Anwalt Meeting

Von Dr. Anja Schäfer

Welcher Anwalt, welche Anwältin in den ersten Berufsjahren kennt die folgende Situation nicht: In kanzleiinternen wie -externen Meetings wird – mitunter schon wiederholt – über ein bestimmtes Thema diskutiert oder eine Rechtsfrage aus dem Mandatsalltag erörtert. Sie haben das Gefühl, dass von Ihren Kolleginnen und Kollegen eigentlich alles schon gesagt wurde, und sich die Argumente mittlerweile schon wiederholen. Also halten Sie sich mit Ihrer Meinung zurück, weil Sie in Ihren Augen nichts Neues einbringen können.

Zurückhaltung schadet Ihrem Expert:innenstatus

Leider zahlt sich Ihre Zurückhaltung als Berufsanfängerin oder Berufsanfänger nicht aus. Sie schadet Ihnen vielmehr, wenn es um Ihren Expert:innenstatus geht. Denn weder Ihre Vorgesetzten noch Kolleginnen und Kollegen oder gar die Mandantschaft kommen auf die Idee, dass Sie etwas Maßgebliches zum Thema beitragen können, wenn Sie Ihre Expertise nicht eigenständig einbringen. Dies gilt insbesondere, wenn Sie in der Kanzlei der Experte oder die Expertin zu dem betreffenden Thema bzw. Rechtsgebiet sind, welches gerade – wenn auch Ihrer Auffassung nach bereits mehr als vollumfänglich oder gar mehrfach ausgiebig – diskutiert wird.

Denn wenn Sie Ihre Expertise häufiger zurückhalten oder nicht kundtun, dass Sie etwas zu sagen haben, dann brauchen Sie sich auch nicht wundern, wenn Vorgesetzte, die Mandantschaft und/oder das Team Sie nicht als Expertin bzw. Experte wahrnehmen und damit Beförderungen, interessante Projekte oder wichtige Mandate an Ihnen vorbeigehen. Überlassen Sie daher nicht den sog. „Quasi-Expert:innen“ das Feld, sondern reklamieren Sie die Themen, zu denen Sie etwas zu sagen haben, für sich und bringen Sie Ihre Expertise aktiv zu Gehör.

Haben Sie einmal keine besondere Expertise bei einem bestimmten Thema, sollten Sie sich ebenfalls nicht zurückhalten – denn auch durch gezieltes Nachfragen oder das Äußern Ihrer eigenen Auffassung können Sie wertvolle Diskussionen im Team anstoßen.

Überzeugen Sie mit Ihrer Expertise

Machen Sie sich daher bewusst, dass jede Meeting-Situation und damit auch die wöchentliche Teambesprechung zu den kanzlei-alltäglichen Themen eine Situation ist, in der Sie mit Ihrer Expertise überzeugen können. In diesen Momenten geht es eben nicht darum, dass andere – gefühlt – bereits alles zu einer bestimmten Rechtsfrage gesagt haben, sondern dass es für Sie wichtig und wesentlich ist, Ihr Knowhow einzubringen, Ihre Sichtweise auf die Dinge oder Inhalte zu erklären, und vor allem, sich mit Ihrer Expertise zu zeigen und damit die jeweiligen Themen verbal für sich zu reklamieren.

Sehen Sie es als selbstverständlich an, dass zu einem bestimmten Thema noch nicht alles gesagt sein kann, wenn Sie Ihre Expertise noch nicht eingebracht haben. Ihr Ziel sollte es daher sein, Ihr Knowhow proaktiv einzubringen, wenn Sie zu dem betreffenden Thema die Expertin oder der Experte sind bzw. werden wollen, und darüber hinaus sich auf mögliche Besprechungssituationen oder Gesprächsthemen so vorzubereiten, dass Sie sich in wirklich jedem Meeting eigenständig einbringen können. Haben Sie sich bereits ein paar Mal in Meetings mit Ihrer Expertise und Sichtweise eingebracht, werden Sie sich in der Regel wohler fühlen, dies wieder zu tun.

Bringen Sie Ihre Expertise erneut ein

Unterschätzen Sie zudem nicht den Halbwert des bereits Gesagten, denn häufig ist es so: Aus den Ohren, aus dem Sinn. Es schadet nicht, in einer bestimmten Situation gewisse Punkte nochmal zu wiederholen und auf diese Art und Weise den eigenen Expert:innenstatus zu untermauern. Schließlich tragen Sie regelmäßig nicht den bisherigen Wortlaut „1:1“ erneut vor, sondern ergänzen Ihren Wortbeitrag um Ihre eigenen Erfahrungen, Kenntnisse, Beispiele aus der Praxis usw., fassen das bereits Gesagte mit wenigen Worten zusammen oder fokussieren sich in Ihrem Redebeitrag auf das Wesentliche.

Fürchten Sie sich also nicht davor, dass bereits alles gesagt sein könnte. Sie bringen stets Ihre eigene Expertise und persönliche Note ein. Das reicht, wenn Sie sich bewusst sind, dass es stets darum geht, dass Sie in Meeting-Situationen etwas sagen, sich mit Ihrer Expertise zeigen, somit als Experte oder Expertin wahrgenommen werden, überzeugen und sich auf diese Weise auch durchsetzen.

Nutzen Sie den Moment, bevor das Meeting vorbei ist

Haken Sie ein und bringen Sie Ihre Expertise, wann immer es passt, zu Gehör, und – das ist entscheidend – bevor das Meeting zu Ende ist. Machen Sie sich frei davon, andere nicht unterbrechen zu dürfen. Beobachten Sie Ihre erfahreneren Kolleginnen und Kollegen, wie diese agieren. Sie werden schnell feststellen, dass diese den Moment in der Regel für ihren Wortbeitrag zu nutzen wissen, an dem bspw. ihre Vorredner:innen einen Satz zu Ende gesprochen haben oder bei hitzigen Debatten auch nur kurz Luft holen.

Wenn Sie auf den passenden Moment für Ihren Redebeitrag warten, kann es schnell sein, dass das Meeting zu Ende ist, bevor Sie zu Wort gekommen sind. Seien Sie sich daher bewusst, dass Sie etwas zu sagen haben und sich mit Ihrer Expertise zeigen wollen (und auch müssen). Und dann los!

Keine Panik bei Ideenklau

Besonders Anwältinnen haben öfter das Gefühl, dass Kollegen und auch Kolleginnen ihnen anders zuhören, als wenn ein Anwalt spricht. Somit passiert es ihnen häufiger, dass ihr Gedanke oder ihre Idee von Kolleg:innen aufgegriffen wird und über diese – meist ohne Verweis auf die ursprüngliche Impulsgeberin – zu Vorgesetzen oder der Mandantschaft gelangt.

Bevor Sie sich aufregen und den Kolleg:innen einen Ideenklau unterschieben, gehen Sie das Ganze proaktiv an: Sehen Sie den Redebeitrag der Kolleg:innen als Chance und als Verpflichtung gegenüber sich selbst an, Ihre Expertise gegenüber den betreffenden Personen für sich zu reklamieren, und inhaltlich – das bereits Gesagte – zu ergänzen und damit auch hier Ihren Expertinnenstatus in Bezug auf die Idee oder das Projekt zu untermauern. Agieren Sie in diesem Moment freundlich im Umgang, aber klar und hartnäckig in eigener Angelegenheit – eine Vorgehensweise, die sich üben lässt.

Weitere Beiträge

Dr. Anja Schäfer ist Anwältin, Expertin für Networking & Female Leadership in Kanzleien und unterstützt als Mentorin Juristinnen schwerpunktmäßig in puncto Netzwerkaufbau, Selbstmarketing und Sichtbarkeit als Expertin. Sie veranstaltet regelmäßig Networking-Events von, für und mit Juristinnen und spricht über die genannten Themen alle zwei Wochen in ihrem Podcast.
Mehr Informationen zum Podcast: anja-schaefer.eu/podcast.

Kennen Sie schon unser MkG-Magazin?

Im Magazin finden Sie weitere spannende Beiträge u. a. zur aktiven beA-Nutzungspflicht. 

Hier kostenlos herunterladen

Foto: Adobe Stock/fizkes

Mit dem MkG-Newsletter erhalten Sie alle sechs Ausgaben pro Jahr
pünktlich zur Veröffentlichung per Mail – zu Themen, die Sie weiterbringen:

  • Aktuelle Gesetzesänderungen,
  • Tipps zur optimalen Abrechnung,
  • Karrierechancen, Kanzleiführung u. v. m.