Reform des Stiftungsrechts

Von Dr. Metin Konu

Am 1. Januar 1900 trat das Bürgerliche Gesetzbuch (BGB) in Kraft, damit auch die Grundzüge und Wesensmerkmale einer Stiftung (§§ 80 ff. BGB a.F.). Regelungen zu Stiftungen finden sich in den §§ 80 bis 87 BGB sowie in 16 Landesstiftungsgesetzen, welche die Stiftungsaufsicht regeln und darüber hinaus auch die grundlegenden Vorschriften aus dem BGB ergänzen. Demnach bestehen länderspezifische und bundesuneinheitliche Regelungen auf Kosten der Rechtssicherheit.

Das Gesetz zur Modernisierung des Stiftungsrechts aus dem Jahr 2002 hat lediglich die Grundstruktur des Stiftungsrechts dahingehend geändert, dass es die gesetzlichen Voraussetzungen betreffend die Erlangung der Rechtsfähigkeit einheitlich und abschließend regelt. Mit dem Gesetz zur Stärkung des Ehrenamtes vom 21. März 2013 wurde insbesondere die Haftung von ehrenamtlich tätigen Mitgliedern von Vereinsorganen (§ 31a BGB), die über § 86 Satz 1 BGB auch für Stiftungen anwendbar ist, beschränkt. Ferner wurde durch § 80 Abs. 2 Satz 2 BGB eine gesetzliche Grundlage für eine Verbrauchsstiftung geschaffen.

Vereinheitlichung des Stiftungsrechts

Durch das am 22. Juli 2021 verkündete Gesetz zur Vereinheitlichung des Stiftungsrechts soll der Rechtsrahmen umgestaltet und die bisher in den Landesstiftungsgesetzen befindlichen Regelungen in das BGB (§§ 80 bis 88 BGB n.F.) überführt werden. Das neue Stiftungsrecht tritt mit Ausnahme der Regelungen zum neuen Stiftungsregister am 1. Juli 2023 in Kraft. Letzteres wird erst zum 1. Januar 2026 in Kraft treten. Nachfolgend sollen die wichtigsten am 1. Juli 2023 in Kraft tretenden Neuerungen aufgezeigt werden.

Die Reform des Stiftungsrechts

1. Ändert sich alles?

Wie bereits angedeutet, beabsichtigt der Gesetzgeber mit der Reform nicht die vollständige Absage an das bisherige Stiftungsrecht. Vielmehr werden durch die Reformvorschriften viele bislang geltende ungeschriebene Rechtsgrundsätze nunmehr ausdrücklich im BGB kodifiziert. Prominente Beispiele für fest etablierte Grundsätze, für die jedoch eine allgemeingültige Vorschrift fehlte, sind etwa die (a) Business Judgement Rule, (b) die satzungsmäßige Beschränkung der Haftung von Organmitgliedern und (c) der Umgang mit Umschichtungsgewinnen.

a) Business Judgement Rule

Auch für Stiftungen wird die aus dem Aktienrecht allgemein bekannte „Business Judgement Rule“ eingeführt. Hiernach liegt eine Pflichtverletzung eines Organmitglieds nicht vor, wenn dieses bei der Geschäftsführung unter Beachtung der gesetzlichen und satzungsgemäßen Vorgaben vernünftigerweise annehmen durfte, auf der Grundlage angemessener Informationen zum Wohle der Stiftung zu handeln. Liegen die Tatbestandsvoraussetzungen vor, so kommt eine Haftung des betreffenden Organmitglieds nicht
in Betracht. Zwar ist die Einfügung dieser Regelung auch im Stiftungsrecht zu begrüßen. Allerdings ist nicht nachvollziehbar, warum diese Vorschrift nicht im Vereinsrecht eingefügt wurde, da das Gesetz an wenigen weiteren Stellen des neuen Stiftungsrechts weiterhin mit der Verweistechnik auf das Vereinsrecht arbeitet.

b) Satzungsmäßige Beschränkung der Haftung von Organmitgliedern

Gemäß § 84a Abs. 1 Satz 3 BGB n.F. kann die Haftung für Pflichtverletzungen von Organmitgliedern durch die Satzung beschränkt werden. Die Haftung kann auch bei hauptamtlichen Organmitgliedern auf grob fahrlässig oder vorsätzlich begangene Pflichtverletzungen beschränkt werden. Möglich ist auch eine betragsmäßige Begrenzung der Haftung von Organmitgliedern.

c) Vermögenserhalt – Umgang mit Umschichtungsgewinnen

Gemäß § 83b Abs. 2 BGB n.F. gehören zum Grundstockvermögen das der Stiftung gewidmete Vermögen, das der Stiftung zugewendete Vermögen – soweit es vom Zuwendenden dazu bestimmt wurde, Teil des Grundstockvermögens zu werden (Zustiftung) – und das Vermögen, das von der Stiftung zu Grundstockvermögen bestimmt wurde. § 83c Abs. 1 Satz 1 BGB n.F. schreibt vor, dass das Grundstockvermögen ungeschmälert zu erhalten ist. Ob das Grundstockvermögen in seinem nominellen, realen oder gar gegenständlichen Wert zu erhalten ist, lässt der Gesetzgeber unbeantwortet. Vielmehr verweist er in der Gesetzesbegründung darauf, dass diese Frage im jeweiligen Einzelfall mit Blick auf die konkrete Stiftung und die bestehenden Anlagemöglichkeiten für das Grundstockvermögen der Stiftung beantwortet werden muss. Hiermit wird insbesondere auch die Anknüpfung an den Stifterwillen ermöglicht.

Mit der Regelung in § 83c Abs. 1 Satz 3 BGB n.F. sorgt der Gesetzgeber für Klarheit darüber, wie mit Umschichtungsgewinnen umzugehen ist. Bislang war umstritten, ob Umschichtungsgewinne für die Zweckverwirklichung verwendet werden konnten oder ob sie dem Grundstockvermögen zugeführt werden müssen. Nach der neuen Regelung dürfen Umschichtungsgewinne für die Erfüllung des Stiftungszwecks verwendet werden, sofern die Stiftungssatzung keine Einschränkungen vorsieht und die Erhaltung des Grundstockvermögens gewährleistet ist.

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2. Sind Satzungsänderungen nun vereinfacht möglich?

Bislang enthält das BGB keine Regelung für Satzungsänderungen durch Organmitglieder. Die Länder sehen in ihren Stiftungsgesetzen daher Regelungen vor, die unterschiedlicher nicht sein könnten. Mit § 85 BGB n.F. werden künftig die rechtlichen Freiheiten im Hinblick auf Satzungsänderungen durch Organmitglieder im Wege eines Dreischichtsystems normiert.

1. Zweckänderungen bzw. Zweckbeschränkungen sind möglich, wenn der Stiftungszweck nicht mehr dauernd oder nachhaltig erfüllt werden kann oder der Stiftungszweck das Gemeinwohl gefährdet. Ersteres liegt gemäß § 85 Abs. 1 Satz 2 BGB n.F. insbesondere vor, wenn eine Stiftung keine ausreichenden Mittel für die nachhaltige Erfüllung des Stiftungszwecks hat und solche Mittel in absehbarer Zeit auch nicht erwerben wird. Sofern diese Voraussetzungen vorliegen und die beabsichtigten neuen oder beschränkten Zwecke dauernd und nachhaltig erfüllt werden können, kann eine auf unbestimmte Zeit errichtete Stiftung auch durch Satzungsänderung in eine Verbrauchsstiftung umgewandelt werden.

2. Zweckänderungen und Änderungen von prägenden Bestimmungen der Stiftungsverfassung sind möglich, wenn sich die Verhältnisse nach Errichtung der Stiftung wesentlich verändert haben und eine solche Änderung erforderlich ist, um die Stiftung an die veränderten Verhältnisse anzupassen. Was unter prägenden Bestimmungen zu verstehen ist, erläutert der Gesetzgeber anhand von Regelbeispielen. Als prägend anzusehen sind Bestimmungen über den Namen, den Sitz, die Art und Weise der Zweckerfüllung und über die Verwaltung des Grundstockvermögens.

3. Weitere Satzungsänderungen, die nicht unter die vorgenannten Varianten fallen, sind möglich, wenn dies der Erfüllung des Stiftungszwecks dient. Diese Änderungsbefugnisse kann der Stifter im Stiftungsgeschäft gegenüber den Stiftungsorganen ausschließen, beschränken oder vereinfachen. Abweichende Satzungsbestimmungen sind jedoch nur wirksam, wenn der Stifter Inhalt und Ausmaß der Änderungsermächtigung hinreichend bestimmt festlegt, § 85 Abs. 4 BGB n.F. Diese Regelung zeigt, dass Bestandsstiftungen, deren Satzungen keine Änderungsermächtigungen enthalten, solche auch nicht nachträglich einführen können. Um eine wesentliche Veränderung der Verhältnisse nach Errichtung der Stiftung handelt es sich hierbei nicht, da diese Regelung an der bisher geltenden Rechtslage nichts ändert.

3. Können kleine Stiftungen von der Reform profitieren?

Grundsätzlich unterscheiden die neuen Regelungen nicht zwischen kleinen und großen Stiftungen. Nichtsdestotrotz gibt es Neuerungen, die insbesondere kleinen oder mittelständischen Stiftungen zugutekommen können. So erfährt das Stiftungsrecht beispielsweise eine äußerst transparente und ausführliche Ausgestaltung im Hinblick auf Zulegung und Zusammenlegung von Stiftungen (§§ 86 ff. BGB n.F.).

Eine übertragende Stiftung geht nach dem Vorbild einer Umwandlung nach dem Umwandlungsgesetz im Wege der Gesamtrechtsnachfolge auf eine übernehmende Stiftung über. Die übertragende(n) Stiftung(en) erlischt bzw. erlöschen ohne einen Auflösungs- und Liquidationsprozess.

Fazit / Tipp

Insgesamt halten sich spürbare Neuerungen durch die Reform in Grenzen. Überwiegender Anlass für den Gesetzgeber war die Klarstellung und vor allem bundesweite Vereinheitlichung des Stiftungsrechts. Gleichwohl sollten Stiftungen prüfen, ob die Regelungen in der Satzung auch nach Geltung des neuen Gesetzes dem Willen des Stifters entsprechen oder ob eine Modernisierung/Anpassung einzelner Regelungen in der Satzung erforderlich ist.

Weitere Beiträge

Metin Konu ist Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht und Partner der Kanzlei Menold Bezler. Er ist spezialisiert auf die Beratung rund um Stiftungs- und Vereinsrecht, Gemeinnützigkeitsrecht und Gesellschaftsrecht. Er verfügt über große Erfahrung, insbesondere in der Beratung von Stiftungen und kommunaler Unternehmen.

Bild: Adobe Stock/©silentgunman

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