Zwei Jahre nachdem das Strafverfahren 2017 „effektiviert“ wurde, soll es jetzt „modernisiert“ werden. Zumindest lautet so der Titel des Gesetzes, mit dem sich derzeit der Bundestag befasst und zu dem der Rechtsausschuss am Montag eine Expertenanhörung durchgeführt hat.
Kurz zusammengefasst: Richter und Staatsanwälte begrüßen die geplanten Neuregelungen, Strafverteidiger und der befragte Rechtswissenschaftler kritisieren sie. Steine statt Brot würde die Praxis bekommen, warnte Matthias Jahn von der Universität Frankfurt am Main.
Die Strafprozesse sollen gestrafft werden, denn die durchschnittliche Dauer von Verfahren insbesondere bei schwerer Kriminalität sei erheblich gestiegen.
Diskutiert wurden in der Anhörung vor allem die geplanten Regelungen in Bezug auf die Hauptverhandlung. Hier sind Änderungen im Beweis- und Befangenheitsantragsrecht, sowie bei Besetzungsrügen und der Nebenklagevertretung vorgesehen. Die Strafprozesse sollen gestrafft werden, denn die durchschnittliche Dauer von Verfahren insbesondere bei schwerer Kriminalität sei erheblich gestiegen. Bei den Landgerichten dauerten Prozesse heute durchschnittlich 25 Prozent länger als noch vor zehn Jahren, so der Vorsitzende des Deutschen Richterbundes in der Anhörung.
Änderungen bei Beweis- und Befangenheitsanträge, Besetzungsrügen und der Nebenklage
Im Einzelnen sieht der Entwurf der Bundesregierung unter anderem vor, dass missbräuchlich gestellte Befangenheits- und Beweisanträge unter erleichterten Voraussetzungen abgelehnt werden können. Außerdem soll für Besetzungsrügen ein Vorabentscheidungsverfahren eingeführt werden, mit dem Ziel, „zeitnah Rechtssicherheit über die ordnungsgemäße Besetzung des Gerichts“ zu schaffen. Die Nebenklagevertretung soll durch die Bestellung oder Beiordnung eines gemeinschaftlichen Nebenklagevertreters gebündelt werden können. In die richtige Richtung gingen die geplanten Änderungen der StPO meinte Stefan Maier, Vorsitzender Richter am Oberlandesgericht Stuttgart und bekam dabei Unterstützung von BGH-Richter Andreas Mosbacher, demzufolge die Regelungen geeignet seien, „zu verhindern, dass Sand in das Getriebe gestreut wird“.
Fehlende Evaluation der letzten Reform
Ganz anders sahen das die anwesenden Rechtsanwälte. Stefan Conen, Vorsitzender der Vereinigung Berliner Strafverteidiger kritisiert vor allem die geplanten Änderungen im Beweisantragsrecht. Vorgesehen ist hier, dass Beweisersuchen faktisch nicht als Beweisantrag gilt und damit auch nicht mehr durch begründeten Beschluss beschieden werden muss, „wenn die beantragte Beweiserhebung nichts Sachdienliches zu Gunsten des Antragstellers erbringen kann, der Antragsteller sich der Nutzlosigkeit der Beweiserhebung bewusst ist und er die Verschleppung des Verfahrens bezweckt …“ (§ 244 Abs. 6 StPO-E). Conen kritisiert, dass hier einschneidende Eingriffe in das Beweisantragsrecht vorgenommen werden, ohne dass die vor zwei Jahren erst in Kraft getretene Vereinfachung für die Ablehnung von Beweisanträgen überhaupt evaluiert worden sei. Auch Matthias Jahn, Strafrechtsprofessor an der Johann-Wolfgang-Goethe-Universität in Frankfurt am Main, stellt fest, dass weder wissenschaftliche Erkenntnisse noch die Vorschläge der vom Bundesjustizministerium 2014 selbst eingesetzten Expertenkommission zur Reform des Strafverfahrens in ausreichendem Maße berücksichtigt worden seien. Vielmehr beruhe der Gesetzentwurf zum Teil auf sehr subjektiven Wahrnehmungen einzelner Richterinnen und Richter. Und das führe zu einer Schieflage in der Wahrnehmung, so Jahn. Denn es sei durchaus nicht so, dass allein Strafverteidiger schuld daran seien, dass Strafprozesse länger dauerten. Dafür gebe es vielmehr eine Vielzahl von Gründen, die teilweise auch im materiellen Recht lägen, so der Rechtswissenschaftler.
Aufzeichnung der Hauptverhandlung?
Matthias Jahn sprach sich im Übrigen – wie die ebenfalls in der Anhörung behandelten Anträge der Grünen- und der FDP-Fraktion – für eine Aufzeichnung der Hauptverhandlung aus. Dieser gesamte Komplex wurde im Gesetzentwurf der Bundesregierung komplett ausgespart, deshalb wollen Grüne und FDP hier nachlegen. Die Möglichkeiten der Digitalisierung könnten sowohl die Qualität des Strafprozesses verbessern, als auch zu seiner Beschleunigung beitragen, heißt es beispielsweise im Antrag der FDP-Fraktion. Während die audiovisuelle Dokumentation von Vernehmungen und Hauptverhandlung heute in vergleichbaren Staaten internationaler Standard sei, hinke Deutschland hier hinterher.
Während die audiovisuelle Dokumentation von Vernehmungen und Hauptverhandlung heute in vergleichbaren Staaten internationaler Standard sei, hinke Deutschland hier hinterher.
Grundsätzliche Unterstützung bekommt der Vorstoß von BGH-Richter Andreas Mosbacher. Er spricht sich für eine Tonaufzeichnung und anschließende Transkription der Hauptverhandlung aus. Allerding dürfte er dabei innerhalb der Justiz ziemlich allein sein, von Richtern und Staatsanwälten wird eine Dokumentation der Hauptverhandlung vielfach abgelehnt. Befürchtet werden dabei neben technischen Problemen insbesondere Aufweichungen im strafprozessualen Revisionsrecht.
Gesetzgebung im Schnellverfahren
Das neue Gesetz soll bereits am Freitag vom Parlament verabschiedet werden. Ob angesichts dieser Geschwindigkeit die Ergebnisse der Anhörung noch in den Beschlussvorschlag des Rechtsausschlusses einfließen können, dürfte daher fraglich sein. Canan Bayram, Abgeordnete der Grünen-Fraktion plädierte deshalb dafür, zumindest das Protokoll der Anhörung abzuwarten, bevor sich der Ausschuss endgültig positioniert.