Die Frage, ob die Regeln, die das BGB zum Fernabsatz bestimmt, insbesondere die Pflichten zur Belehrung über das Widerrufsrecht, auf die Dienstleistungen eines Rechtsanwalts anwendbar sind, ist nicht unwichtig. Immerhin hängt der unmittelbare Honoraranspruch des Anwalts hieran. Der BGH hat sich unlängst zur Frage einer entsprechenden Regelung in Bezug auf den Maklervertrag geäußert (Urt. v. 7.7.2016 – I ZR 30/15 und 68/15; die Begründung liegt noch nicht vor) und das Recht der Verbraucher auf ein 14-tägiges Widerrufsrecht dort bejaht. Prüft man online die Websites von Anwälten, finden sich allerdings nur wenige Kollegen, die sich dort die Mühe machen, eine Widerrufsbelehrung auszuweisen.
Dabei hatten mehrere Amtsgerichte (AG Offenbach v. 9.10.2013 – 380 C 45/13; AG Hildesheim v. 9.8.2014 – 84 C 9/14) bereits Verbrauchern erlaubt, gegenüber Anwälten den geschlossenen Beratungsvertrag zu widerrufen – und dies mangels ordnungsgemäßer Widerrufsbelehrung auch nach langer Frist. Im Fall des AG Offenbach etwa handelte es sich um einen relativ typischen Kapitalanlagefall, in dem die erfolglos klagende Kanzlei zur Mandatsanbahnung ein Rundschreiben an sämtliche Anleger einer Beteiligungsgesellschaft geschickt hatte, in dem sie die erfolgreiche Vertretung eines anderen Anlegers behauptete. Nachdem die außergerichtliche Inanspruchnahme allerdings erfolglos blieb und die Sache nicht gerichtsanhängig wurde, forderte die Kanzlei Anwaltskosten von knapp 3.000 €. Der Beklagte erklärte sodann einen Widerruf – erfolgreich. Im Hildesheimer Fall ging es um eine familienrechtliche Beratung, die über ein Online-Formular eingeleitet wurde. Auch hier blieb die Kanzlei nach einem wirksamen Widerruf ohne Honoraranspruch.
Zugegeben: Die gewöhnliche Anwaltstätigkeit und die meisten Anwälte werden von den sich aus dem Fernabsatzrecht ergebenden Anforderungen nicht betroffen sein. Der gewöhnliche Anwaltsvertrag passt auch nicht ins Schema der vom Verbraucherschutzgedanken verfolgten Ziele. Gleichwohl ist der Anwendungsbereich der §§ 312b ff. BGB eröffnet, wenn sich der Anwalt „hausgemacht“ in den Bereich eines organisierten Fernabsatzvertriebssystems (§ 312c BGB) begibt. Beispiel dafür ist nicht die schlichte Website, wohl aber Hinweise darauf, dass der Anwalt seine Dienstleistung im Fernabsatz anbieten möchte, etwa wenn er Schlagworte wie „Online-Beratung“, „schnelle Beratung am Telefon“, „Anwalts-Hotline“ o.ä. verwendet.
Danach spielt es keine Rolle, ob die Online-Beratung über ein Formular auf der Anwaltssite (resp. in einem Anwaltsportal) oder per E-Mail abgewickelt wird. Wer auf diese Weise mit der Verwendung von Fernkommunikationsmitteln bei Vertragsschluss und -erfüllung wirbt, kann dem Fernabsatzrecht kaum entkommen. Gleiches gilt, wenn sich der Anwalt an zunächst anonymen „Frag-einen-Anwalt-Systemen“ im Internet beteiligt, die anschließend in eine direkte (dann kostenpflichtige) Beratung münden sollen. Auch die Nutzung von Online-Werbemitteln wie Keyword Advertising mit Schlagworten wie „Abmahnhilfe bundesweit“ in AdWord-Anzeigen setzt zumindest ein Indiz für ein derartiges System.
Entsprechendes gilt auch beim außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Vertrag (§ 312b BGB), so dass selbst der Vertragsschluss in der JVA einer Widerrufsbelehrung bedürfen kann.
Im eigenen Interesse sollte der Anwalt daher prüfen, ob er letztlich ein für den Fernabsatz organisiertes Vertriebs- oder Dienstleistungssystem betreibt oder auch außerhalb von Geschäftsräumen Beratung für Verbraucher durchführt. In diesem Fall muss er über das dann bestehende Widerrufsrecht belehren und sollte mit seiner Beratung erst nach Ablauf der Frist oder einer zusätzlichen Verzichtserklärung beginnen.
Literatur: Ernst, NJW 2014, 817; ders., jurisPR-ITR 1/2015 Anm. 6; Mayer, AnwBl 2014, 908; Rückebeil, VuR 2015, 396; Spoenle, jurisPR-ITR 25/2013 Anm. 4.