Selbstvertrauen Anwalt

Den Schlüssel zum Erfolg im Anwaltsberuf liefert nicht allein die Kompetenz. Wer als Anwältin oder Anwalt in der Kanzleiwelt bestehen will, für die bzw. den ist Selbstvertrauen in die eigenen Fähigkeiten unverzichtbar. Denn das Vertrauen, alles erreichen zu können, was Sie sich vornehmen, ist für Ihr berufliches Vorankommen wichtiger als Ihre Performance – dieser Beitrag zeigt, an welchen Stellschrauben Sie für mehr Selbstvertrauen arbeiten können.

Es genügt nicht, gut zu sein

Selbstvertrauen in die eigenen Leistungen und damit der nicht so leicht zu erschütternde Glaube an sich und in die eigenen Fähigkeiten ist bei zahlreichen Nachwuchsjuristinnen und -juristen, insbesondere bei Frauen, Mangelware. Regelmäßig stellen diese in Frage, ob ihr Erfolg im Beruf nur „Glück“ und damit unverdient ist oder die jeweilige Karrierechance, beispielsweise eine Beförderung oder die Möglichkeit, an einem wichtigen Mandat mitzuarbeiten oder einen Vortrag vor einem großen Publikum zu halten, eher zufällig passiert. Diese Zweifel werden häufig bereits in der Ausbildung genährt, die viele als von starkem Konkurrenzdruck und wenig positivem Feedback geprägt erleben.

Haben Sie als Berufseinsteigerin oder -einsteiger – und damit häufiger als in anderen Berufsgruppen – das Gefühl, auf (Anwalts-)Kollegen (seltener auf Kolleginnen) zu treffen, die so viel lauter und selbstsicherer auftreten als Sie selbst? Selbst dann, wenn Sie selbst im Recht und der Kollege im Unrecht ist.

Häufig liegt dies nicht daran, dass Ihnen per se die Fähigkeit zum Erfolg fehlt. Der Grund ist vielmehr, dass Menschen mit vielen Selbstzweifeln weniger an ihre Leistungsfähigkeit glauben und vieles gar nicht erst versuchen.

Selbstvertrauen ist nur zum Teil Wissenschaft

Selbstvertrauen lässt sich nur teilweise wissenschaftlich ergründen. Der andere Teil ist Praxis und davon abhängig, wie Sie im beruflichen Umfeld agieren. Das Gute daran: Sie können Ihr Selbstvertrauen bewusst stärken. Aber das gelingt Ihnen nur, wenn Sie sich von Perfektion verabschieden und sich auf Fehlschläge gefasst machen.

Denn immer wieder begegnen einem Nachwuchsjuristinnen und -juristen, die dazu neigen, über ihre Misserfolge und Fehler zu grübeln, diese bzw. entsprechende Kommentare im Arbeitsumfeld persönlich nehmen oder es allen recht machen wollen.

Häufig leiden diese unter dem sog. Hochstaplersyndrom und haben demzufolge auch weniger Vertrauen in ihre Fähigkeiten und sind weniger zuversichtlich, wenn sie eine erfolgsorientierte Aufgabe ausführen. Daraus ergibt sich wiederum, dass diese auch später häufiger zaudern, sich oder ihre Ideen aktiv einzubringen oder sich ihnen bietende Chancen tatsächlich wahrzunehmen.

Der Mangel an Selbstvertrauen in Bezug auf Frauen ist zunehmend besser quantifiziert. So zeigt eine Studie,[1] dass Männer ihre Fähigkeiten und Leistungen (in diesem Fall die Lösung mathematischer Aufgaben, bei denen Männer und Frauen gleich gut abschnitten) im Durchschnitt um bis zu 30 Prozent besser einschätzten als sie tatsächlich waren. Frauen hingegen unterschätzen regelmäßig ihre Kompetenzen und werden zudem häufig noch nach einem intransparenten bzw. sich ständig verändernden Maßstab beurteilt.

Selbstvertrauen ist keine Nebensächlichkeit, es ist die Hauptsache

Für Anwältinnen und Anwälte gilt: Einige werden mehr gehört als andere. Es sind regelmäßig die Kolleginnen und Kollegen, die das große Wort führen und deren Ideen den Weg in die „Chefetage“ oder zur Mandantschaft finden. Sicher haben auch Sie schon festgestellt, dass diese Personen nicht unbedingt die kompetentesten in der Kanzlei sind, sondern diejenigen mit dem größten Selbstvertrauen. Denn wenn Menschen Selbstvertrauen haben und glauben, etwas gut zu können oder eine großartige Idee zu haben, unabhängig davon, wie gut sie oder ihre Idee wirklich sind, zeigt sich das in ihrem nonverbalen sowie verbalen Verhalten.

Wenn wir jedoch nicht wirklich glauben, dass wir gut (genug) sind, erkennen das andere auch – nämlich an unserer hohen oder leisen Stimme, einem nach unten gerichteten Blick oder anderen verräterischen Zeichen. Auch wenn es Ihnen nicht bewusst ist: Die meisten Menschen können Selbstzweifel – ebenso wie Selbstvertrauen – schon von weitem „sehen“ bzw. „riechen“.

Aktion trennt das Kleinmütige vom Kühnen

Sie wollen wissen, was Sie tun können, um Ihr Selbstvertrauen nachhaltig zu stärken? Beginnen Sie damit, daran zu glauben, dass Sie als Anwältin bzw. Anwalt gut sind, zeigen Sie dies auch nach außen und beherzigen Sie die folgenden Tipps.

Tipp 1: Im Zweifel handeln!

Nichts stärkt Ihr Selbstvertrauen so effektiv wie die Entscheidung, „aktiv zu werden“. Besonders, wenn die Handlung mit einem Risiko verbunden ist oder scheitern könnte, trägt dies zu Ihrer Weiterentwicklung bei. Dadurch verbessern Sie sich und gewinnen an Selbstvertrauen. Wenn Sie hingegen immer auf Nummer sicher gehen, werden Sie weder persönlich noch beruflich wirklich vorankommen.

Letztendlich ist eine falsche Entscheidung – wie etwa die Rücknahme eines Antrags im einstweiligen Verfahren, statt vom Gericht den entsprechenden Beschluss zu verlangen – besser als keine Entscheidung.

Was kann im schlimmsten Fall passieren? Sie könnten scheitern und dabei eine für Ihr „Überleben“ im Anwaltsberuf wertvolle Lektion lernen. Wenn Sie den einen oder anderen Rückschlag überstanden haben, werden Sie feststellen, dass Sie fast alles meistern werden.

Tipp 2: Kleine Schritte bereiten Sie darauf vor, größere Risiken einzugehen.

Es ist völlig in Ordnung, mit einfachen Schritten zu beginnen. Wenn Ihnen das Selbstvertrauen fehlt, allein auf große Networking-Events zu gehen, starten Sie mit kleineren Treffen, bei denen Sie auch auf bekannte Gesichter treffen. Sprechen Sie auf diesen Veranstaltungen auch Menschen an, die Sie noch nicht kennen. Alternativ können Sie beispielsweise in einem Meeting die Meinung eines Kollegen zu einem bestimmten Projekt hinterfragen und sich nicht beim ersten Gegenargument entmutigen lassen. Oder bewerben Sie sich für einen Stelle, eine Kanzlei oder ein Projekt, die bzw. das Ihnen zunächst unerreichbar erscheint.

Tipp 3: Setzen Sie Ihren Grübeleien ein Ende

Ständiges Grübeln schadet dem Selbstbewusstsein. Denken Sie also nicht zu viel über die in der Regel falschen Dinge nach. Denn stetiges Grübeln löst in den allermeisten Fällen Ihr Problem nicht und wird zudem Ihre Entscheidung- und Handlungsfähigkeit blockieren.

Fokussieren Sie sich vielmehr auf die Dinge, die Ihnen (ggfs. auch in der Vergangenheit) gut gelungen sind. Wenn negative Gedanken auftauchen, gehen Sie bewusst die Liste Ihrer erfolgreich abgeschlossenen Mandate oder andere Erfolge durch.

Machen Sie sich eines bewusst: Ihre Aufmerksamkeit ist eine enorme Macht. Nutzen Sie diese zu Ihrem Vorteil, indem Sie mit der eben erläuterten Übung die Endlosschleife negativer Gedanken unterbrechen. Denn was Sie denken, wirkt sich direkt auf das auf, was Sie fühlen. Und das auch, wenn in Wirklichkeit selbst gar nichts passiert. Dazu ist Ihr Kopf allein in der Lage. Nutzen Sie ihn daher besser zu Ihrem Vorteil!

Tipp 4: Es ist nicht persönlich gemeint

Widerstehen Sie der Versuchung, jede kritische Rückmeldung von Vorgesetzten, einer Kollegin oder einem Mandanten als persönlichen Angriff zu verstehen. Lernen Sie vielmehr, solche Äußerungen so zu interpretieren, dass sie sich auf Ihre Fähigkeiten beziehen und nicht auf Ihre Person. Schließlich sind die meisten Menschen mehr mit sich selbst als mit anderen Personen und folglich mit Ihnen beschäftigt.

Betrachten Sie in solchen Feedback-Situationen die Realität genauer und suchen Sie das „Körnchen Wahrheit“: Lassen Sie alternative Gedanken zu, wenn Ihr Chef zu Ihnen sagt, dass der Schriftsatz, an dem Sie arbeiten, verbessert werden muss. Möglicherweise ist er einfach etwas verärgert, weil Sie einen von ihm vorgeschlagenen Punkt (noch) nicht ausreichend berücksichtigt haben.

Seien Sie sich auch bewusst, dass Sie immer wieder Vorurteilen in Ihrem Arbeitsumfeld begegnen werden. Es ist verständlich, dass Ihr Selbstvertrauen etwas wackelt, wenn Sie bspw. als einzige Frau ausschließlich vor Männern, beispielsweise Ihrem Vorgesetzten und Mandanten eine Präsentation halten. Diese Erkenntnis wird Ihnen helfen, nicht aufzugeben und sich immer weniger davon beeinflussen zu lassen, dass Sie (etwas) nervös sind.

Tipp 5: Senden Sie Selbstbewusstseinssignale an andere und an sich selbst.

Ein aufrechter, stabiler Stand oder eine bewusste aufrechte Sitzhaltung kann Ihnen sofort einen Schub an Selbstvertrauen geben. Probieren Sie es aus: Kopf hoch, eine gerade Sitzhaltung oder fokussierter Stand sowie bewusstes Atmen … das lässt Sie anders wirken.

Während Sie sprechen, nicken Sie gelegentlich. Dies sendet ein unbewusstes Signal an Ihr Gegenüber, welches dazu führt, dass andere Ihnen schneller zustimmen. Achten Sie zudem darauf, dass Sie sich als Berufseinsteigerin bzw. -einsteiger bei Verhandlungen oder Besprechungen mit der Mandantschaft immer an den Tisch und nicht schüchtern in die zweite Reihe setzen. Wenn Sie nicht am Tisch mit denen sitzen, die Macht besitzen, werden Sie weniger ernst genommen.

Selbstvertrauen entsteht nicht über Nacht. Sie werden es nicht bekommen, wenn Sie nicht daran arbeiten und immer wieder entsprechende Herausforderungen meistern. Wiederholung macht Sie schließlich zur Meisterin oder zum Meister. Denken Sie also, wenn Sie einem herausfordernden Mandat oder für einen schwierigen Mandanten arbeiten, ab sofort: „Ich kann das. Ich habe dafür gearbeitet. Ich habe es trainiert.“

[1] U. a.: Ernesto Reuben, „Confidence Game“, https://www.ereuben.net/research/GenderLeaderOverconfidence_Ideas.pdf

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Die Anwältin Dr. Anja Schäfer ist Expertin für Networking & Female Leadership in Kanzleien und Host des „Juristinnen machen Karriere!“ - Podcasts. Als Karrierementorin unterstützt sie exklusiv Juristinnen in puncto Personal Branding, Netzwerkaufbau und Sichtbarkeit als Expert:in sowie zur strategischen Ausrichtung bei beruflicher Neu- oder Umorientierung. Sie veranstaltet verschiedene Networking-Eventformate wie die „Juristinnen netzwerken …“ - After Works, die im Herbst 2024 u. a. in Stuttgart, Berlin und Leipzig stattfinden.

Mehr Informationen & zur Anmeldung: anja-schaefer.eu/after-work 

Bild: Adobe Stock/©Monster Ztudio

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