Digitale Personalarbeit

Worauf es hier ankommt und weshalb Kanzleien neben digitalen Prozessen auch ein digitales Arbeitgebergesicht brauchen sowie eine Antwort auf die Frage: Ist Social Media-Recruiting eigentlich das neue große Ding?

Einführung

Corona sei Dank – fällt zumindest das Denken in digitalen Lösungen nicht mehr schwer. Die ersten Kanzleien setzen neue Organisationsprozesse nach dem Lockdown auf und sind wieder vermehrt im Büro vertreten.

Was bei mir ankommt, ist häufig ein: „Im Großen und Ganzen lief es besser als erwartet, dieses Arbeiten von zu Hause aus. Es hat reibungsloser geklappt als vermutet usw.“.

Ich freue mich über diese Entdeckung, die aus einer Notlage heraus geboren wurde, die aber vor der Pandemie in vielen Fällen nicht mal im Ansatz zu einer Möglichkeit in der Zusammenarbeitsform gereicht hat.

Möglicherweise sind Personalthemen im weitesten Sinne bei Rückkehr zur Normalität nicht Ihr brennendstes Thema. Weshalb ich das Feuer dafür dennoch entfachen möchte, lässt sich relativ kurz erklären:

Die Konkurrenz der Kanzleien, wenn es um den „War of Talents“ geht. Z. B. haben Gerichte oder die Legal-Tech-Unternehmen weder mit Kurzarbeit noch mit Kündigungen in der Krise entgegensteuern müssen. Deren Spiel, jetzt die Talente zu gewinnen, ist um ein Vielfaches einfacher geworden.

Aus meiner Sicht sollten die Kanzleien die Digitalisierung von Personalprozessen und ihre digitale Sichtbarkeit als Arbeitgeber deshalb auch genau JETZT in Angriff nehmen, damit sie – wenn sie wieder Stellen besetzen  – handlungsfähig sind und möglicherweise über ein in der Zwischenzeit positiv wahrgenommenes Arbeitgebergesicht einen Fingerschnipp weit von ihrem neuen Mitarbeiter (m/w/d) entfernt sind.

Der erste Teil der Artikelserie „Digitale Personalarbeit in der Anwaltskanzlei“ beschäftigt sich mit dem Recruiting-Prozess im Allgemeinen, der in seiner Grundstruktur ineinandergreifend aufgesetzt sein muss. Ob jeder der einzelnen Schritte digital abgebildet werden sollte, hängt neben der Größe einer Kanzlei auch davon ab, wie sich die Zusammenarbeit generell in der Organisation entwickeln wird. Im Zuge von Globalisierung und Digitalisierung verschwimmen die Grenzen der Räume, in denen sich arbeitende Menschen treffen immer mehr.

Der 1. und 2. Teil der Serie beschäftigen sich mit dem Prozess und den sich daraus entwickelnden Digitalisierungsmöglichkeiten.

Im 3. Teil geht es um die Sichtbarkeit des Arbeitgebers in der digitalen Welt. Ich möchte Ihnen einen Vorgeschmack darauf geben, was Recruiting in Zukunft aus meiner Sicht bedeuten könnte.

1. Digitalisierung von Recruiting-Prozessen

Die Digitalisierung von Recruiting-Prozessen setzt im ersten Schritt, wie in allen Digitalisierungspunkten, eine grundlegende Frage voraus: Wie gut sind die Prozesse?

Prozesse, die analog nicht klappen, werden digital nicht besser.

Welche Schritte umfasst ein Recruiting-Prozess?

  • Klärung der Vakanz
  • Ausschreibung
  • Kanäle
  • Talentmanagement
  • Eignungsdiagnostik
  • Interview(s)
  • Entscheidungsfindung
  • Vertrag
  • Onboarding

Aus der Erfahrung heraus weiß ich, dass die Einhaltung eines „Roten Fadens“, wie ich ihn oben stichpunktartig beschrieben habe, Seltenheitswert hat. Über die Gründe kann ich nur spekulieren, ich weiß von vielen meiner Kunden, dass der ganze HR-Bereich „nebenbei“ erledigt wird.

Vielleicht kommen auch deshalb solche Rückmeldungen zustande:

  • Ein Großteil meiner Kandidaten (m/w/d) in den Interviews berichtet mir, dass sie regelmäßig die Erfahrung machen, auf eine eingereichte Bewerbung keine Rückmeldung zu bekommen.
  • Ein anderes Beispiel betrifft die schlechte Vorbereitung in den Interviewrunden der Kanzleien. Interviewpartner, die erst im Gespräch anfangen, in den Unterlagen zu blättern, sind i. d. R. auf Kandidatenseite nicht die richtigen Arbeitgeber und bekommen auch selten eine weitere Chance. Gleichzeitig können in vielen Fällen nur schwammige Angaben zum Tätigkeitsfeld der ausgeschriebenen Vakanz gemacht werden.
  • Stichwort Onboarding: Die Rückmeldung, die ich hier seitens eines Kanzleikunden in den letzten Monaten bekommen habe, war: „Wir sind doch keine pädagogische Einrichtung.“ Stimmt. Allerdings geht die Generation von Arbeitnehmerinnen Arbeitnehmern, die so mit sich haben umgehen lassen, in den nächsten Jahrzehnten in ihren wohlverdienten Ruhestand. Das heißt: Bezüglich der nachrückenden Generationen ist für eine derartige Haltung kein Platz mehr.

Diese Beispiele sollen Ihren Blick noch einmal auf Ihre gelebte Praxis lenken. Sind die Prozesse, die Sie hier aufgesetzt haben, würdig, digitalisiert zu werden?

2. Digitalisierung der einzelnen Punkte

2.1. Klärung der Vakanz – Organisation durch Software

Gehälter, Rahmenbedingungen, Arbeitsplatzbeschreibungen, Ansprechpartner, Organigramme, Notizen rund um die Vakanz, vorherige Ausschreibungen usw. sollten bestenfalls – je größer die Einheit – mittels einer Software abgebildet werden. Auch deshalb, weil eine Software daneben viele weitere sehr hilfreiche Punkte abbildet, die HR im Alltag einfacher gestalten. Ich bin darüber hinaus ein großer Freund von Kennzahlen und Statistiken im HR-Bereich, schon deshalb, weil sich hier interessante Ansätze für die einzelnen Prozessschritte und/oder Maßnahmen ableiten lassen. Wer hier Ihr richtiger Anbieter für den Zuschnitt Ihrer Kanzlei sein könnte, lässt sich pauschal nicht beantworten. Orientierung schaffen hier HR-Konferenzen oder das Internet. Empfehlen möchte ich Ihnen, erst eine Bestandsaufnahme dessen zu machen, was Sie entlasten könnte, wo Sie sich Unterstützung oder transparente administrative Prozesse wünschen. Das grenzt die Auswahl im nächsten Schritt der Markt-Scannung deutlich ein.

2.2. Ausschreibung Vakanz

Hier möchte ich empfehlen, wirklich absolut genau hinzugucken, für welche Vakanz Sie ausschreiben und welche Bewerberzielgruppe Sie hier ansprechen möchten. Nicht nur in der Unterscheidung juristisch oder nichtjuristisch, sondern auch je nach Altersgruppe und damit je nach Generation!

Die unterschiedlichen Generationen und wofür Sie stehen:

Generation Babyboomer, 1945 – 1964

Arbeit ist der Lebensinhalt, Generation, die von Kriegsgeneration groß gezogen wurde

Generation X, 1965 – 1979

Arbeit als Modell „Lebensinhalt“ durch Gegenbewegungen erschüttert, Generation, die von arbeitenden, abwesenden Elternteilen erzogen wurde

Generation Y, Millenials, 1980 – 2000

Arbeit hinterfragend in Sinnhaftigkeit, Wertschöpfung, Generation wurde von Eltern großgezogen, die angefangen haben, ihren Kindern bewusster zu begegnen

Generation Z, ab 1994

Arbeit und Privat dürfen fließend ineinander übergehen, die Priorität liegt hier auf der Passgenauigkeit des Jobs zu den eigenen Werten und Bedürfnissen, wurden von einer Generation von Eltern großgezogen, die durch die Vernetzung der Technologien und den damit eröffneten Möglichkeiten und Wissensquellen regelrecht überflutet wurden

Es gibt viele sehr spannende Studien zu den unterschiedlichen Generationen und welche Auswirkungen sie auf die Arbeitswelt haben.

Letztlich ist dies die Antwort darauf, weshalb die unterschiedlichen Generationen unterschiedliche Dinge für sich einfordern. Dies ist für die Arbeitsorganisation aber aus meiner Sicht keinesfalls eine nicht zu lösende Aufgabe. Ich sehe darin vielmehr eine Chance. Jede Generation bringt Schätze für die eigene Kanzlei oder Organisation mit.

Für die Ausschreibungen von Vakanzen ist es wichtig, dass Sie die Unterscheidung zwischen den  Generationen in Ihre Formulierungen einfließen lassen. Legen Sie sich diese unbedingt in der Unterscheidung und Zuordnung der Vakanz digital ab. Hier können Sie für die Zukunft genauer ablesen, welche Ihrer Ausschreibungen erfolgreich mit welcher Ansprache waren. Gleichzeitig können Sie auf diese eben jederzeit zugreifen.

3. Kanäle

Den richtigen Kanal zu wählen, hängt von der Frage nach der Bewerberzielgruppe (m/w/d) ab.

Nachfolgend ein kurzer Überblick darüber, was Digitalisierung in diesem Zusammenhang bedeutet und welche Fragen Sie sich diesbezüglich stellen sollten:

Website/Karriererubrik

  • Wie gut ist Ihre Karriererubrik auf der Website aufgebaut?
  • Welche Möglichkeiten der Bewerbung hat ein Kandidat (m/w/d), wenn er sich bei Ihnen bewerben möchte?
  • Worüber werden neue Ausschreibungen auf der Website ausgespielt?
  • Wird hier regelmäßig eine Datenerhebung und -auswertung vorgenommen? Und darauf aufgesetzt auch Anpassungen vorgenommen?
  • Welche Möglichkeiten hat ein Kandidat (m/w/d), sich über neue Vakanzen zu informieren, ohne gleich direkt mit Ihnen in Kontakt zu treten?

Über die Karriererubrik, wer sie denn in die Website integriert hat, lässt sich ein starker leistungsfähiger digitaler Kanal entwickeln. Dieser geht über die reine Mitteilung einer Vakanz in der Kanzlei hinaus. Bestenfalls wird hier eine Ausschreibung in viele weitere Kanäle automatisch gespielt. Wenn die Anzeigen z. B. über Social Media geteilt werden, haben Sie die Möglichkeit, diese zielgruppengenau ausspielen zu lassen.

Jobportale

Eine Möglichkeit, die viele Kanzleien wählen, ist die Nutzung von Jobportalen. Neben den gängigen gibt es zahlreiche Anbieter, die im Kanzleiumfeld und gerade bei etwaigen Kandidaten (m/w/d) ein besonderes Standing genießen. Diese besonderen Jobportale filtern bereits vor, letztlich mit dem Ziel, Arbeitgeber und Arbeitnehmer, die zueinander passen, zusammenzuführen.

Hier lohnt es sich, genauer in die Recherche passender Anbieter zu gehen und diese in die eigene Recruiting-Strategie einzubinden.

Social Media

In jedem Fall – und dies könnte ihr wirksamstes Werkzeug bei der Gewinnung von Mitarbeitern (m/w/d) werden – darf aus meiner Sicht die Sichtbarkeit in den Sozialen Netzwerken nicht mehr vernachlässigt werden. Denn Sie haben hier die Chance, Ihre eigene Community aufzubauen, die Sie zukünftig mit Vakanzen bespielen und so zu Ihren Mitarbeitern (m/w/d) kommen, die zu Ihnen passen. Mehr dazu im zweiten Teil der Artikelserie.

In der nächsten Woche geht es weiter mit dem 2. Teil und ich steige ein mit dem Punkt „Talentmanagement“.

Foto: Adobe.Stock/©peshkova

Lesen Sie in „Digitale Personalarbeit in der Anwaltskanzlei Teil II“ alles über das Thema Talentmanagement und Bewerbungsgespräche per Video-Call – und in Teil III alles rund um Employer Branding, Personalmarketing und Social Media-Recruiting.

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