Winterzeit, Erkältungszeit. Überall wird geschnieft und gehustet. Die Wartezimmer der Ärzte sind voll. Als selbstständiger Anwalt bzw. Anwältin hofft man jedoch einfach nur, sich nicht anzustecken. Gerade wer als Einzelanwalt oder gar ganz frisch zugelassen und ohne Sekretariat loslegt, arbeitet buchstäblich selbst und ständig. Telefonate und Termine kosten Zeit, Aktenberge und Verantwortung sind hoch, ungeduldige Mandanten und Fristen sitzen stets im Nacken und was nicht bearbeitet wird, bleibt liegen. Doch was ist eigentlich mit laufenden Fristen, wenn die Grippewelle dann doch mal über einem bricht und man plötzlich erkrankt? Inwieweit hat man diesem Fall vorzubeugen?
Plötzlich krank? Vorbereitung ist alles!
Den BGH beschäftigte exemplarisch folgender Fall: Eine Woche vor Ablauf einer Berufungsbegründungsfrist wurde ein Anwalt so krank (Rücken), dass er nur mit Schmerzen und unter Einnahme von Medikamenten wenige Stunden pro Tag arbeiten konnte. Es war ihm dabei in seinem Zustand nach eigener Aussage nicht möglich, „sich sachgemäß in den Sach- und Rechtsstand der Berufungsangelegenheit einzuarbeiten und eine zweckmäßige Berufungsbegründung anzufertigen.“
Bitter für die Mandantin: Auf einen derartigen Fall war der Rechtsanwalt nicht vorbereitet.
Doch auch nach Beginn der Schmerzen und in dem Bewusstsein, dass das Fristende naht und sein Arbeitspensum sinkt, war er nicht bemüht, die laufende Frist zu wahren bzw. eine Fristverlängerung zu beantragen. Und dann war’s geschehen: Verfristung.
Vor diesem Hintergrund mangelnden Engagements hat das Berufungsgericht die sodann beantragte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zurückgewiesen und die Berufung mangels Begründung verworfen (OLG Hamburg, Beschluss v. 04.10.2018, 14 U 114/17). Die Fristversäumnis sei verschuldet gewesen. Da der Anwalt noch täglich für kurze Zeit in die Kanzlei kam, wurde es als zumutbar erachtet, sich zumindest einen Kollegen zu suchen, der rechtzeitig vor Fristablauf entsprechende Vorkehrungen (z. B. Fristverlängerung) hätte treffen können.
Die Mandantin legte Rechtsbeschwerde ein, doch auch der BGH (Beschluss v. 16.4.2019, VI ZB 44/18) kam zu keinem anderen Ergebnis.
Vorgaben des BGH für den Krankheitsfall
Das Gericht strich in diesem Zusammenhang heraus, was von einer Anwältin bzw. einem Anwalt in derartigen Situationen zu erwarten ist, nämlich rechtzeitige Vorbereitung auf den potenziellen Ernstfall und verantwortliches Handeln, wenn dieser eintritt.
Die „Vorbereitungs-Trias“ im Einzelnen:
- Allgemeine Vorkehrungen: Für potenzielle Ausfälle müssen Vorbereitungen getroffen werden. Denkbar ist hier z. B. die Erstellung eines „Notfallplans“ für das Sekretariat sowie die Absprache mit einem vertretungsbereiten Kollegen (§ 53 BRAO), der im Krankheitsfall Fristverlängerungen beantragen kann. Die Vertretungsbereitschaft kann ja ggf. gegenseitig bestehen.
- Konkrete Maßnahmen bei planbarer Abwesenheit: Wenn der Ausfall absehbar ist (Urlaub, Krankenhausaufenthalt), muss man ganz konkret und fallbezogen tätig werden. Alle laufenden Mandate sind zu prüfen und es ist zu gewährleisten, dass zumindest die Fristen gewahrt bleiben. Wenn die Abwesenheit länger als eine Woche besteht, muss ein Vertreter eingesetzt werden (§ 53 BRAO).
- Unvorhergesehene Erkrankung: Bei plötzlich und unerwartet eintretender Krankheit ist – im Rahmen der Möglichkeiten und des Zumutbaren –alles Nötige zu veranlassen, damit keine Frist versäumt wird. Hier greifen direkt die o. g. allgemeinen Vorkehrungen, und bestenfalls braucht es nur einen Anruf beim vertretungsbereiten Kollegen, der zusammen mit dem vorab entsprechend instruierten Sekretariat mögliche Kohlen aus dem Feuer holt. Als Ultima Ratio muss man ggf. Mandanten bitten, sich eine andere Anwältin bzw. einen anderen Anwalt zu suchen. Beachten Sie auch 31a Abs. 6 BRAO, die passive Nutzungspflicht des besonderen elektronischen Anwaltspostfachs (beA): Posteingang checken!
Letztlich kann man sich nicht per se auf eine ad hoc eintretende Krankheit und damit einhergehende Konzentrationsstörungen o. Ä. berufen. Der BGH unterstrich die Wichtigkeit der Vorbereitung zu Zeiten, in denen man noch gesund ist sowie konkrete Bemühungen nach Eintritt der Krankheit. Dass man von einem Tag auf den anderen so massiv erkrankt, dass man nicht einmal mehr ein oder zwei Telefonate führen kann, um das Notwendigste zu regeln, wird nur äußerst selten vorkommen. Wer dann einen Kollegen als Vertreter instruiert hat, der die Fristverlängerung beantragt, kann sich in Ruhe auskurieren.