Vom 12. bis 13. Juli fanden die ersten KAVCAREERDAYS des Kölner Anwaltvereins (KAV) statt. In eindrucksvoller Kulisse der Burg Schnellenberg in Attendorn boten sich zwei Tage voller nützlicher Tipps und Tricks zum Berufsstart junger JuristInnen. In entspannter Runde vermittelten erfahrene ExpertInnen praxisnahe Informationen zu den Themen Prozesstaktik, Marketing, Steuern und Digitalisierung – und auch zum Netzwerken boten sich vielfältige Möglichkeiten.
Tipps und Tricks für die erfolgreiche mündliche Verhandlung im Zivilprozess
Im Rittersaal der Burg Schnellberg startete das Vortragsprogramm unter dem Titel „Zivilprozesstaktik – Tipps & Tricks aus Anwaltssicht“ mit Rechtsanwalt Markus Trude. In unterhaltsamer und anschaulicher Weise klärte Trude die TeilnehmerInnen über ihre Rechte und Pflichten als Anwalt bzw. Anwältin auf. Was abgedroschen klingt, bewies sich als elementar für eine erfolgreiche Verhandlung: Nur wer seine Stellung vor Gericht genau kenne, könne die Interessen des Mandanten selbstsicher vertreten. Der Rechtsanwalt/die Rechtsanwältin solle sich bewusst machen, dass er/sie mit dem Richter/der Richterin auf einer Stufe steht und er dessen/deren Anweisungen und Feststellungen nicht grundsätzlich folgen müsse, so Trude.
Unter dem Punkt „Was tun, wenn das Gericht in der mündlichen Verhandlung nicht das tut, was man will“, fasste er wichtige rechtliche Möglichkeiten der Anwaltschaft zusammen:
Beispielsweise für die Fälle, in denen das Gericht eine Beweisfrage nicht zulassen will (§ 139 ZPO), eine Äußerung nicht ins Protokoll aufnimmt (§ 160 Abs. 3 ZPO) oder einen Sachverhalt anders protokolliert als man diesen selbst verstanden hat. Hier betonte Trude, dass eine Berichtigung des Protokolls jederzeit möglich sei (§ 164 ZPO). Den Befangenheitsantrag sieht Trude als Ultima Ratio. Dieser müsse aber sofort gestellt werden. Sobald weitere Anträge gestellt wurden, sei ein Befangenheitsantrag nicht mehr möglich (§ 43 ZPO).
Laut Trude sind sich viele Anwälte ihrer Rolle und Möglichkeiten vor Gericht nicht bewusst. Prozesstaktiken werden während des Studiums und des Referendariats kaum besprochen. Dabei entscheiden diese oftmals über Erfolg oder Misserfolg vor Gericht.
Kompetent Auftreten auch abseits des Gerichts: Der gelungene Online-Auftritt
Neben dem erfolgreichen Auftritt vor Gericht ist auch der eigene Online-Auftritt und die damit verbundene Außenwirkung als JuristIn nicht zu vernachlässigen. Rechtsanwältin und Marketing-Expertin Pia Löffler stellte in ihrem Vortrag daher nützliche Marketingkanäle für JuristInnen vor. Dazu zählen:
- Ein kostenfreier Eintrag bei Google My Business,
- Anwaltssuchdienste,
- Suchmaschinenoptimierung (SEO) der Kanzleiwebsite,
- Google Ads und
- Karriereplattformen wie XING und LinkedIn
Basis für den Erfolg bei der Nutzung dieser Marketing-Kanäle sei aber die eigene Kanzlei-Website. Denn was nütze es, wenn man potenzielle Mandanten oder Mitarbeiter auf die eigene Website lotst, diese dann aber gar nicht zu überzeugen wisse, so Löffler. Man solle genau überprüfen, ob die Website für die eigene Zielgruppe geeignet und technisch auf dem aktuellen Stand sei, sodass sie z. B. auch auf Tablets und Smartphones ohne Probleme darstellbar ist (Stichwort Responsive Design).
Über den vielfältigen Input des ersten Tages konnte sich am Abend bei einem gemeinsamen Dinner in gemütlicher Runde ausgetauscht werden. Und auch die burgeigene Kegelbahn lud zu einem lockeren Kennenlernen und Netzwerken ein. Darin zeigte sich eine weitere Stärke der Veranstaltung: Anders als bei eintägigen Präsenzveranstaltungen oder dem Austausch im Internet hatte man wirklich Zeit und Gelegenheit, andere BerufsstarterInnnen kennenzulernen.
Steuern sparen als selbstständiger und angestellter Anwalt
Der zweite Seminartag startete ebenso praxisorientiert: RAin und StBin Roswitha Prowatke gab den anwesenden JunganwältInnen und ReferendarInnen Tipps und Tricks zum Steuern sparen mit auf den Weg. Dabei klärte Sie darüber auf, was steuerlich bei der selbstständigen Tätigkeit zu beachten sei – sowohl bei der Kanzleigründung als auch im Kanzleialltag. Aber auch angestellte Anwälte konnten von den vorgetragenen Steuertipps, zum Beispiel bei Überstunden und durch Absetzen von Werbungskosten, profitieren.
Bei der Kanzleigründung sei beispielsweise darauf zu achten, im Fragebogen zur steuerlichen Erfassung des Finanzamtes keine übermotivierte, sondern vielmehr eine „pessimistische“ Schätzung bzgl. der Höhe des voraussichtlichen Gewinns abzusetzen. So drohe keine womöglich viel zu Hohe und kaum bezahlbare Einkommenssteuervorauszahlung. Thematisiert wurde außerdem die Buchführungspflicht von Rechtsanwälten. Denn nicht buchführungspflichtig sind Steuerpflichtige mit Einkünften aus selbstständiger Tätigkeit, was auf viele Rechtsanwälte und Rechtsanwältinnen zutreffen dürfe (§ 18 EStG). Darüber hinaus komme es, immer wieder zur Frage, welche Leistungen, z. B. bei grenzüberschreitenden Mandaten, umsatzsteuerpflichtig sind und welche Pflichtangaben es bei der Rechnungsstellung gibt (§ 14a UStG).
Bei angestellten Anwälten sei eine Steuererklärung oft nicht erforderlich, dennoch empfahl Prowatke die Abgabe, um erstens hohe Vorsorgeaufwendungen wie Krankenversicherung und das Versorgungswerk der Rechtsanwälte und zweitens Werbungskosten über 1.000 Euro absetzen zu können. Bei Überstunden, die mit dem Gehalt nicht vollumfänglich abgegolten sind, sei es außerdem sinnvoll, diese abzufeiern. Denn die Auszahlung sei nicht steuerfrei, zumal es meist keine Zuschläge für Überstunden als angestellter Rechtsanwalt gebe. Das führe meist zu weniger Nettolohn für die geleisteten Überstunden. Die verkürzte Freizeit sei dabei ebenfalls nicht zu unterschätzen.
Vorteile der Digitalisierung nutzen
Den letzten Vortrag des Karriereseminars „Legal Tech – Synergieeffekte für junge Anwälte“ lieferte Tianyu Yuan, Gründer und Geschäftsführer von LEX superior. Anschaulich widerlegte er die in der Rechtsberatungsbranche verbreitete Behauptung, dass Künstliche Intelligenz (KI) den Anwalt in den nächsten Jahren oder Jahrzehnten ersetzen könne. Schließlich sei KI bisher nicht mal in der Lage, einen Hund von einem Wischmopp oder einem Blaubeer-Muffin zu unterscheiden.
Seine eigene Definition von Legal Tech lautete schlicht und einfach: „Digitalisierung für Juristen“.
Die Nutzung der Digitalisierung in der Rechtsbranche sei nur ein logischer Schritt, denn die wachsenden Datenmengen seien manuell gar nicht mehr alle zu bearbeiten. Der Schritt bis zum eigenen Rechtsprodukt, also spezieller Rechtsdienstleistungen zum Festpreis, sei da schon aufwendiger. Die Nutzung von Software zur Optimierung der eigenen Arbeit sei für die meisten aber ganz ohne großen Aufwand möglich, so Yuan. „Doch wie erkenne ich, welche Aufgabe automatisierbar ist?“, fragte Yuan in die Runde. „Das sind meist die, auf die ich keine Lust habe!“ Also in der Regel Standardaufgaben, die nicht besonders komplex sind und keine große Denkleistung voraussetzen. Yuan empfahl den TeilnehmerInnen, Tools und Software einfach auszuprobieren. Sei es simple Diktiersoftware wie Dragon oder Tools zur Dokumentenautomatisierung wie Lawlift. Auch vor der Entwicklung eigener Rechtsprodukte solle man laut Yuan keine Scheu haben. Generell sei es für die Weiterentwicklung von Legal Tech aber wichtig, dass ITler und Juristen enger als bisher zusammenarbeiteten.
Von erfahrenen Praktikern lernen und das berufliche Netzwerk ausbauen
Beim zweitätigen Karriereseminar für junge Juristen zeigte sich, wie wichtig es ist, gerade zum Berufsstart, von der Expertise erfahrener Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte zu lernen. Viele Bereiche der juristischen Tätigkeit, wie Marketing, Prozesstaktiken oder unternehmerisches Know-how, werden während des Studiums und Referendariats gar nicht oder nur sehr oberflächlich thematisiert. Dies machte die Themen und Auswahl der Vorträge umso spannender. Darüber hinaus ist es dem KAV gelungen, eine lockere, freundschaftliche Atmosphäre zu kreieren, die zum Kontakteknüpfen für die berufliche Zukunft anregte. Man darf sich also auf eine Wiederholung im nächsten Jahr freuen.