Von Sabine Jungbauer
Ein Thema, das bei der Abrechnung gegenüber dem Mandanten oder auch Rechtsschutzversicherern immer wieder zu Problemen führt, ist der vor Gericht geschlossene Vergleich, in den weitere Ansprüche, die in diesem Verfahren nicht rechtshängig sind, einbezogen werden.
Hier treten in der Praxis häufig folgende Problemstellungen auf:
- Den Parteien ist meist nicht klar, welche Kosten durch einen solchen Mehrvergleich (man vergleicht mehr als eingeklagt ist) ausgelöst werden.
- Die zusätzlich entstehenden Gerichtskosten aus dem Mehrwert werden nicht in die Überlegungen einbezogen.
- Die vom Gericht festgesetzten Streitwerte orientieren sich häufig am Ergebnis des Vergleichs und nicht an dem Wert der Ansprüche, die mit dem Vergleich erledigt worden sind.
- Fehler bei der vereinbarten Kostenregelung führen zu verminderten Kostenerstattungsansprüchen des Mandanten.
Im Nachstehenden möchte ich daher die oben angesprochenen Themen kurz beleuchten:
Entstehende Vergütung
Angenommen, in einem Klageverfahren (Streitwert: 23.400 €) werden nicht rechtshängige Ansprüche in Höhe von 11.400 € einbezogen. Über sämtliche Ansprüche wird im Gerichtstermin verhandelt. Im Anschluss an die Verhandlung kommt es zur Protokollierung des Vergleichs. Der Beklagte verpflichtet sich, zur Abgeltung beider Ansprüche einen Betrag in Höhe von 28.000 € zu bezahlen. Auf Seiten jeder Partei ist nur ein Auftraggeber vorhanden.
Zusätzliche Gerichtskosten
Die Gerichtskosten belaufen sich für den Mehrwert auf 0,25, vgl. dazu auch Nr. 1900 KV GKG (im streitigen Zivilverfahren, jedoch nicht in Arbeitsgerichtsverfahren; für Familiensachen vgl. Nr. 1500 KV FamGKG). § 36 Abs. 3 GKG regelt inhaltlich Ähnliches für die Gerichtskosten wie § 15 Abs. 3 RVG für die Anwaltsgebühren:
„Sind für Teile des Gegenstands verschiedene Gebührensätze anzuwenden, sind die Gebühren für die Teile gesondert zu berechnen; die aus dem Gesamtbetrag der Wertteile nach dem höchsten Gebührensatz berechnete Gebühr darf jedoch nicht überschritten werden.“
Fazit: Die Gesamtgerichtskosten belaufen sich auf 437,75 € für diesen Vergleich. Bei der Berechnung des Prozesskostenrisikos ist der Mandant hierauf hinzuweisen.
Falsche Wertfestsetzung u. ggf. falsche Kostenregelung
In der Praxis kann beobachtet werden, dass Gerichte – oft unwidersprochen –in solchen Fällen falsche Werte festsetzen. Man geht dabei häufig beim Mehrwert für den Vergleich nur von der Differenz zwischen eingeklagtem und verpflichtetem Betrag aus. In unserem Fall müsste das Gericht den Wert korrekt festsetzen wie folgt:
Wert für das Verfahren: 23.400 €; Mehrwert für den Vergleich: 11.400 € (oder auch: Wert für das Verfahren: 23.400 €; Wert für den Vergleich: 34.800 €).
Geht das Gericht jetzt aber vom vereinbarten Betrag aus, ergäbe sich folgende falsche Wertfestsetzung: Wert für das Verfahren: 23.400 €; Mehrwert für den Vergleich: 4.600 € (oder eben Vergleichswert: 28.000 €). Der Gebührenverlust ist hoch!
Es ergäbe sich mit den falschen Werten somit eine Gebührendifferenz in Höhe von 418,88 € im Vergleich zur korrekten Wertfestsetzung!
Darüber hinaus würde in diesem Fall möglicherweise auch eine vereinbarte Kostenquote nicht mehr korrekt sein, da hier ebenfalls von den falschen Werten bzw. vom falschen Mehrwert ausgegangen wird. Dabei sind Fehler bei der vereinbarten Kostenquote auch dann nicht mehr zu reparieren, wenn die Kostenquote im Vergleich rechtskräftig geworden ist, die Gegenseite aber die Frist zur Einlegung einer Streitwertbeschwerde gem. §§ 68 Abs. 3, 63 Abs. 3 GKG kennt und auf diese Weise eine andere Wertfestsetzung erreicht. Zu beachten ist, dass gem. § 32 Abs. 1 RVG Anwälte an den vom Gericht festgesetzten Wert gebunden sind und nicht einfach aus dem korrekten, höheren Wert abrechnen dürfen. Anwälte haben nach § 32 Abs. 2 RVG aber ein eigenes Beschwerderecht.
Tipp: Besteht im Termin Unsicherheit über eine gerechte Kostenquote, könnte der Vergleich auch hinsichtlich der Kostenregelung widerruflich geschlossen werden. Es bietet sich dann aber an, sich ggf. nachträglich noch auf eine gerechte Kostenquote zu einigen, um nicht mit hohen Gerichtskosten belastet zu bleiben (analog § 91a ZPO, siehe Nr. 1211 KV GKG).
Sabine Jungbauer ist geprüfte Rechtsfachwirtin. Ihre Schwerpunkte sind: Zivilprozessrecht, Gebührenrecht, Zwangsvollstreckung sowie materielles Recht. Sie betreut die Gebühren-Hotline der RAK München. Neben zahlreichen Veröffentlichungen im Bereich des Gebührenrechts wie z. B. Die Reform der PKH doziert sie in etlichen Seminaren. Sie ist ferner seit rund 20 Jahren aktiv im Prüfungs- und Ausbildungswesen tätig.