Es ging mal wieder um Abmahnungen letzte Woche im Bundestag: Das Parlament verabschiedete mit dem Gesetz zur Stärkung des fairen Wettbewerbs zahlreiche Änderungen im Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) und im Unterlassungsklagengesetz (UKlaG), mit denen der Missbrauch dieses Instrumentes weiter eingedämmt werden soll. Es hätten sich in letzter Zeit Anzeichen dafür gemehrt, dass trotz des 2013 verabschiedeten Gesetzes gegen unseriöse Geschäftspraktiken weiterhin missbräuchliche Abmahnungen primär zur Erzielung von Gebühren und Vertragsstrafen ausgesprochen würden, so die Begründung im ursprünglichen Gesetzentwurf.
Man wolle mit der jetzt verabschiedeten Neuregelung finanzielle Fehlanreize verhindern, hieß es in einer Mitteilung des Bundesjustizministeriums zur abschließenden Parlamentsberatung am 10. September. Der Missbrauch von Abmahnungen schade dem Wettbewerb und vor allem Selbstständigen, und kleinen und mittleren Unternehmen. Durch den nun beschlossenen Gesetzentwurf werde diesem Geschäftsmodell die Grundlage entzogen, wird Justizministerin Lambrecht zitiert.
Kostenersatz und Vertragsstrafe wird eingeschränkt
So ist nicht mehr jeder Mitbewerber zur Abmahnung befugt, sondern nur noch jener „der Waren oder Dienstleistungen in nicht unerheblichem Maße und nicht nur gelegentlich vertreibt oder nachfragt“. Der Nachweis könne durch Verkaufszahlen oder Ähnliches belegt werden, heißt es in der Begründung. Konkrete Umsatzzahlen oder eine Steuerberaterbescheinigung müssten nicht vorgelegt werden. Damit Abmahnungen nicht ausschließlich zur Generierung von Anwaltsgebühren und Vertragsstrafen missbraucht werden, entfällt künftig der Anspruch auf Kostenerstattung bei Abmahnungen durch Mitbewerber in bestimmten Fällen. Bei Verstößen gegen Informations- und Kennzeichnungspflichten im Internet, oder wenn Unternehmen mit weniger als 250 Mitarbeitern gegen Datenschutzregeln verstoßen, bleibt der Abmahnende auf seinen Kosten sitzen. In diesen Fällen wird bei einer erstmaligen Abmahnung durch Mitbewerber auch eine Vertragsstrafe ausgeschlossen. Nach der Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses gilt Letzteres allerdings nur, „wenn der Abgemahnte in der Regel weniger als 100 Mitarbeiter beschäftigt“. In anderen Fällen wird eine mögliche Vertragsstrafe bei „nur unerheblichen Beeinträchtigungen der Interessen von Verbrauchern, Mitbewerbern und sonstigen Marktteilnehmern“ auf 1.000 Euro begrenzt.
Geltendmachung von Gegenansprüchen vereinfacht
Bei missbräuchlichen Abmahnungen, und auch bei Verstößen gegen die inhaltlichen Voraussetzungen einer Abmahnung, kann der Abgemahnte wiederum den Ersatz seiner Abwehrkosten geltend machen. Das neue Gesetz enthält dabei in einem neuen § 8b Abs. 2 UWG Regelbeispiele, wann eine Abmahnung als missbräuchlich gilt.
Keine „Abmahnvereine“
Wirtschaftsverbände sind künftig nur noch abmahnberechtigt, wenn sie in einer beim Bundesamt für Justiz geführten Liste enthalten sind. Voraussetzung dafür ist u. a., dass mindestens 75 Unternehmer Mitglieder sind, der Verein seit mindestens einem Jahr tätig ist und es zu dessen satzungsmäßigen Aufgaben gehört, „gewerbliche, oder selbstständige berufliche Interessen zu verfolgen und zu fördern sowie zu Fragen des lauteren Wettbewerbes zu beraten und zu informieren“. Ob die Voraussetzungen vorliegen, soll das Bundesamt für Justiz prüfen.
Einschränkung des „fliegenden Gerichtsstandes“
Ursprünglich wollte die Bundesregierung den so genannten „fliegenden Gerichtsstand“ weitgehend abschaffen. Um kleinere und mittlere Unternehmen davor zu schützen, dass einstweilige Verfügungen gezielt bei weit entfernten Gerichten beantragt werden, um so den Betroffenen die Rechtsverteidigung zu erschweren, wird nun ausschließlich das Landgericht am Sitz des Unternehmens bzw. am Wohnsitz des Beklagten zuständig sein. Lediglich für Fälle, bei denen sich die geschäftliche Handlung an einen örtlich begrenzten Empfängerkreis richtet oder der Beklagte im Inland keinen allgemeinen Gerichtsstand hat, wäre dann auch das Gericht zuständig, in dem die Zuwiderhandlung begangen wurde. Entsprechend der Empfehlung des Rechtsausschusses wurde diese Regelung etwas entschärft: Die Einschränkung des Gerichtsstandes gilt jetzt nur, wenn um Zuwiderhandlungen im elektronischen Geschäftsverkehr oder in Telemedien gestritten wird. Das seien die in diesem Zusammenhang besonders missbrauchsanfälligen Verstöße, heißt es in der Begründung des Rechtsausschusses. Da allerdings der Großteil der UWG-Verstöße heute ohnehin im Internet stattfindet, dürfte sich hier der Wegfall des fliegenden Gerichtsstandes in der Praxis erheblich auswirken. Bisher konzentrieren sich die entsprechenden Verfahren im Wesentlichen an vier bis fünf Landgerichten. Wenn jetzt grundsätzlich am Unternehmens- beziehungsweise Wohnsitz geklagt werden muss, gehe die umfassende, über Jahre aufgebaute Kompetenz dieser Kammern verloren, beklagt der Berliner Rechtsanwalt Sascha Pres.
Zustimmung vom Einzelhandel, Kritik aus der Anwaltschaft
Der Handelsverband Deutschland (HDE) begrüßte das neue Gesetz als „Meilenstein für den Schutz kleinerer Handelsunternehmen“. Stefan Genth, Hauptgeschäftsführer des Verbandes, erklärte in einer Pressemitteilung: „Damit steht ein Instrumentenkasten bereit, um insbesondere kleinere Unternehmen wirkungsvoll vor den Praktiken der Abmahnindustrie zu schützen.“
Kritik kommt dagegen vom Deutschen Anwaltverein: Kleine und mittlere Unternehmen würden oft viel Geld ausgeben, um allen gesetzlichen Anforderungen gerecht zu werden. Und sie ärgerten sich – zu Recht –, wenn sich Konkurrenten Mühe, Aufwand und Geld sparen und es mit dem Verbraucherschutz nicht ganz so genau nehmen, heißt es auf der Seite des Anwaltsblattes. Es sei völlig unverständlich, warum der Gesetzgeber einerseits den Verbraucherschutz durch strenge gesetzliche Auflagen stärke, zugleich jedoch Verstöße als Bagatellen abtue und Abmahnungen – insbesondere damit beschäftigte Anwältinnen und Anwälte – pauschal unter Missbrauchsverdacht stelle, hatte die Präsidentin des Deutschen Anwaltvereins (DAV), Rechtsanwältin und Notarin Edith Kindermann noch während des Gesetzgebungsverfahrens gesagt.
Das neue Gesetz muss jetzt noch durch den Bundesrat, der dortige Rechtsausschuss befasst sich am 23. September mit der Neuregelung. Im Plenum der Länderkammer könnte es dann voraussichtlich am 9. Oktober zum Beschluss kommen.