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Von Dr. Ute Bolz-Fischer

Die Stimme wird oftmals als der „Underdog“ unter den Soft Skills angesehen, dabei beeinflusst sie entscheidend, wie man auf sein Gegenüber wirkt und ist damit in Wahrheit ein „Top Dog“. In diesem Beitrag geht es um die Stimme und ihren Einfluss auf das Berufsleben – und natürlich um Tipps und Tricks, wie man am besten mit ihr umgeht.

Die Stimme ist ein sehr wichtiger und entscheidender Teil des menschlichen Erscheinungsbildes. Deshalb hat sie einen maßgeblichen Einfluss darauf, wie man auf Mitmenschen wirkt – das gilt privat wie beruflich. Junge Anwältinnen und Anwälte legen besonderen Wert darauf, wie sie auf ihr Gegenüber wirken. Sie passen sich schon früh im Studium dem Dresscode an, der in der Branche vorherrscht. Im Berufsleben erstreckt sich das Phänomen der Außenwirkung auf Kanzleiräumlichkeiten, die Corporate Identity, die auf Visitenkarten etc. verwendet wird, bis hin zu Umgangsformen, die miteinander gepflegt werden. Die Stimme wird in diesem Rahmen sehr vernachlässigt. Trotzdem wirkt sie sich aus – und zwar massiv, viel mehr als man denkt.

Die Stimme als Vertrauensauslöser

Eine Studie der Universität Bremen, mit Daten von über 2.000 Versuchspersonen, hat ergeben, dass es einen Zusammenhang zwischen der Stimmhöhe und dem Vertrauen gibt, das Menschen entgegengebracht wird. „Mal angenommen, man telefoniert mit dem Bankberater und er empfiehlt, Geld in Fonds anzulegen, dann würden wir ihm eher vertrauen, wenn er eine tiefere Stimme hat“, erläutert Julia Stern, die maßgeblich am Verfassen der Studie beteiligt war. Dabei habe die Stimme nichts damit zu tun, wie ehrlich jemand tatsächlich sei (J. Schwenkenbecher, Wie Stimmen wirken – und was sie wirklich verraten, spektrum.de, 2021). Es geht um die reine Wahrnehmung, deren Beurteilung dem Menschen kollektiv innewohnt. Die Beschaffenheit der Stimme kann Vertrauen wecken – und zerstören. Das beginnt beim ersten Eindruck.

Der Volksmund sagt: „Für den ersten Eindruck gibt es keine zweite Chance.“ Und das stimmt. Das ist der Grund, weswegen Anwältinnen und Anwälte sich gut kleiden und sich gewählt ausdrücken. Sie hoffen, den bestmöglichen Eindruck auf die (potenzielle) Mandantschaft oder Kolleginnen und Kollegen oder Richterinnen und Richter zu machen. Im Idealfall wirken sie selbstsicher, sympathisch, durchsetzungsstark und kompetent. Darauf zahlt die Stimme ein.

Das wird besonders deutlich, wenn man sich das Gegenteil vorstellt: Der potenziell zukünftige Anwalt kommt in einer wichtigen Angelegenheit auf eine Mandantin zu, schüttelt ihr die Hand und stellt sich mit brüchiger und unsicherer Stimme bei ihr vor. Traut sie ihm zu, dass er sie angemessen vertreten kann? Dabei sagt die Stimme nichts über das fachliche Know-how und die juristische Kompetenz desjenigen aus, der sich vorstellt. Dennoch bekommt die Mandantin ein mulmiges Gefühl beim Gedanken daran, dass der Anwalt sich im Plädoyer vielleicht ständig räuspern muss und insgesamt unsicher auftreten wird.

Als Anwältin oder Anwalt bekommt man nach einer ersten Begegnung häufig gar nicht mit, was mit einer potenziellen Mandantin oder einem potenziellen Mandanten schiefgelaufen ist. Man selbst hielt sich vielleicht für genau die richtige Person, um die Vertretung zu übernehmen und hört dann nie wieder etwas von diesem Gespräch. Die Mandantschaft hat sich für eine andere Kanzlei entschieden. Der Trackrecord der Stimme ist also unsichtbar, aber die Stimme ist ein wirkungsvolles Marketinginstrument. Umso mehr lohnt es sich, genau hinzuschauen, wie man selbst stimmlich aufgestellt ist. Das unsichtbare Soft Skill „Stimme“ sollte gut trainiert werden.

Auch im Umgang mit Kolleginnen und Kollegen, Richterinnen und Richtern oder bei Vorträgen ist es besonders für Junganwältinnen und -anwälte von Vorteil, bereits mit der Stimme auszudrücken, dass man selbst den nötigen Biss für den Job hat. Schließlich steht man gerade in dieser Phase der Karriere unter besonderer Beobachtung.

Wie sollte ein Anwalt oder eine Anwältin klingen?

Die Antwort auf diese Frage lautet ohne weitere Umschweife: Es gibt nichts Vertrauenerweckenderes als ein authentisches Gegenüber. Die Stimme zu verstellen, um irgendwie anders zu klingen, ist nicht zielführend. Stattdessen ist es sinnvoll, sich der eigenen Stimme anzunehmen und ihre besten Features hervorzuheben, während man gleichzeitig Schwächen ausbügelt. Der Effekt ist ein Wiedererkennungswert, eine Art akustische Visitenkarte – wie bei einem bekannten Schauspieler, dessen Stimme man unter Tausenden wiedererkennen würde.

Die gute Nachricht ist: Jeder Mensch verfügt über einen ganz eigenen Stimmklang: die sogenannte Indifferenzlage. Sie ist der Frequenzbereich, in dem man am durchdringendsten, ausdauerndsten und besten sprechen kann. Die schlechte Nachricht: Sie wird oft im Laufe des Lebens verlernt. Kulturelle Überformung, schlechte Angewohnheiten oder Nervosität und Agitation schleichen sich ein und verhindern, dass man frei und entspannt spricht. Doch wer sich um seine Stimme bemüht, kann diese Lage für sich wiederentdecken und wie einen Schatz heben. Gelingt dies, ist das der erste Schritt, um viele stimmliche Probleme (von der Fistelstimme, über eine kraftlose, zu leise Stimme, bis hin zu schnellen Ermüdungserscheinungen) zu beseitigen.

Eine erste Annäherung an die eigene Indifferenzlage gelingt mit folgenden Übungen:

  • Stellen Sie sich vor, Sie essen etwas, das Ihnen richtig gut schmeckt. Summen Sie „Mmh“ und drücken Sie damit aus, wie lecker das ist. Machen Sie zusätzlich zum Ton genüssliche Kaubewegungen. Damit pendeln Sie sich in der Indifferenzlage ein.
  • Gähnen Sie herzhaft mit weit geöffnetem Mund und produzieren Sie dabei einen Ton. Der weit geöffnete Rachenraum ist dabei entspannt und Sie pendeln sich damit bei mehrmaliger Wiederholung ebenfalls in der Indifferenzlage ein.

Beide Übungen sollen für einen entspannten Hals- und Rachenbereich sorgen.

Was bringt Stimmcoaching?

Am effizientesten arbeitet man mit einem professionellen Stimmcoach an der Stimme. Schließlich reichen stimmliche Probleme von schnellen Ermüdungserscheinungen, über das Handicap, die Lautstärke beim Sprechen nicht beeinflussen zu können, hin zu Stottern oder Lispeln. An all dem kann man gezielt arbeiten, wenn das Coaching professionell angeleitet wird. Die eigene Stimme muss also weder als ungeliebtes Schicksal angenommen werden, noch ist sie unveränderbar. Im Gegenteil, jede Stimme lasst sich trainieren und somit optimieren.

Im Stimmcoaching beginnt man als ersten Schritt mit der Arbeit an der richtigen Atmung. Die meisten Menschen haben sich eine flache Atmung angewöhnt, die die Luft zwar in den Brustkorb strömen lässt und die Versorgung mit Sauerstoff oberflächlich gewährleistet, für eine gute stimmliche Arbeit reicht das jedoch nicht aus. Nur wer tief einatmet, bis weit in den Bauchraum hinein, hat eine gute Grundlage für eine ausdrucksstarke, kraftvolle Stimme. Das können Sie gut an sich selbst überprüfen:

  • Atmen Sie auf die gewohnte Weise ein. Überprüfen Sie, wohin der Atemstrom geht: Verbleibt er im Brustkorb? Ziehen Sie eventuell sogar die Schultern beim Einatmen nach oben? Oder strömt die Luft tief in den Bauchraum? Haben Sie eventuell sogar das Gefühl, er geht weit darüber hinaus? Letzteres sollte das Ziel sein.
  • Atmen Sie aus und warten Sie, bis der Lufthunger wieder einsetzt. Öffnen Sie dann den Mund und lassen Sie Ihren Atem weit in Ihren Körper hineinströmen. Spüren Sie die Aufrichtung des Körpers, die daraus erfolgt.

Eine derart tiefe Atmung ist die Grundlage für die Arbeit an der Stimme. Sie ist die Basis für die Kraft, die man mit der Stimme umsetzen kann und bietet einen Hebel, um diese Kraft zu regulieren. Lautstärke, Ausdruck, Volumen, Tonmodulation und Klang lassen sich durch tiefe Bauchatmung kontrollieren. Und weil die Kraft für die Stimme nicht mehr aus dem Rachenraum, sondern aus dem gesamten Körper kommt, vermindert sie auch Ermüdungserscheinungen und Heiserkeit. Außerdem sorgt eine tiefe Atmung für Ruhe und Gelassenheit in angespannten Situationen, die es im Leben junger Anwältinnen und Anwälte zuhauf gibt und sie beugt Lampenfieber vor. Tiefenatmung sorgt für Erdung, innere Ruhe und Bodenhaftung im anwaltlichen Alltag.

Ist dieser erste Schritt im Coaching gemacht, kann es an die feineren Nuancen der Stimmarbeit gehen. In meinem Stimmcoaching kommt zusätzlich das Singen ins Spiel. Denn durch das Singen von Tönen lassen sich Strategien für den Stimmgebrauch etablieren, die dann beim Sprechen für Erleichterung und guten Stimmklang sorgen.

Beim Gedanken daran, singen zu müssen, sind viele Anwältinnen und Anwälte zunächst erstaunt – allerdings völlig zu Unrecht. Beim Stimmcoaching durch Gesang geht es nicht darum, die nächste Callas oder der nächste Caruso zu werden. Es geht darum, Vorgehensweisen zu etablieren, die die eigene Stimme besser kontrollier- und beherrschbar machen. Hier sei ein Beispiel genannt: Viele Menschen, die z. B. stottern oder eine zu leise, zu schwache Stimme haben, lassen diese Probleme hinter sich, wenn sie singen. Durch Gesang ist man also dazu in der Lage, auch schwerwiegende stimmliche Probleme zu lösen.

Das Singen hat darüber hinaus noch einen weiteren Effekt: Es sorgt für Entspannung und Stressabbau. Durch das Singen von Tönen wird das Wohlfühlhormon Oxytocin ausgeschüttet, das Stresshormon Cortisol wird im Körper nachweislich verringert. Singen entspannt also – ein Effekt, der gerade im stressigen anwaltlichen Alltag sehr willkommen sein dürfte. Stimmcoaching sorgt also nicht nur für eine gute Stimme, sondern darüber hinaus für gelebtes Lawyer Well-being.

Fazit: ein oft unterschätzter Türöffner

Junge Anwältinnen und Anwälte sollten daher Zeit in die Entwicklung ihrer stimmlichen Präsenz stecken. Sie ist ein Soft Skill, das zu oft unterschätzt wird, aber Türen öffnet, wenn man es beherrscht. Denn mit einer starken Stimme zahlt man auf das gesamte Berufsleben als Anwältin oder Anwalt ein, man ist erfolgreicher und bleibt gesünder.

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Ute Bolz-Fischer M.A. ist Stimmbildnerin und Stimmcoach. Sie hat Gesang und Musikwissenschaft studiert. Inspiriert von ihrem juristisch geprägten Umfeld, hat sie als Inhaberin von Law & Voice ein speziell auf die Bedürfnisse von Juristinnen und Juristen abgestimmtes Stimmcoaching entwickelt, das auf der Grundlage des Gesangs basiert. Ihre Arbeit zielt darauf ab, die Stimmen ihrer Coachees zu stärken und die Resilienz zu fördern.

Bild: Adobe Stock/©Anton Gvozdikov

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