selbst oder in einer Zusatzvereinbarung; dies ist in der Praxis sehr häufig der Fall.)
- Besteht keine Rechtsgrundlage zum KUG, hat die Arbeitnehmerin bzw. der Arbeitnehmer Anspruch auf die 100 Prozent der vertraglichen Vergütung; falls, wie häufig, Verfallfristen vereinbart sind, sollten die entsprechenden Fristen unbedingt notiert werden und die Vergütungsdifferenz vor Ablauf der Verfallfrist (formal korrekt bzw. gleich gerichtlich) geltend gemacht werden.
Zusammenfassend ist daher festzuhalten, dass grundsätzlich eine Kündigung aus betriebsbedingten Gründen auch in der Kurzarbeit möglich ist, die Voraussetzungen jedoch strenger sind.
Infokasten Arbeitsmarktzahlen zum Thema ermittelt aus dem Monatsbericht der BA für Arbeit von Juni 2020:
Quelle: arbeitsagentur.de/arbeitsmarktbericht-juni-2020