Befangenheitsantrag

Von Detlef Burhoff

Nicht selten stellt sich im Strafverfahren für den Verteidiger die Frage, ob er den Richter bzw. die Richterin oder das Gericht nicht wegen „Besorgnis der Befangenheit“ ablehnen muss/sollte. Die damit zusammenhängenden Fragen sind in der StPO in den §§ 24 ff. StPO geregelt, die über die §§ 46, 71 OWiG auch im Bußgeldverfahren gelten. Da Ablehnungsanträge in der Praxis häufig keinen Erfolg haben, erfahren Sie im ersten Teil der zweiteiligen Artikelreihe, welche Punkte im (Ablehnungs)Verfahren zu beachten sind.

I. Der Ablehnungsantrag: Pro & Contra

Da die Ablehnung eines Richters oder einer Richterin ein „scharfes Schwert“ ist, das die StPO als Verteidigungsmöglichkeit für den Angeklagten bereithält, muss sich der Verteidiger auf jeden Fall mit seiner Mandantschaft beraten. Der Verteidiger muss dem Mandanten dabei deutlich machen, dass der Ablehnungsantrag sowohl von Vorteil als auch von Nachteil sein kann. Ein erfolgreiches Ablehnungsgesuch kann einerseits zwar den Ausgang des Verfahrens entscheidend beeinflussen, der erfolglose Ablehnungsantrag kann aber andererseits die Stimmung in der Hauptverhandlung zum Nachteil des Mandanten verändern. Richter und Richterinnen empfinden den Antrag nämlich häufig (immer noch) als persönlichen Angriff auf ihre Integrität. Auch ist der ein oder andere Richter nach einem solchen Antrag vermittelnden Gesprächen nicht mehr zugänglich.

Die Entscheidung über den Antrag muss – nach sorgfältiger Beratung – auf jeden Fall letztlich der Mandant treffen. Nur er ist Inhaber des Ablehnungsrechts.

II. Ablehnungsverfahren

In der Praxis haben Ablehnungsanträge häufig keinen Erfolg. Das liegt u. a. daran, dass das einzuhaltende (Ablehnungs-)Verfahren nicht beachtet wird. Insoweit ist auf folgende Punkte hinzuweisen:

Ablehnungsberechtigte

Zur Ablehnung berechtigt ist nach § 24 Abs. 3 Satz 2 StPO u. a. der Angeklagte, nicht sein Verteidiger. Darauf muss der Verteidiger bei der Formulierung des Antrags achten. Dies hat auch Bedeutung für die Frage, ob ein ausreichender Ablehnungsgrund gegeben ist. Lehnt allerdings der Verteidiger eine Richterin ab, ist im Zweifel aber anzunehmen, dass er dies für den Angeklagten tut, auch wenn er sich ausschließlich auf Vorgänge beruft, die das Verhältnis zwischen Verteidiger und Richterin betreffen.

Ablehnungsantrag

Erforderlich ist ein Ablehnungsantrag. Für diesen ist eine bestimmte Form nicht vorgeschrieben. Der Antrag kann außerhalb der Hauptverhandlung schriftlich oder zu Protokoll der Geschäftsstelle, in der Hauptverhandlung schriftlich oder mündlich angebracht werden. Das Ablehnungsverfahren ist nicht Teil der Hauptverhandlung, so dass der Öffentlichkeitsgrundsatz nicht gilt.

Im Ablehnungsantrag muss der abgelehnte Richter eindeutig unter Angabe der Ablehnungsründe bezeichnet werden. Eine Bezugnahme auf die Akten ist nicht zulässig. Es sind auch die Tatsachen darzulegen, aus denen sich im Fall des § 25 Abs. 2 Satz 1 StPO die Rechtzeitigkeit des Antrags ergeben soll.

Eine Ablehnung eines Kollegialgerichts als Ganzes ist unzulässig. § 24 StPO erlaubt nur die Ablehnung einzelner Richter. Es ist aber statthaft, in einem oder mehreren Gesuchen für jedes einzelne Mitglied des Gerichts einen Ablehnungsgrund darzutun. Auch kann sich ggf. aus der gewählten Formulierung die Ablehnung eines jeden einzelnen Richters bzw. einer jeden Richterin des Kollegialgerichts ergeben.

Nach § 26 Abs. 1 StPO ist das Ablehnungsgesuch bei dem Gericht anzubringen, dem der abgelehnte Richter angehört. Die Ablehnung eines ersuchten Richters ist bei diesem anzubringen, der Richter einer auswärtigen Strafkammer ist bei dieser abzulehnen.

Nach § 26 Abs. 2 StPO sind der Ablehnungsgrund und in den Fällen des § 25 Abs. 2 Satz 1 StPO die Voraussetzungen des rechtzeitigen Vorbringens glaubhaft zu machen. Das bedeutet: Dem Gericht muss nicht die volle Überzeugung von der Richtigkeit der behaupteten Tatsache verschafft werden, es genügt eine in hinreichendem Maße vermittelte Wahrscheinlichkeit der Richtigkeit.

Mittel der Glaubhaftmachung sind nach § 26 Abs. 2 und 3 StPO grundsätzlich nur schriftliche Erklärungen, insbesondere eidesstattliche Versicherungen von Zeugen oder des Verteidigers. Der Ablehnende selbst kann die Richtigkeit seiner Angaben nicht beschwören und auch nicht an Eides statt versichern. Eine gleichwohl abgegebene Erklärung wird als einfache Erklärung des Antragstellers gewertet. Unbeschränkt zulässig sind schriftliche, u. U. auch fremdsprachige Erklärungen von Zeugen, die die Richtigkeit ihrer Erklärungen eidesstattlich versichern können. Die bloße Benennung von Zeugen reicht zur Glaubhaftmachung nur aus, wenn der Ablehnende eine schriftliche Äußerung der Auskunftsperson nicht erlangen kann, sei es, dass ihm der Zeuge die schriftliche Bestätigung verweigert, sei es, dass er ihn nicht unverzüglich erreichen kann.

Dienstliche Äußerung des abgelehnten Richters/der abgelehnten Richterin

Nach § 26 Abs. 3 StPO muss sich der abgelehnte Richter, wenn das Ablehnungsgesuch nicht offensichtlich unbegründet ist, dienstlich äußern. Die abgegebene dienstliche Äußerung des abgelehnten Richters ist zur Gewährung des rechtlichen Gehörs u. a. dem Antragsteller mitzuteilen, anderenfalls ist das Ablehnungsverfahren fehlerhaft. Das rechtliche Gehör wird schon dadurch gewährt, dass der Verteidiger Gelegenheit bekommt, sich zu äußern. Auf die Kenntnis des Angeklagten kommt es insoweit nicht an. Wird die Mitteilung der dienstlichen Äußerung unterlassen, kann der Berechtigte nach Bekanntgabe des sein Ablehnungsgesuch zurückweisenden Beschlusses und damit auch des wesentlichen Inhalts der dienstlichen Äußerung sein Ablehnungsgesuch erneuern.

II. Zeitpunkt der Ablehnung (§ 25 StPO)

Hinsichtlich des richtigen Zeitpunkts für einen Ablehnungsantrag ist zu unterscheiden zwischen einer Ablehnung außerhalb und innerhalb der Hauptverhandlung. Insoweit gilt:

1. Ablehnung außerhalb der Hauptverhandlung

Die Ablehnung eines Richters außerhalb der Hauptverhandlung ist grundsätzlich ohne zeitliche Beschränkung zulässig. Allerdings darf die Entscheidung, von der der abgelehnte Richter ausgeschlossen werden soll, noch nicht erlassen sein. Das gilt auch, wenn die Ablehnung mit einer Anhörungsrüge oder einer Gegenvorstellung verbunden wird. Nach Erlass der Entscheidung ist nachträglich eine Ablehnung nicht mehr möglich. Allerdings kann derjenige, der einen Antrag nach § 33a StPO gestellt hat, für diese Entscheidung noch die Ablehnung erklären. Auch im Zusammenhang mit einer Anhörungsrüge nach § 356a StPO ist eine Ablehnung i. d. R. ausgeschlossen.

2. Ablehnung in der Hauptverhandlung

§ 25 StPO teilt die Hauptverhandlung insoweit im Wesentlichen in zwei Abschnitte ein:

Nach § 25 Abs. 1 Satz 2 StPO muss, wenn die Besetzung des Gerichts nach § 222a Abs. 1 Satz 2 StPO schon vor Beginn der Hauptverhandlung mitgeteilt worden ist, das Ablehnungsgesuch unverzüglich angebracht werden (vgl. wegen der Einzelheiten Burhoff, in: Burhoff (Hrsg.), Handbuch für das strafrechtliche Ermittlungsverfahren, 9. Aufl., 2022, Rn. 107 mit weiteren Nachweisen). Die sog. Besetzungsmitteilung nach § 222a StPO erfolgt aber nur in erstinstanzlichen Verfahren vor dem LG und dem OLG.

In allen anderen Verfahren gilt grundsätzlich die Frist des § 25 Abs. 1 Satz 1 StPO, d. h. die Ablehnung ist bis zum Beginn der Vernehmung des (ersten) Angeklagten über seine persönlichen Verhältnisse gem. § 243 Abs. 2 Satz 2 StPO unbeschränkt zulässig.

Nach den in § 25 Abs. 1 Satz 1 und 2 StPO genannten Zeitpunkten können gem. § 25 Abs. 2 StPO nur noch Ablehnungsgründe geltend gemacht werden, die auf nach dem Beginn der Vernehmung des Angeklagten neu eingetretenen oder bekannt gewordenen Umständen beruhen. Sie sind nach § 25 Abs. 2 Nr. 2 StPO „unverzüglich“ geltend zu machen.

Die Rechtsprechung legt einen strengen Maßstab an (wegen der Einzelheiten. vgl. Burhoff, in: Burhoff (Hrsg.), Handbuch für die strafrechtliche Hauptverhandlung, 10. Aufl., 2022, Rn. 168 m.w.N.). Daher sollte der Verteidiger mit einer Ablehnung nicht zu lange warten und in der Hauptverhandlung, wenn sich seiner Meinung nach ein Ablehnungsgrund ergeben hat, sofort Unterbrechung der Hauptverhandlung verlangen, um mit seinem Mandanten einen „unaufschiebbaren“ Antrag erörtern und vorbereiten zu können. Wird er dann vom Gericht auf einen späteren Zeitpunkt verwiesen, z. B. weil das Gericht eine begonnene Beweiserhebung nicht unterbrechen will, kann dann später dem Verteidiger nicht mehr Verspätung entgegengehalten werden.

Für die Kenntnis kommt es auf die Kenntnis des Angeklagten an, ein Verschulden des Verteidigers wird dem Angeklagten aber nicht zugerechnet. Es gelten die Umstände des Einzelfalls. Von Bedeutung wird insbesondere sein, wie schnell dem Verteidiger nach Erhalt der Besetzungsmitteilung Umstände „bekannt sind/werden“. Muss er erst Erkundigungen einziehen, wird er diese erledigen dürfen. Der Angeklagte muss auch ausreichend Zeit für die Beratung und Entscheidung, ob er einen Ablehnungsantrag stellen will, eingeräumt werden. Liegen alle Informationen vor, muss der Antrag dann aber „unverzüglich“ gestellt werden; der Verteidiger muss allerdings genügend Zeit haben, den Antrag abzufassen. Zu warten ist aber gefährlich.

Weitere Beiträge

Rechtsanwalt und RiOLG a.D. Detlef Burhoff ist Herausgeber, Autor oder Mitautor einer Vielzahl von Fachbüchern aus den Bereichen Strafrecht, Verkehrsrecht, Ordnungswidrigkeitenrecht sowie der Rechtsanwaltsvergütung. Daneben ist er Herausgeber von Fachzeitschriften zu den vorgenannten Themen (StRR und VRR) und unterhält die Internetseiten www.burhoff.de sowie blog.burhoff.de.

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Foto: Adobe Stock/©Kzenon

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