EU-Gebäuderichtlinie

Von Dieter Eimermacher

Die Klimaschutzbemühungen wirken sich auf den Immobilienmarkt aus. Die neue EU-Gebäuderichtlinie wird den Rahmen für die energetische Sanierung des Gebäudebestands mit dem Ziel der Klimaneutralität in Deutschland im Jahr 2045 vorgeben. Im Zuge der Novelle der EU-Richtlinie kann ihre Mandantschaft vermehrt mit Fragen zu Anforderungen an bestehende Immobilien und geplante Bauprojekte auf Sie zukommen – dieser Beitrag gibt Ihnen einen Einblick in die geplante Novelle und Fragen zur Umsetzung.

Die Anstrengungen zur Reduzierung der Treibhausgasemissionen in der EU sind die Folge der auf Ebene der Vereinten Nationen (UN) beschlossenen Begrenzung des globalen Temperaturanstiegs. Auf der Weltklimakonferenz in Paris im Jahr 2015 (COP 21) wurde vereinbart, dass der durchschnittliche globale Temperaturanstieg möglichst auf 1,5 Grad begrenzt werden soll.

Zur Umsetzung dieses Ziels hat die EU im Jahr 2021 das Europäische Klimaschutzgesetz erlassen. Kerninhalt ist die Klimaneutralität Europas bis zum Jahr 2050. Als Zwischenziel ist die Reduzierung des Ausstoßes von Treibhausgasen bis zum Jahr 2030 um 55 Prozent gegenüber dem Niveau von 1990 festgelegt worden.

Die konkrete Umsetzung der Schritte hin zur Klimaneutralität ist Aufgabe der Mitgliedsländer der EU. In Deutschland dient dazu das Bundes-Klimaschutzgesetz (KSG) vom 19. Dezember 2019. Aufgrund einer erfolgreichen Verfassungsbeschwerde wurde das KSG am 18. August 2021 verschärft. Eine der wichtigsten Änderungen ist das Vorziehen der Klimaneutralität für Deutschland von 2050 auf 2045. Das KSG kennt sechs Sektoren, für die jeweils eigene Reduktionsziele in Bezug auf die Treibhausgasemissionen festgelegt wurden. Einer der Sektoren ist der Gebäudesektor. Von 2020 bis 2030 sollen die Treibhausgasemissionen des Gebäudesektors um 43,2 Prozent sinken. Für den daran anschließenden Zeitraum wurden keine sektorscharfen Ziele definiert. Über alle Sektoren hinweg soll bis 2040 eine Reduktion um 88 Prozent erzielt werden.

Worum handelt es sich bei der EU-Gebäuderichtlinie?

Die Klimaneutralität des Gebäudesektors soll im Wesentlichen durch das Zusammenwirken von zwei Maßnahmen erreicht werden:

  1. Steigerung der Energieeffizienz des Gebäudebestands
  2. Deckung des verbleibenden Energiebedarfs durch erneuerbare Energien

Die EU-Richtlinie über die Gesamtenergieeffizienz von Gebäuden (Energy Performance of Buildings Directive – EPBD) – kurz EU-Gebäuderichtlinie – ist das zentrale Instrument zur Steigerung der Energieeffizienz des Gebäudebestands.

Die EU-Gebäuderichtlinie wurde im Jahr 2010 eingeführt und im Jahr 2018 geändert. Sie schreibt für Neubauten das „Niedrigstenergiegebäude“ als Standard vor. Diese Vorschrift wurde in Deutschland im Gebäudeenergiegesetz (GEG) umgesetzt. Zu energetischen Sanierungen im Gebäudebestand wurden in der EU-Gebäuderichtlinie bislang keine Vorgaben gemacht.

Mit der bevorstehenden Novelle der EU-Gebäuderichtlinie soll sich das gründlich ändern. Die EU-Kommission hat zu diesem Zweck am 15. Dezember 2021 dem Rat und dem Europäischen Parlament einen Entwurf vorgelegt. Für Neubauten soll nun das „Nullemissionsgebäude“ ab 2030 zum Standard werden. Für Bestandsgebäude sollte die Erreichung bestimmter Mindesteffizienzstandards vorgeschrieben werden. Unter anderem sollte für Wohngebäude die Erreichung der Effizienzklasse F ab 2030 und der Effizienzklasse E ab 2033 als verbindlich vorgegeben werden. Die Skalierung der Energieeffizienzklassen soll dabei in Europa einheitlich die Klassen A bis G umfassen. Aktuell reicht die Skala in Deutschland von A+ bis H und ist außerdem nur für Wohngebäude eingeführt.

Der Rat hat im Oktober 2022 zu dem Vorschlag der EU-Kommission Stellung bezogen. Nach den Vorstellungen des Rates sollen die Vorgaben für den Gebäudebestand wie folgt lauten:

Bestehende Nichtwohngebäude

  • Bis 2030: Unterschreitung des Schwellenwertes unterhalb des Primärenergieverbrauchs der 15 Prozent des Gebäudebestands mit der schlechtesten Gesamtenergieeffizienz in einem Mitgliedsstaat
  • Bis 2034: Unterschreitung des Schwellenwertes unterhalb des Primärenergieverbrauchs der 25 Prozent des Gebäudebestands mit der schlechtesten Gesamtenergieeffizienz in einem Mitgliedsstaat
  • Die Schwellenwerte beziehen sich auf den Energieverbrauch des nationalen Gebäudebestands am 1.1.2020

Bestehende Wohngebäude

  • Mindestvorgaben für die Gesamtenergieeffizienz auf Grundlage eines nationalen Pfades mit dem Ziel des Nullemissionsgebäudestandards bis 2050
  • Bis 2033 muss der durchschnittliche Primärenergieverbrauch des gesamten nationalen Wohngebäudebestands mindestens dem Niveau der Gesamtenergieeffizienzklasse D entsprechen
  • Bis 2040 muss ein weiterer national festzulegender Wert für den durchschnittlichen Primärenergieverbrauch erreicht sein

MkG 01/23

Kennen Sie schon unser MkG-Magazin?

Im Magazin finden Sie weitere interessante Beiträge u. a. zum beA, zur Anrechnung der Geschäftsgebühr und zu empfehlenswerten Vereinen und Initiativen für Juristinnen und Juristen.

Hier kostenlos herunterladen

Für Wohngebäude sollen die verbindlichen zeitlichen Vorgaben zur Einhaltung bestimmter Effizienzklassen demnach abweichend vom Entwurf der EU-Kommission nun von den Mitgliedsstaaten selbst bestimmt werden. Dies ist unter anderem deshalb notwendig geworden, da es in Sachen Klimaneutralität ein Europa der zwei Geschwindigkeiten gibt. Deutschland will die Klimaneutralität bis 2045 und damit fünf Jahre früher erreichen als auf Ebene der EU vorgesehen. Folglich müssen die Vorgaben bezüglich der Mindesteffizienzklassen in Deutschland auch entsprechend schärfer ausfallen.

Nach den Vorstellungen des Rates sollen bei den Wohngebäuden aber zwei Eckdaten als Kontrollpunkte eingehalten werden. Bis 2033 muss der durchschnittliche Primärenergieverbrauch des gesamten nationalen Wohngebäudebestands dem Niveau der Gesamtenergieeffizienzklasse D entsprechen. Ein weiteres Eckdatum ist 2040. Den dann einzuhaltenden Wert legt jedes Land für sich fest. Wegen des deutschen Ziels einer Klimaneutralität bis 2045 muss der angestrebte Wert in Deutschland ambitionierter sein als in anderen Ländern. Der Rat muss sich noch mit dem Europäischen Parlament verständigen. Sobald dies erfolgt ist, wird die novellierte EU-Gebäuderichtlinie in Kraft treten.

Wie soll die EU-Gebäuderichtlinie in deutsches Recht umgesetzt werden?

Die Umsetzung der EU-Gebäuderichtlinie wird im Rahmen des Gebäudeenergiegesetzes (GEG) erfolgen. Dieses ist seit November 2020 in Kraft. In ihm wurden drei Gesetze, u. a. die Energieeinsparverordnung, zusammengefasst. Die Bundesbauministerin Geywitz verkündete bei der Vorstellung des Sofortprogramms für den Gebäudesektor nach dem Bundesklimaschutzgesetz (KSG) am 13.7.2022, dass diese Umsetzung unverzüglich erfolgen soll, sobald die Richtlinie vorliegt.

Ein höheres Tempo ist in Sachen energetische Sanierung des Gebäudebestands auch dringend erforderlich. Die Reduktionsziele des Gebäudesektors nach KSG wurden im Jahr 2021 nicht erfüllt, weshalb das erwähnte Sofortprogramm erforderlich wurde. Das Bundesumweltamt muss die konkreten Zahlen zu den Treibhausgasemissionen im Jahr 2022 sowie den Abgleich mit den Zielvorgaben noch zusammenstellen. Darf man ersten Schätzungen glauben, wurden die Ziele auch im Jahr 2022 nicht erfüllt.

Es erweist sich nun als Nachteil, dass in Deutschland bislang nur sehr moderate gesetzliche Vorgaben zur anlasslosen energetischen Sanierung von Bestandsgebäuden existieren. Es handelt sich dabei im Wesentlichen um die Dämmung von Dachböden, die Dämmung von Heizungsrohren und den Austausch von über 30 Jahre alten Heizkesseln. Weitergehende Vorschriften greifen nur anlassbezogen im Rahmen des Austauschs von Bauteilen wie etwa Fenstern, Dächern oder Fassadenbauteilen.

Welche Probleme wird es bei der Umsetzung der EU-Gebäuderichtlinie geben?

Ganz unabhängig davon, wie die Vorschriften der neuen EU-Gebäuderichtlinie und deren Umsetzung in deutsches Recht konkret aussehen werden, müssen Millionen Immobilien in Deutschland energetisch saniert werden, wenn das Ziel der Klimaneutralität bis 2045 erreicht werden soll. Rund 80 Prozent der 36,9 Millionen Wohnungen in Deutschland wurden vor 1991 errichtet und haben eine dementsprechend schlechte Energieeffizienz.

Dem Staat kommt die Aufgabe zu, die Umsetzung zu überwachen. Dies dürfte sich als nicht ganz einfach erweisen. Die zuständigen Behörden – es werden vermutlich die Bauaufsichtsbehörden sein – müssten dazu ja Kenntnis darüber erlangen, welche Gebäude welcher Energieeffizienzklasse zuzuordnen sind, um überprüfen zu können, ob die Vorgaben zur Erreichung höherer Gesamtenergieeffizienzklassen eingehalten wurden. Dazu müssten nach Auffassung des Autors für alle Gebäude Energieausweise angefertigt und der für die Überwachung zuständigen Behörde übermittelt werden. Nach bisheriger Rechtslage müssen Energieausweise aber nur im Falle der Vermietung oder des Verkaufs von Immobilien erstellt werden. Damit aber wäre die Überwachung des gesamten Gebäudebestandes nicht möglich. Denn viele Immobilien, insbesondere Einfamilienhäuser, werden bis 2045 voraussichtlich weder verkauft noch vermietet werden, so dass in diesen Fällen nach aktueller Rechtslage auch kein Energieausweis zu erstellen wäre.

Da es sich bei den energetischen Sanierungen im Allgemeinen um Maßnahmen mit erheblichem Investitionsbedarf handeln wird, birgt das Thema ein großes gesellschaftliches Konfliktpotential. Für eine erfolgreiche Umsetzung, die auf Unterstützung in der Bevölkerung stößt, ist die Flankierung der Sanierungspflichten mit Fördermitteln einerseits und Sozialfonds andererseits wichtig. Die vom Bundeswirtschaftsministerium vorgenommenen Kürzungen der KfW-Fördersätze für die energetische Sanierung von Bestandsgebäuden gehen da leider in die falsche Richtung.

Erschwert werden wird die energetische Sanierung durch die zuletzt stark gestiegenen Baupreise. Der vom statistischen Bundesamt ermittelte Baupreisindex stieg allein vom I. Quartal 2021 bis zum IV. Quartal 2022 um über 28 Prozent an. Hinzu kommt der Fachkräftemangel. Die Regierung möchte dem mit speziellen Programmen entgegenwirken. So wurde als Bestandteil des Sofortprogramms nach KSG vom Juli 2022 für den Gebäudesektor ein Bundesprogramm für die serielle Sanierung sowie ein Aufbauprogramm und eine Qualitätsoffensive für Wärmepumpen vorgestellt.

Fazit: Millionen Immobilien in Deutschland werden betroffen sein

Die neue EU-Gebäuderichtlinie wird den Rahmen für die energetische Sanierung des Gebäudebestands mit dem Ziel des klimaneutralen Gebäudebestands in Deutschland im Jahr 2045 vorgeben. Davon werden Millionen Immobilien in Deutschland betroffen sein, die in noch zu bestimmender zeitlicher Abfolge bestimmte noch zu definierende Mindesteffizienzstandards werden erfüllen müssen. Viele Fragen wie die zur staatlichen Überwachung und ggfs. Sanktionierung der neuen Vorgaben, zur technischen Umsetzung und zur Finanzierung sind noch offen – und werden den gesellschaftlichen und politischen Diskurs der nächsten Jahre prägen.

Weitere Beiträge

Diplom-Architekt und Diplom-Wirtschaftsingenieur (FH) Dieter Eimermacher, Gründer und Geschäftsführer der EIMERMACHER Immobilienbewertungen GmbH, ist öffentlich bestellter und vereidigter Sachverständiger für die Bewertung von bebauten und unbebauten Grundstücken, zertifizierter als Immobiliengutachter für finanzwirtschaftliche Zwecke und Professional Member (MRICS) der Royal Institution of Chartered Surveyors (RICS). Er ist Autor der Fachbücher „Klimaschutz und Nachhaltigkeit – so werden unsere Immobilien grün: Zukunftssicher in Immobilien investieren mit ESG, SDG, C2C, Green Deal & Co.“ und „Erfolgreiches Immobilien-Portfoliomanagement. Für Stiftungen sowie kirchliche und gemeinnützige Einrichtungen“.

Bild: Adobe Stock/©NewSaetiew

 

Mit dem MkG-Newsletter erhalten Sie alle sechs Ausgaben pro Jahr
pünktlich zur Veröffentlichung per Mail – zu Themen, die Sie weiterbringen:

  • Aktuelle Gesetzesänderungen,
  • Tipps zur optimalen Abrechnung,
  • Karrierechancen, Kanzleiführung u. v. m.