Networking ist nicht nur etwas für Menschen mit bestimmten Persönlichkeitsmerkmalen, sondern für jede Anwältin und jeden Anwalt. Wenngleich beispielsweise eine extrovertierte Anwältin leichter Kontakte knüpft, kann auch ein introvertierter Anwalt ein ausgezeichneter Netzwerker sein. Letzterer agiert anders, aber nicht unbedingt weniger erfolgreich.[1]
Um sich selbst und die eigenen Stärken beim Netzwerken besser zu (er-)kennen und für sich zu nutzen, stellt dieser Beitrag die vier verschiedenen Persönlichkeitstypen des DISG-Persönlichkeitsmodells[2] mit Fokus aufs Networking vor. Lassen Sie sich im Folgenden nicht nur dazu einladen, Ihren eigenen Typ zu identifizieren, sondern in puncto Kontaktauf- und ausbau auch Ihr persönliches Agieren regelmäßig zu hinterfragen und sich dadurch immer wieder weiterzuentwickeln. Auf diese Weise wird Ihnen schnell bewusst werden: Jeder Netzwerktyp kann beim Beziehungsaufbau und -management etwas von den anderen lernen.
D-Typ: Direkt und zielfokussiert
Anwält:innen des Persönlichkeitstyps D nach dem DISG-Modell betreiben Networking sehr strategisch, zielgerichtet und damit effizient. Sie überlegen genau, wen sie kennenlernen, welche Informationen sie erhalten oder wie sie selbst rüberkommen wollen. Sie gehen beim Knüpfen wie Vertiefen von Kontakten überlegt und ergebnisorientiert vor.
Beim Smalltalk kommen sie direkt zum Punkt, indem sie ohne Umschweife auf ihr Anliegen zu sprechen kommen. Sie denken wenig darüber nach, wie ihr Verhalten beim Gegenüber ankommt, sondern packen Gelegenheiten energisch beim Schopf und riskieren durchaus ein „Nein!“.
Der D-Typ kann es sich auch leisten, denn diese Personen sind sehr gut vernetzt und in ihren Netzwerken sehr aktiv. Sie wissen stets, an wen sie sich wenden können, wer über relevante Informationen verfügt, oder mit wem man sich gut stellen sollte. Sie bringen sich immer wieder geschickt ins Gespräch und damit in Position, sehen Networking als langfristige Investition und denken in großen Dimensionen.
Dem D-Typ beim Netzwerken zuzuschauen, lohnt sich für Sie sehr. Denn sie sind keine unangenehmen Zeitgenossen, sondern nur sehr direkt und auf ihr Ziel fokussiert. Folglich kann man von ihnen lernen, wie strategisches Networking funktioniert, man sich immer wieder ins Gespräch bringt, die Zeit effektiv nutzt und effizient sowie ergebnisfokussiert kommuniziert.
I-Typ: Kommunikativ und umgänglich
Anwält:innen des Persönlichkeitstyps I nach dem DISG-Modell werden Sie sehr gut (er-)kennen, denn sie sind auf Netzwerk-Veranstaltungen immer und überall zu sehen bzw. zu hören. Sie sind bestens vernetzt und werden, da sie sehr umgänglich und kommunikativ sind, überall eingeladen.
Sie lieben es, unter Menschen zu sein, zeigen beim Smalltalk ihren Humor und unterhalten ihr Gegenüber wie auch eine größere Personenzahl ganz wunderbar. Es gelingt ihnen, regelmäßig eine lockere Atmosphäre herzustellen und das passende Thema zur Hand zu haben.
Da sie so viele Menschen kennen und sich mit ihnen austauschen wollen, gehen die Gespräche mit ihnen weniger in die Tiefe. Gerade deshalb ist es mit dem I-Typ nie langweilig. Es lohnt sich fürs eigene Networking sehr, in ihrer Nähe zu bleiben, um die Kunst eines kurzweiligen Gesprächs zu lernen oder neue Kontakte zu knüpfen. Er/Sie stellt Sie jedem Gegenüber entsprechend vor und bietet mit seinen innovativen Impulsen auch dann noch zahlreiche Anknüpfungspunkte für den Austausch, wenn er/sie selbst längst den nächsten Kontakt begrüßt hat.
Diese Personen sind in verschiedenen Netzwerken unterwegs und haben das ein oder andere Ehrenamt inne. Gerade weil sie umgänglich und redegewandt sind, finden sie schnell Anschluss. Andere mit den eigenen Themen zu begeistern und sich gleichzeitig auf das Gegenüber zu fokussieren ist etwas, was diese Personen zu großartigen Netzwerker:innen macht – eine Fähigkeit, die sich auch in das eigene Networking-Repertoire zu übernehmen lohnt.
S-Typ: Wertschätzend und kooperativ
Wenn Sie sich bei Networking-Veranstaltungen in der Umgebung einer anderen Person sofort wohlfühlen, treffen Sie auf Anwält:innen des Persönlichkeitstyps S nach dem DISG-Modell. Diesen stets wertschätzenden Personen geht es vor allem darum, Ihnen als ihr Gegenüber eine gute Zeit zu ermöglichen. Sie selbst agieren eher introvertiert und lassen lieber andere Personen glänzen.
Sie sind interessiert, empathisch und stellen viele offene Fragen. Als Gegenüber hat man stets das Gefühl, auf interessierte und wohlwollende Ohren zu stoßen. Den S-Typ erlebt man als hilfsbereite Ratgeber. Sie haben immer den passenden Tipp oder den richtigen Kontakt parat und empfehlen sich so am besten.
Es lohnt sich für Sie sehr, diese Menschen beim Smalltalk zu beobachten. Sie legen Wert auf eine ausgeglichene Atmosphäre und finden schnell zur Vertiefung einladende Themen. Das Gegenüber fühlt sich wahrgenommen und gehört, so dass die Gespräche regelmäßig länger dauern und mit interessanten Details aufwarten. Echtes Interesse an Gesprächspartner:innen und wertschätzendes Zuhören ist etwas, was Sie sich von dieser Person abgucken können.
Bei Veranstaltungen konzentriert sich der S-Typ mehr auf bereits bestehende Beziehungen als sich um neue Kontakte zu bemühen. Die proaktive Kontaktaufnahme mit Fremden liegt ihm/ihr als introvertierter Person nicht. Neue Menschen lernen sie vorrangig über Empfehlungen kennen. Auf diese Weise profitieren sie davon, dass sie für andere Menschen da sind und stets ein offenes Ohr haben.
G-Typ: Analytisch und präzise
Mit Anwält:innen des Persönlichkeitstyps G nach dem DISG-Modell wird jede Unterhaltung schnell zum Fachgespräch. Zahlen, Daten und Fakten haben sie parat und glänzen durch enormes Detailwissen. Zudem hat alles, was sie erzählen, Substanz. Das ist es, was diese Personen als Netzwerker:innen erfolgreich macht.
Bei öffentlichen Veranstaltungen oder lockeren Stehempfängen steht der G-Typ gern im sicheren Abstand und beobachtet das Geschehen. Er meidet oberflächliche Gespräche. Lieber nutzen diese Personen ihre Zeit für substanzielle Inhalte, die sie in Publikationen, auf Fachtagungen oder bei Expert:innenrunden mit anderen teilen oder von diesen erfahren. Aufgrund ihrer Expertise werden sie regelmäßig als Speaker auf Podien eingeladen und als Expert:in empfohlen, wovon auch ihr Netzwerk profitiert.
Sind diese Menschen erst einmal in ihrem Element, vergessen sie schnell Zeit, Raum und mitunter auch das Gegenüber. Ein Gespür dafür zu entwickeln, was andere interessiert, und mit der eigenen Expertise dieses Interesse zu treffen, ist ihre größte Herausforderung, aber auch gleichzeitig ihr größter Erfolgsfaktor.
Der G-Typ geht Networking sehr analytisch sowie systematisch an und nimmt Misserfolge nicht persönlich. Auch das können Sie von diesen Anwält:innen lernen.
Wer sind Sie, und wie agieren Sie im Businessumfeld?
Haben Sie sich in dem einen oder anderen Persönlichkeitstyp wiedererkannt oder darin Ihre Kolleg:innen gesehen? Auch wenn die DISG-Typologie mit Klischees arbeitet und auf Extreme abstellt, lässt sich doch die eine oder andere Präferenz wie auch Mischung schnell herausfinden: Sind Sie zum einen eher introvertiert oder extrovertiert? Als Extrovertierte sind eher ein D- oder I-Typ, als Introvertierte ein S- oder G-Typ. Sind Sie zum anderen eher sach- oder beziehungsorientiert? Am Menschen orientierte Netzwerker:innen sind I- oder S-Typen, an der Sache orientierte hingegen D- und G-Typen.
Auf Veranstaltungen, Branchentreffen oder Fachtagungen wie ebenso im eigenen Kanzleiumfeld werden Sie auf all diese Persönlichkeitstypen treffen. Auch wenn beim Networking Sympathien und Antipathien eine gewisse Rolle spielen, gehen wir mit Menschen leichter in den Austausch und die Vernetzung, die wir mögen. Wir mögen solche, die uns ähnlich sind. Im Arbeitsumfeld können Sie sich als Anwältinnen und Anwälte ihre Mandant:innen nicht immer aussuchen. Genauso wenig können Sie beeinflussen, wer auf einer Fachkonferenz neben Ihnen sitzt oder beim Stehempfang an Ihren Tisch kommt.
Es ist daher für den eigenen Netzwerkerfolg mehr als lohnend, das Bewusstsein für die Stärken, Bedürfnisse sowie Verhaltensbesonderheiten der jeweilig anderen Typen zu schärfen und das eigene Verhalten entsprechend anzupassen – und zwar unabhängig davon, welcher Persönlichkeitstyp man selbst ist.
[1] Siehe hierzu: mkg-online.de/erfolgreich-netzwerken-fuer-introvertierte-anwaeltinnen-und-anwaelte/.
[2] Mehr dazu: disg-modell.de/ueber-disg/einfuehrung/.
Die Anwältin Dr. Anja Schäfer ist Expertin für Networking & Female Leadership in Kanzleien und Host des „Juristinnen machen Karriere!“ - Podcasts. Als Karrierementorin unterstützt sie exklusiv Juristinnen in puncto Personal Branding, Netzwerkaufbau und Sichtbarkeit als Expert:in sowie zur strategischen Ausrichtung bei beruflicher Neu- oder Umorientierung. Sie veranstaltet verschiedene Networking-Eventformate wie die „Juristinnen netzwerken …“ - After Works, die im Herbst 2024 u. a. in Stuttgart, Berlin und Leipzig stattfinden.
Mehr Informationen & zur Anmeldung: anja-schaefer.eu/after-work
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Foto: Adobe Stock/©Mark Sampson