Die Schlichtungsstelle der Rechtanwaltschaft hat seit dieser Woche mit dem früheren Verfassungsrichter Prof. Dr. Reinhard Gaier offiziell einen neuen Schlichter. Zu diesem Anlass soll auch die Schlichtungsstelle selbst näher betrachtet werden. Zweck der Schlichtungsstelle ist, bei vermögensrechtlichen Streitigkeiten zwischen Mandant und Rechtsanwalt zu vermitteln. Dazu gehören Streitigkeiten über Gebührenrechnungen und Schadenersatzforderungen. Doch wie wird die Schlichtungsstelle von Rechtsanwälten angenommen und welche Bedeutung hat die Schlichtungsstelle für den Verbraucherschutz?
Für Anwälte sei der frühere Verfassungsrichter Prof. Dr. Reinhard Gaier ein „Halbgott in Rot“ hatte die Süddeutsche Zeitung einstmals geschrieben. Darauf bezog sich auch der Vizepräsident des Bundesverfassungsgerichtes Stephan Harbarth als er bei der offiziellen Amtseinführung in der vergangenen Woche den neuen Schlichter bei der Schlichtungsstelle der Rechtsanwaltschaft würdigte. Gaier ist der Dritte in diesem Amt – nach der ehemaligen EGMR- und BVerfG-Richterin Renate Jaeger und der früheren Präsidentin des Berliner Kammergerichtes Monika Nöhre. Er übernehme ein „wohlbestelltes Haus“ stellte Gaier in seiner Rede zur Amtseinführung fest.
Unbekannt ist dem langjährigen Richter die Welt der Rechtsanwälte nicht – hat er doch nicht zuletzt im Karlsruher Ersten Senat das anwaltliche Berufsrecht geprägt wie kaum ein Zweiter. Unter anderem stammen die Entscheidungen zur Lockerung des Erfolgshonorars und zur Verfassungswidrigkeit eines Verbotes der Partnerschaft von Rechtsanwälten mit Ärzten und Apothekern aus seiner Feder. Und jetzt also Schlichter in Berlin.
Die Schlichtungsstelle der Rechtsanwaltschaft in Zahlen
Die Schlichtungsstelle der Rechtsanwaltschaft existiert seit nunmehr fast neun Jahren, die erste Schlichterin Renate Jaeger hatte im Januar 2011 ihre Arbeit aufgenommen. Seither vermittelt der jeweilige Schlichter beziehungsweise in der Vergangenheit die jeweilige Schlichterin mit derzeit sechs juristischen Mitarbeitern bei Auseinandersetzungen zwischen Rechtsanwälten und Mandanten. Gut tausend neue Verfahren gehen jährlich bei der Schlichtungsstelle ein, etwa genauso viele werden pro Jahr abschießend bearbeitet. In knapp der Hälfte der Schlichtungsanfragen ging es im letzten Jahr allein um die Vergütung. Bei 311 Fällen wurden Schadensersatzforderungen, zum Beispiel wegen behaupteter Schlechtleistung, erhoben und in 243 Fällen hatte sich die Schlichtungsstelle um Streitigkeiten über die Gebühren und zugleich um Schadensersatzforderungen zu kümmern. Der überwiegende Anteil der im Jahr 2018 eingegangenen Schlichtungsanträge betraf das allgemeine Zivilrecht, gefolgt von Familienrecht, Erbrecht, Miet- und WEG-Recht, Arbeitsrecht. Von den 318 unterbreiteten Schlichtungsvorschlägen wurden 213 von beiden Parteien angenommen.
Steigende Akzeptanz der Schlichtungsstelle auch bei Rechtsanwälten
Das Verfahren bei der Schlichtungsstelle ist freiwillig – sowohl für die Mandanten als auch für die betroffenen Rechtsanwälte. Bei der Schlichtungsstelle verweist man stolz auf die gestiegene Teilnahmebereitschaft seitens der Rechtsanwälte, die bei knapp 90 Prozent liegt. Dies zeige nicht zuletzt auch die Akzeptanz, die die Schlichtungsstelle mittlerweile genieße, heißt es von dort.
Unabhängig und unparteilich
Als anerkannte Schlichtungsstelle nach dem Verbraucherschlichtungsgesetz muss auch die Schlichtungsstelle der Rechtsanwaltschaft unabhängig und unparteilich sein. Wie wichtig das ist, betonte Reinhard Gaier bei seiner Amtseinführung. „Als Pfund, mit dem sich wuchern lässt“, bezeichnete er die Unabhängigkeit der Schlichtungsstelle. Denn nicht anders als die Unabhängigkeit der Justiz habe auch die Unabhängigkeit der Schlichtungsstelle entscheidende Bedeutung für die Akzeptanz eines Schlichtungsverfahrens und erst recht für die Akzeptanz eines Schlichtungsvorschlages, so Gaier. Gerade die beteiligten Mandanten müssten darauf vertrauen können, dass sie von der Schlichtungsstelle Vorschläge erhalten, die nicht von einseitiger Rücksichtnahme oder gar dem Druck der Interessen beeinflusst sind, sagte der Schlichter.
Kein „Verbraucherschutz zweiter Klasse“
Gaier sparte aber in seiner Rede auch nicht mit grundsätzlicher Kritik: Insgesamt sei die Einrichtung und die Arbeit von Schlichtungsstellen immer noch von Misstrauen und sogar Ablehnung vor allem in der Justiz begleitet, beklagte er und forderte, die abwertenden Parolen – Stichworte „Verbraucherschutz zweiter Klasse“ oder „Paralleljustiz“ – in die Mottenkiste zu verbannen. Die Ursachen für den seit Jahrzehnten andauernden Rückgang der Eingangszahlen bei den Zivilgerichten lägen nicht an den alternativen Angeboten der Streitbeilegung, sondern an einem grundlegend veränderten gesellschaftlichen und ökonomischen Umfeld – die Angebote der Justiz seien oftmals schlicht zu teuer und das Kostenrisiko lohne sich aus Sicht der Verbraucher nicht. Und deshalb müsse sich der Rechtsstaat verändern, appellierte Gaier. Zivilprozesse müssten durch den Einsatz moderner Informationstechnologie effektiver gestaltet werden und sie müssten durch einfache, leicht zugängliche und zügig geführte Verfahren, durch die Verbraucher ihre Rechte auch außergerichtlich mit allenfalls geringen Kosten durchsetzen können, ergänzt werden. So wie es ein effektives Schlichtungsverfahren ist.