Verjährungshemmung Corona

Von Benjamin Schauß

Gemäß § 204 BGB wird die Verjährung durch eine der in der Norm numerisch aufgeführten Rechtsverfolgungsmaßnahmen gehemmt. In der Praxis ergeben sich hieraus eine ganze Reihe von Anforderungen und Möglichkeiten. Lesen in diesem Artikel, worauf Sie achten sollten.

Die Erhebung der Klage dürfte neben der Zustellung eines Mahnbescheides die wohl praxisrelevanteste Form der Rechtsverfolgung kurz vor Eintritt der Verjährung sein. Aber auch die Streitverkündung, das selbstständige Beweisverfahren, der einstweilige Rechtsschutz und der Antrag auf Prozesskostenhilfe stellen neben noch weiteren Maßnahmen taugliche Rechtsverfolgungen zur Verjährungshemmung dar. Wenn eine zeitnahe Verjährung des Anspruchs droht, empfiehlt es sich daher, den Katalog des § 204 BGB nach möglichen Rechtsverfolgungsmaßnahmen durchzusehen.

Zustellung „demnächst“: Was heißt das genau?

Wird die praxisrelevante Rechtsverfolgung der Klage gewählt und diese kurz vor Ablauf der Verjährungsfrist eingereicht, wird eine Zustellung innerhalb der Verjährungsfrist regelmäßig nicht erfolgen, da neben dem Zeiterfordernis bei Gericht dieses die Klage ohnehin nicht vor Zahlung des Gerichtskostenvorschusses zustellen wird. Da eine Verjährungshemmung gemäß § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB jedoch nur eintritt, wenn die Klage innerhalb der Verjährungsfrist zugestellt wird, bedarf es des § 167 ZPO, wonach die Hemmung bereits mit Einreichung der Klage eintritt, wenn die Klage demnächst zugestellt wird.

Bei einer zu verantwortenden Verzögerung von bis zu 14 Tagen ist die Zustellung regelmäßig noch als demnächst erfolgt anzusehen (BGH vom 3.9.2015 – III ZR 66/14 = NJW 2015, 3101). Zu berücksichtigen ist die Verzögerung ab Klageerhebung, wobei nur der Zeitraum zu messen ist, um den sich die ohnehin erforderliche Zustellungsdauer als Folge der Nachlässigkeit des Klägers verlängert hat (Grothe, in: MünchKomm BGB, 8. Aufl. 2018, § 204, Rn. 27 ff.).

Wie muss das weitere Vorgehen überwacht werden? Welche Fristen gelten hier?

Da die Klage gemäß § 166 Abs. 2 ZPO von Amts wegen zugestellt wird, hat die Anwältin bzw. der Anwalt zunächst alles Erforderliche getan, wenn er die Klage nicht etwa bei einem erkennbar unzuständigen Gericht oder unter Angabe einer falschen oder unzureichenden Anschrift des Beklagten eingereicht hat.

Die Aufforderung des Gerichts zur Zahlung des Gerichtskostenvorschusses darf dann abgewartet werden (BGH vom 29.6.1993 – X ZR 6/93 = NJW 1993, 2811). Bleibt diese Aufforderung aus, hat der Anwalt spätestens nach sechs Wochen (BGH vom 5.11.2014 – III ZR 559/13 = NJW-RR 2015, 125), vereinzelt wird sogar vertreten nach nur drei Wochen (OLG Bremen vom 16.1.2014 – 3 U 44/13 = NJW 2014, 944), bei Gericht „nachzuhaken“. Geht die Aufforderung ein, müssen die Gerichtskosten grundsätzlich innerhalb von drei Tagen (so der 2. Zivilsenat: BGH vom 25.10.2016 – II ZR 230/15 = NJW 2017, 1467) bzw. einer Woche (so der 5. Zivilsenat, BGH vom 29.9.2017 – V ZR 103/16 = NJW-RR 2018, 461) zuzüglich 14 Tagen maximal „erlaubter“ Verzögerung bei der Gerichtskasse eingehen. Sicherheitshalber sollte die Frist so notiert werden, dass ein Zahlungseingang noch innerhalb der 14 Tage sichergestellt werden kann.

Besonderheiten bei verbundenem Prozesskostenhilfeantrag

Zwar scheidet eine Rückwirkung gemäß § 167 ZPO für die Klage aus, wenn diese bedingt, also nur für den Fall der Prozesskostenhilfebewilligung erhoben wird (BGH vom 13.10.1964 – VI ZR 142/63 = VersR 1965, 155), jedoch hemmt gemäß § 204 Abs. 1 Nr. 14 BGB die Bekanntgabe des erstmaligen Antrags auf Prozesskostenhilfe ebenso die Verjährung. Auch sieht § 204 Abs. 1 Nr. 14 2. Hs. BGB vor, dass die Hemmung auf die Einreichung des Antrages zurückwirkt, wenn die Bekanntgabe an den Beklagten demnächst erfolgt. Hier ist zu beachten, dass der Antragsteller das Gericht auf die drohende Verjährung hinzuweisen hat, da er sonst Gefahr läuft, dass eine verzögerte Bekanntgabe nicht mehr als demnächst anzusehen ist (BVerfG vom 19.7.2010 – 1 BvR 1873/09 = NJW 2010, 3083). Anträge, die dem Beklagten nicht bekannt gegeben werden, z.B. wegen fehlender Erfolgsaussichten, begründen keine Hemmung. Es kann sich daher im Einzelfall anbieten, zu beantragen, den Antrag ohne Rücksicht auf die Erfolgsaussichten bekannt zu geben, um eine Hemmung in jedem Fall zu erreichen – das Gericht hat entsprechend zu verfahren (BGH vom 24.1.2008 – IX ZR 195/06 = NJW 2008, 1939).

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Benjamin Schauß ist Rechtsanwalt bei der überregionalen Wirtschaftskanzlei Aderhold Rechtsanwaltsgesellschaft mbH. Im Bereich des Bank- und Finanzrechts berät und vertritt er in erster Linie Banken, Finanz- und Zahlungsverkehrsdienstleister.

Foto: Adobe/kwarner

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