Verkehrssachen nehmen in der Anwaltskanzlei einen breiten Raum ein, ob nun im Rahmen des Haftungsrechts, des Ordnungsrechts oder des Strafrechts. Stets sucht der Mandant nach professioneller Hilfe bei der Abwicklung eines ihn betreffenden Falles. Die hier zu behandelnde Vorschrift des § 23 Abs. 1a StVO, das Verbot des Telefonierens mit dem Handy während der Fahrt ohne Freisprecheinrichtung, begegnet vornehmlich im Bußgeldverfahren. Das Kraftfahrt-Bundesamt zählte für die 2001 neu eingeführte Vorschrift im Jahr 2015 mehr als 360.000 Handyverstöße, die zu Einträgen in das Fahreignungsregister führten.
Die Tatvarianten und die Beweisprobleme sind dabei ebenso vielseitig wie die dazu ergangene Rechtsprechung. Hier ein kleiner Auszug:
Stichwort | Fundstelle | Leitsatz |
Anhalten | OLG Celle, Beschl. v. 24.11.2005 – 211 Ss 11/05 (OWiZ)– VRS 109, 449 | Das Verbot der Handynutzung entfällt nicht bei einem kurzfristigen verkehrsbedingten Anhalten, etwa an einer roten Ampel. |
Beweisfoto | AG Neumünster, Beschl.v. 26.2.2014 – 20 OWI 579 JS-OWI 3556/14 32/14 | Ein Messfoto, das einen Betroffenen eindeutig (rechte Hand befindet sich leicht versetzt am Ohr; gehalten wird ein rechteckiger Gegenstand, der von der Unterkante des Ohrs bis zum Kinn reicht und der aufgrund der Spreizung der Finger eine Breite von 5 bis 6 cm erkennen lässt) beim Benutzen eines Mobiltelefons zeigt, kann als Beweis für einen Verstoß gegen § 23 Abs. 1a StVO gelten. |
Fahrverbot | OLG Hamm, Beschl. v. 24.10.2013 – III-3 RBs 256/13 – DAR 2014, 188 | Die wiederholte verbotswidrige Benutzung eines Mobil- oder Autotelefons ist im Einzelfall geeignet, die Anordnung eines Fahrverbotes wegen einer beharrlichen Pflichtverletzung zu rechtfertigen. |
Fehlende Funktionalität | OLG Zweibrücken, Beschl. v. 27.1.2014 – 1 SsRs 1/14 – DV 2014, 128 | Von einer verbotswidrigen Benutzung eines Mobiltelefons ist gem. § 23 Abs. 1a StVO auszugehen, wenn die beanstandete Handlung des Betroffenen einen Bezug zu einer Funktion des Geräts hat. Nicht erfasst werden ausschließlich Handlungen, die keinen Zusammenhang zu einer bestimmungsgemäßen Verwendung aufweisen wie beispielsweise das bloße Aufheben oder Umlagern. Wird das Mobiltelefon jedoch aufgenommen, um die Uhrzeit abzulesen, liegt eindeutig ein Verstoß gegen § 23 Abs. 1a StVO vor. |
Gegebene Funktionalität | Thüringer OLG, Beschl. v. 31.05.2006 – 1 Ss 82/06 – DAR 2006, 636 | Eine „Benutzung eines Mobiltelefons“ im Sinne des § 23 Abs. 1a StVO liegt nicht nur dann vor, wenn das Gerät zum Telefonieren verwendet wird, sondern auch bei jeder anderen bestimmungsgemäßen Verwendung, insbesondere beim Gebrauch als Diktiergerät. |
Vorsatz | OLG Karlsruhe, Beschl. v. 13.8.2013 – 2 (6) Ss 377/13 – AK 98/13 – VRR 2014, 43 | Der Grundsatz, dass bei im Bußgeldbescheid nicht angegebener Schuldform von fahrlässigem Handeln auszugehen ist und eine Verurteilung wegen Vorsatzes nur nach einem Hinweis gemäß § 265 StPO erfolgen kann, gilt bei Verstößen gegen § 23 Abs. 1a StVO – Aufnehmen oder Halten eines Mobiltelefons während der Fahrt – nicht, weil ein solcher Verstoß, zumindest in aller Regel, nur vorsätzlich verwirklicht werden kann. |
Zeugenbeweis | Thüringer OLG, Beschl. v. 27.8.2013 – 1 Ss Rs 26/13 (63) – zfs 2014, 113 | Ohne Hinzutreten weiterer Indizien kann allein durch den Umstand, dass der Betroffene eine „typische Handbewegung“ vorgenommen hat, die Schlussfolgerung, er habe ein Mobiltelefon an sein Ohr gehalten, nicht lückenlos und folgerichtig begründet werden. Ein solches weiteres belastendes Indiz könnte beispielsweise ein in Reichweite des Betroffenen auf dem Beifahrersitz oder der Ablage liegendes Mobiltelefon sein. |
Aktuell dürfen „Mobil- oder Autotelefone“ nicht in die Hand genommen und benutzt werden, während der Motor eines Kfz eingeschaltet ist. Verstöße von anderen Fahrzeugführern als Radfahrern werden laut Nr. 246.1 des BKat mit 60 Euro Bußgeld geahndet und führen gem. Nr. 3.2.15 der Anlage 13 zu § 40 FeV zur Eintragung eines Punkts im Fahreignungsregister. Verstöße von Radfahrern führen laut Nr. 246.2 des BKat zu einem Verwarnungsgeld von 25 Euro.
Im Frühjahr 2017 leitete das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI) den Verkehrsverbänden einen Referentenentwurf zu und forderte zu dessen Intentionen Stellungnahmen an. Der Entwurf ist im Beratungsvorgang des Bundesrates 424/17 über diesen Download-Link als pdf-Datei einzusehen
Der aktuelle Vorschlag erlaubt im Gegensatz zur geltenden Rechtsprechung sogar ausdrücklich „eine kurze Blickzuwendung zum Gerät“. Zwar existiert diese Form der Ablenkung in der Realität schon seit langer Zeit, indem z.B. Touchpanels von Navigationsgeräten und Bildschirme von Car-PCs auch während der Fahrt fleißig von den Fahrzeugführern bedient werden, aber nunmehr wird diese Ablenkung auch ausdrücklich gestattet. Zudem befindet sich die vorgeschlagene Formulierung „aufgenommen oder gehalten werden muss“ nicht auf der technischen Höhe der Zeit, weil ein technisches Gerät bereits vor dem Einsteigen in das Fahrzeug in Gebrauch sein kann und nach diesem Wortlaut dann zu Beginn der Fahrt durchaus in der Hand verbleiben darf.
Am 7. Juli 2017 wurde der ansonsten das geltende Verbot verschärfende und spezifizierende Änderungsentwurf von der Bundesregierung aus der Sitzung des Bundesrates (BR-Drucks. zu 424/17), zurückgezogen und daher vom Bundesrat auf dessen Sitzung am 22. September 2017 vertagt.