Warum die Karriereaussichten für Nachwuchsjuristinnen und -juristen selten besser waren – und Arbeitgeber jetzt im „War for Talents“ um die besten Köpfe des Landes buhlen.

Fachkräftemangel in der Anwaltschaft

Der Fachkräftemangel hat den juristischen Arbeitsmarkt erreicht: Allein in Bayern fehlen mehr als 150 Staatsanwält/innen und Richter/innen. Kaum anders zeichnet sich die Lage in Sachsen und in Hessen ab. Das Forschungsinstitut Prognos rechnet damit, dass bis 2030 rund 40 Prozent aller Juristinnen und Juristen aus dem Dienst ausscheiden werden. Damit wird die Justiz innerhalb kürzester Zeit mehr als 10.000 Richter/innen und Staatsanwält/innen verlieren –ein Bedarf, den es zeitnah zu decken gilt. Problematisch nur, dass zur selben Zeit immer weniger Nachwuchsjurist/innen mit zweitem Staatsexamen auf den Markt kommen. Was für Arbeitgeber eine riesige Herausforderung darstellt, könnte jungen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern eine der größten Möglichkeiten auf dem Arbeitsmarkt seit Jahrzehnten eröffnen.

Weniger Volljuristinnen und -juristen auf dem Arbeitsmarkt

Die aktuellen vom Bundesamt für Justiz veröffentlichten Zahlen zu juristischen Absolventinnen und Absolventen sprechen eine eindeutige Sprache: Die Zahl der Nachwuchsjuristinnen und -juristen mit zweitem Staatsexamen sinkt seit 2002 deutlich. Während vor zwanzig Jahren noch über 10.500 Studierende das zweite Staatsexamen erfolgreich absolvierten, waren es 2017 noch in etwa 7.500. Aktuellen Schätzungen zufolge kamen im Jahr 2019 noch 6.500 neue Volljuristinnen und -juristen auf den Arbeitsmarkt. Dies entspricht einem Rückgang um fast 40 Prozent innerhalb der letzten zwanzig Jahre.

Wertewandel der jungen Generation

Zusätzlich dazu gehen die Welten und Anforderungen von juristischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern immer weiter auseinander. Während die Millennials unter den Juristinnen und Juristen Work-Life-Balance, Impact und Sabbaticals wollen, zählen für Kanzleien nach wie vor: Billable Hours, billable Hours, billable Hours.

Die Erwartungen der Arbeitnehmer an den Arbeitsmarkt und die Angebote juristischer Arbeitgeber haben wir von TalentRocket – Deutschlands führender Karriereplattform für Juristinnen und Juristen – kürzlich in einer Studie genauer unter die Lupe genommen. Für die Studie wurde das Nutzerverhalten der monatlich rund 100.000 Webseiten-Besucher analysiert. Kombiniert mit begleitenden Umfragen unter rund 200 jungen Juristinnen und Juristen wurde ganz klar deutlich: Die Wünsche und Anforderungen der Nachwuchsjuristinnen und -juristen haben sich massiv verändert und juristischen Arbeitgebern fällt es immer schwerer, adäquat auf diese Ansprüche zu reagieren.

Was Nachwuchsjuristen wollen

Die Arbeitnehmerperspektive ist klar: Die selbstbewusste Generation der nach 1980 Geborenen will weg von einem dienstleistungsorientierten Arbeitseinsatz hin zu mehr Selbstbestimmung und flachen Hierarchien. Laut Umfrageergebnissen wären für 52 Prozent der befragten Juristinnen und Juristen zu lange Arbeitszeiten ein Grund, den Job zu wechseln. Auch entscheidend sind: Zu wenig Mandantenbezug (33 Prozent), Unzufriedenheit mit dem Vorgesetzten (66 Prozent) und zu geringe Verantwortung (45 Prozent).

Was Arbeitgeber bieten

Die Sicht der Arbeitgeber könnte dazu konträrer nicht sein: So meint ein Großteil der Arbeitgeber, dass Employer Branding und das Stärken der eigenen Arbeitgebermarke tendenziell eher unwichtig sind – und das, obwohl es einem Großteil schwerfällt, juristischen Nachwuchs zu finden. Anpassungen hinsichtlich der Flexibilität am Arbeitsplatz und Wege hin zu flachen Hierarchien werden inzwischen zwar von manchen Kanzleien vorangetrieben – jedoch bei Weitem nicht von den Meisten! Von Arbeitgeberseite ist die Suche nach Nachwuchs den Ergebnissen unserer Studie zufolge oft gezeichnet von Unverständnis, Frustration und einer gewissen Sturheit, den Erwartungen der jungen Generation weiter entgegen zu kommen.

Jobsuche für Nachwuchsjuristinnen und -juristen – leichter denn je?

Vor dem Hintergrund der aktuellen Marktsituation könnte man nun davon ausgehen, dass die Jobsuche für juristische Talente heute leichter denn je ist. Arbeitgeber kämpfen händeringend um Nachwuchs und der komplette Markt unterliegt derzeit einem massiven Wandel. Gleichzeitig wird die Anwaltschaft im Kontext eines zunehmend internationalen Wettbewerbs jedoch immer komplexer. Dies stellt Nachwuchsjuristinnen und -juristen vor allem vor folgende Schwierigkeit: Den Job zu finden, der wirklich zu ihnen passt.

Allein mit Fachwissen und juristischen Kernqualifikationen, wie Verhandlungsmanagement und serviceorientierter Mandantenakquise, wird man als Juristin bzw. Jurist im digitalen Zeitalter außerdem nicht mehr weit kommen. Mit dem technischen Fortschritt und der Automatisierung von Prozessen durch Legal Tech & Co. kommen auch für Arbeitnehmer immer mehr Anforderungen hinzu, für die sich nicht nur Arbeitgeber, sondern auch die Nachwuchsjuristinnen und -juristen des Landes jetzt bereit machen müssen.

Handlungsempfehlungen für Nachwuchsjuristinnen und -juristen:

  • Machen Sie sich den aktuellen Bewerbermarkt zu Nutze und informieren Sie sich rechtzeitig über potenzielle Arbeitgeber. Auch wenn die aktuelle Marktsituation günstig ist, bleibt es eine große Herausforderung, den Job zu finden, der wirklich passt.
  • Neben Fachwissen werden Soft Skills immer wichtiger. Ob Rhetorik, IT oder Management-Fähigkeiten.
  • Seien Sie selbstbewusst und äußern Sie frühzeitig Ihre Wünsche und Bedürfnisse. Bleiben Sie jedoch realistisch: Karriere ist ein Marathon, kein Sprint. Mit einem authentischen Auftreten und einer selbstreflektierten Einstellung werden Sie nach wie vor geschätzt.

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Foto:Adobe.Stock/contrastwerkstatt

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