Urheberrechtsreform

Von David Geßner
Noch in dieser Legislaturperiode musste vom Gesetzgeber die neue umstrittene Urheberrechtsreform beschlossen werden. Diese kommt nicht unerwartet, verlangen doch die zugrunde liegenden europäischen Richtlinien eine Anpassung der nationalen Gesetze bis zum 7. Juni 2021. Doch vor der Umsetzung durch den nationalen Gesetzgeber waren noch viele Fragen offen. Die wichtigsten Fragen und Antworten zur Reform gibt es in diesem Beitrag im Überblick.

1. Was ist das Ziel der Urheberrechtsreform?

Das Ziel der Reform ist es, das Urhebergesetz und die damit zusammenhängende Materie fit für das digitale Zeitalter zu machen. Die Notwendigkeit, aber auch die Kontroversen rund um das Thema wurden bereits bei Einführung der DSM-Richtlinie heiß diskutiert. Die Richtlinie ließ jedoch in der Umsetzung für den nationalen Gesetzgeber noch einige Fragen offen. Am 7. Juni 2021 hätten die Änderungen in Kraft treten sollen. Nun treten sie, leicht verspätet, am 1. August in Kraft. Die Änderungen der bestehenden Gesetze werden mit der Einführung des Urheberrechts-Diensteanbieter-Gesetzes (UrhDaG) komplementiert.

2. Was genau wurde umgesetzt?

Das Gesetz dient der Umsetzung der Richtlinie über das Urheberrecht im digitalen Binnenmarkt sowie der Online-SatCab-Richtlinie. In der Umsetzung beinhaltet die Reform Änderungen für das Urheberrechtsgesetz, das Verwertungsgesellschaftengesetz, das Unterlassungsklagegesetz sowie die Schaffung eines neuen Urheberrechts-Diensteanbieter-Gesetzes.

3. Wer wird vom Gesetz betroffen sein?

Die Reform ist die größte, die das Urheberrecht seit Langem gesehen hat. Die Änderungen betreffen deshalb fast jeden, der mit dem Urheberrecht in Berührung kommt: von der Künstlerin, über den Verleger, bis hin zu den Plattformen und den Verwertungsgesellschaften.

4. Verantwortlichkeit und Haftung der Upload-Plattformen

Die schwerwiegendste Neuerung ist die neu geregelte Verantwortlichkeit für Upload-Plattformen wie YouTube, Instagram oder TikTok. § 1 UrhDaG begründet eine urheberrechtliche Verantwortlichkeit für alle Inhalte, die von den Nutzern und Nutzerinnen jener Plattformen hochgeladen werden. Für die Wiedergabe dieser Inhalte benötigen die Plattformen dann noch eine Lizenz, welche sie erwerben müssen. Das altbekannte Haftungsprivileg der Host-Provider nach § 10 S. 1 TMG entfällt nun für diese Plattformen. Die vom UrhDaG statuierte Eigenverantwortung sorgt dafür, dass die Plattformen keine gesetzlich unerlaubten oder nicht lizensierten Inhalte verfügbar machen dürfen.

Auch wenn § 4 UrhDaG eine Exkulpation des Dienstanbieters bei bestmöglich zumutbaren Anstrengungen ermöglicht: Bei den heutzutage im Internet hochgeladenen Datenmengen wird der Einsatz von Uploadfiltern für die entsprechenden Plattformen wohl die einzig handhabbare Lösung darstellen – auch mit Hinblick darauf, dass diese schon bis zum 1. August die technische Umsetzung der Reform vollzogen haben müssen.

Flankierend dazu haben Kreative nun auch einen Direktvergütungsanspruch gegen die Plattformen. Dadurch soll sichergestellt werden, dass alle Beteiligten auch gerecht vergütet werden und die Vergütung sie auch direkt erreicht.

Ob Start-up oder etablierter Internetriese, die Fragen im Bereich Compliance werden sich häufen. Ob und welche neuen Regeln für eine Plattform gelten, regeln die §§ 1–3 UrhDaG. Allerdings ist auch bei einer Privilegierung Obacht geboten! Denn Unternehmen, die nach jetzigem Stand privilegiert sind, können diese je nach Privilegierung und Wachstum verlieren und müssen dann die Vorgaben des UrhDaG ebenso erfüllen. Eine präventive rechtliche und technische Absicherung ist deshalb stets geboten.

5. Internes Beschwerdeverfahren

§ 14 UrhDaG sieht vor, dass Plattformen mit hochladbaren Inhalten ein Beschwerdeverfahren anbieten müssen. Dies führt zu Fragen für zwei Seiten: Die Plattformen werden sich fragen müssen, wie ein solches System zu gestalten ist und wie die daraus resultierenden Verfahren aussehen müssen. Daneben wird es aber wohl auch auf kreativer Seite mögliche Probleme geben. Ab wann ist man beispielsweise ein „vertrauenswürdiger Rechtsinhaber“ gem. § 14 Abs. 4 UrhDaG und inwiefern werden die Plattformen dem Beschwerdeverfahren gerecht? Aber auch auf der Gegenseite derjenigen Kreativen, deren Werke blockiert werden, kann es zu Problemen kommen, bei denen es neue Fragen zu klären gibt.

6. Privilegien

Das UrhDaG sieht bestimmte Privilegien vor, unter denen für neue Inhalte lizenziertes Material verwendet werden darf. § 5 UrhDaG sieht dabei alle Tatbestände, die nach dem UrhG erlaubt sind, als zulässig an. Dazu gehören Zitate nach § 51 UrhG, aber auch die neu eingeführten Karikaturen, Parodien und Pastiches des § 51a UrhG. Unter dem Kapitel der „mutmaßlichen erlaubten Nutzungen“ versucht das UrhDaG der Problematik des Überblockens Herr zu werden.

Die Urheberrechtsreform lädt Plattformen in der Tat dazu ein, bei geringstem Zweifel einen Upload zu verhindern und somit effektiv private Zensur zu betreiben. §§ 8, 9 UrhDaG normieren dabei Sachverhalte, welche pauschal zu einer Zulassung durch die Plattform führen und ein frühzeitiges Blocken verhindern. Dafür nehmen § 12 Abs. 2 und 3 UrhDaG den Plattformen die urheberrechtliche Verantwortlichkeit.

Als pauschal erlaubt gelten nutzergenerierte Inhalte, die

  • weniger als die Hälfte eines Werkes eines Dritten oder mehrere Werke Dritter enthalten oder mit anderem Inhalt kombinieren,
  • Werke Dritter nur geringfügig nutzen (15 Sekunden eines Films/Tonspur, 160 Zeichen Text, 125 Kilobyte eines Bildes/Grafik) und
  • als gesetzlich erlaubt gekennzeichnet sind (Die Kennzeichnung als erlaubte Nutzung nimmt der Uploader selbst vor).

§ 24 UrhG wird in diesem Zuge durch die Reform endgültig aufgehoben.

Für alle Privilegien besteht jedoch für den Urheber oder die Urheberin des genutzten Werkes ein Recht auf Vergütung durch den Diensteanbieter (= Plattform). Die Reform soll sicherstellen, dass letztlich die Urheberschaft gestärkt wird, weshalb diese mit umfassenden Vergütungsansprüchen ausgestattet wird.

7. Verlegerrechte

Der Verleger bzw. die Verlegerin wird mit einem gesetzlichen Beteiligungsanspruch gem. § 63a Abs. 2 UrhG ausgestattet und mit der Möglichkeit einer nachträglichen Beteiligung bei fehlender Rechteeinräumung gem. § 27a VGG.

Die Presseverleger und Presseverlegerinnen sollen durch die Reform zudem mit exakteren und klareren Rechten ausgestattet werden. Dabei ändert sich an der Grundkonzeption und Reichweite der Rechte nicht viel. Allerdings wird mit der Ausarbeitung der §§ 87f-87k UrhG die Position des Presseverlegers/der Presseverlegerin gestärkt und an das digitale Zeitalter angepasst. Letztlich dient dies der Rechtssicherheit und sorgt weniger für neue Impulse und Änderungen. So hat z. B. eine Presseverlegerin ähnlich wie bisher immer noch das ausschließliche Recht, ihre Presseveröffentlichungen für die digitale Nutzung zugänglich zu machen und zu vervielfältigen, vgl. § 87g Abs. 1 UrhG. Nicht davon umfasst sind gem. § 87g Abs. 2

  • die Nutzung der in einer Presseveröffentlichung enthaltenen Tatsachen,
  • die private oder nicht kommerzielle Nutzung einer Presseveröffentlichung durch einzelne Nutzende,
  • das Setzen von Hyperlinks auf eine Presseveröffentlichung und
  • die Nutzung einzelner Wörter oder sehr kurzer Auszüge aus einer Presseveröffentlichung.

Auch hier schlägt die Idee der angemessenen Beteiligung und Vergütung der Urheberschaft durch, §§ 87h, 87k UrhG. Dabei soll sichergestellt werden, dass der Urheber oder die Urheberin niemals zu schlecht gestellt wird und seine bzw. ihre Position ebenso durch die Urheberrechtsreform gestärkt wird.

8. Anpassungen bei Künstler-Verträgen

Das Urhebervertragsrecht wird dahingehend angepasst, dass Kreative und Verwerter mit neuen Ansprüchen ausgestattet werden. Durch neue Informationsansprüche soll das Prinzip der angemessenen Vergütung gestärkt werden. Dies ermöglicht gerade Personen in der Film- und Musikbranche neue Verhandlungsoptionen und bessere Überwachungsmechanismen.

9. Text und Data Mining

Das Text und Data Mining wurde durch § 44b UrhG neu gefasst. Zwar wird die Praktik des Minings weiterhin erlaubt, allerdings findet sich auch hier das Konzept des gerechten Ausgleichs und der Kontrolle über eigene Daten. Gerade Start-ups im Bereich AI/Data-Mining sollten aufpassen, welche Quellen sie verwerten und ihre Mechanismen auf mögliche Nutzungsvorbehalte gem. § 44b Abs. 3 UrhG updaten.

60d UrhG, welcher bisher das Text und Data Mining umfasste, wird dahingehend neu gefasst, dass er einen rechtlichen Rahmen für wissenschaftliche Zwecke schafft. Dabei werden Forschung, Bildung und Lehre privilegiert, um so eine rechtssichere europaweite Nutzung zu ermöglichen.

10. Verwertungsgesellschaften

Die Verwertungsgesellschaften übernehmen auch nach der Urheberrechtsreform weiterhin ihre Kernkompetenz. Allerdings erstreckt sich diese jetzt weiter auf die Vergabe von Lizenzen an Upload-Plattformen und ebenso auf die Verwertung der Vergütungsansprüche, welche sich gegen diese richten.

11. Wie beraten Sie die Mandantschaft im Lichte der neuen Urheberrechtsreform?

Das Gesetzgebungsverfahren zur Urheberrechtsreform wurde gerade erst abgeschlossen. Auch wenn die Reform viele Fragen der ihr zugrunde liegenden Richtlinien konkretisiert und beantwortet hat, so schafft sie viele weitere Fragen für die Anwender und Anwenderinnen. Momentan ist im Bereich der Plattformen aus rechtlicher Sicht restriktives Handeln geboten. Dies dürfte den Nutzenden zwar nicht gefallen, allerdings wird das neue Haftungsregime sonst zu unübersichtlich für die Plattformen.

Den Nutzenden und Kreativen wollte die Reform Möglichkeiten an die Hand geben, ihre Inhalte besser verteidigen zu können – allerdings wird vielen auch die Schaffung neuen Inhaltes, der auf altem basiert, wesentlich erschwert. Zwar sind die Vorgaben, was eine erlaubte Nutzung darstellt, tatsächlich genau definiert. Den vielen Einzelfällen, die dem Urheberrecht inhärent sind, wird dies aber nicht gerecht. Dies zeigen vor allem auch die starren Grenzen der Privilegien im UrhDaG, welche je nach Inhalt schwer pauschalisiert werden können und mit neuen Trends und Techniken einem stetigen Wandel unterzogen sind. Der Bedarf an rechtlicher Unterstützung dürfte nun einmal mehr gefragt sein, ob gerichtlich oder kautelarjuristisch.

David Geßner
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Rechtsanwalt David Geßner studierte Rechtswissenschaften an der Universität Potsdam und spezialisierte sich bereits sehr früh auf die Bereiche Urheber- und Medienrecht sowie Marken- und Wettbewerbsrecht. Nach dem 2. Staatsexamen machte er sich mit eigener Kanzlei selbständig und ist seit 2015 Partner der Wirtschaftsrechtskanzlei Behm Becker Geßner in Berlin Mitte. Dort leitet er als Fachanwalt die Dezernate Urheber- und Medienrecht sowie Gewerblicher Rechtsschutz.

 
Foto: Adobe Stock/pe3check

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