Der Berufseinstieg ist geschafft, die ersten Höhen und Tiefen hat man durchlebt. Eine gute Gelegenheit, um innezuhalten und sich zu fragen, bin ich hier richtig?

Im Zeitalter der Digitalisierung gewinnt diese Frage zunehmend an Bedeutung. Die Rechtsdienstleistungsbranche, die sich bislang gegen den technologischen Fortschritt gewehrt hat, wird vermutlich in den nächsten 20 Jahren mehr Umwälzungen erfahren als in den letzten 200 Jahren. Damit sind dann wohl auch die Zeiten vorbei, in denen man sein Leben lang in derselben Kanzlei arbeitet. Daher sollte man sich bewusst machen, was einem wichtig ist, wie sich das Arbeitsumfeld entwickelt und welchen Weg man wählen sollte, um auf diese Veränderungen ideal zu reagieren. Um diese Fragen für sich zu beantworten, bietet dieser Artikel eine Orientierungshilfe.

Moment mal… was will ich eigentlich?

Um herauszufinden, was man möchte, hilft es, sich z. B. die folgenden Fragen zu stellen:

  • Wo möchte ich in fünf Jahren hin? Bevorzuge ich eine große oder eine kleine Kanzlei? Reizt mich die Arbeit in einem Legal Tech-Unternehmen oder bevorzuge ich klassische Rechtsberatung?
  • Welche Rechtsgebiete passen zu mir und meinem Karriereziel? Bin ich bereit, in hochvolatilen Gebieten wie IT-Recht zu arbeiten oder ziehe ich beständige Rechtsgebiete vor?
  • Welches Skillset bzw. welche Fähigkeiten möchte ich mir aneignen? Dazu gehören IT-Kenntnisse, Management- und Softskills.
  • Was will ich lernen; welche Fortbildungen brauche ich dafür?
  • Wie wichtig ist mir effizientes Arbeiten und Work-Life-Balance?

Wie geht es weiter?

Kennt man seine Wünsche, sollte man sich als Nächstes bewusst machen, wie sich das Arbeitsumfeld voraussichtlich entwickeln wird.

Neben dem technologischen Fortschritt führen wirtschaftliche Bestrebungen zu einer Veränderung der Rechtsdienstleistungsbranche. Der Trend der Standardisierung, Spezialisierung und Automatisierung führt verstärkt dazu, dass Rechtsdienstleistungen transparenter, hochwertiger und universeller werden. Noch überwiegt maßgeschneiderte Rechtsberatung. Künftig wird es jedoch vermehrt Rechtsberatungsprodukte „von der Stange“ geben.

Dank Legal Tech entstehen Unternehmen, die durch einen hohen Automatisierungsgrad eine Masse von gleich gelagerten Fällen kostengünstig bearbeiten. Der verstärkte Einsatz von künstlicher Intelligenz und anderer logikbasierter Algorithmen wird vermutlich eine stetig größer werdende Zahl von Rechtsfragen softwaregestützt beantworten können. Das hat starke Auswirkungen auf die Generation der Berufsanfänger. Das stumpfe Auswendiglernen höchstrichterlicher Rechtsprechung wird zunehmend in den Hintergrund treten, Management- und Softskills, Problemlösungsstrategien und IT-Kenntnisse werden hingegen an Bedeutung gewinnen. Das Berufsbild wandelt sich vom Rechtsanwender zum „Legal Engineer“ und „Rechtsstrategieberater“.

Bin ich hier richtig? Wie erkennt man eine Kanzlei mit Zukunft?

Bietet mir meine jetzige Kanzlei heute und in der Zukunft ein Arbeitsumfeld, das mich meinen Karrierezielen näherbringt? Wie ist die Einstellung der Kanzlei zum technologischen Wandel? Wird auf diesen reagiert oder wird dieser ignoriert?

Zielgerichteter Wandel beansprucht Zeit und Ressourcen. Diese sind bekanntermaßen begrenzt. Leider haben sich in vielen Kanzleien Tools zur Leistungssteigerung noch nicht durchgesetzt. Diese ermöglichen effizientes Arbeiten und sorgen dafür, dass mehr Zeit für Fortbildungen oder die Beratung von Mandanten zur Verfügung steht. Mit e-Akten, kollaborativen Arbeitsplattformen, Vertragsanalysetools etc. werden physische wie gedankliche Ressourcen freigesetzt. Cloud-Lösungen und remote-Zugriffe ermöglichen entgrenztes Arbeiten und verhelfen zu einer besseren Work-Life-Balance.

Die Rechtspraxis ist nicht dafür bekannt, besonders technologieaffin zu sein. Das erklärt vielleicht, warum nur wenige Kanzleien anfangen, Legal Tech-Tools zu nutzen. Das Augenmerk eines Berufsträgers im 21. Jahrhundert sollte jedoch auf der Anpassungsfähigkeit der Kanzlei bzgl. technologischer Innovationen liegen. Hierbei muss man ein Gefühl dafür entwickeln, ob die Kanzlei nur dem nächsten Hype hinterherrennt, oder ob tatsächlich ein Mindset für eine sinnvolle, ausgewogene Anwendung von Legal Tech-Produkten besteht. Wenn sich die jetzige Kanzlei nicht auf den von der Digitalisierung geprägten Beratungsbedarf der Mandanten einlässt, keine Strategie verfolgt, wie sie künftig am Markt bestehen will, nicht bereit ist, ihre Prozesse zu überdenken und ihre Mitarbeiter nicht für die Anforderungen der Zukunft fit macht, dann sollten das ernstzunehmende Warnungen sein. Einer Kanzlei, die sich dem Wandel verschließt, werden schleichend nicht nur die Mandanten, sondern auch die Mitarbeiter abspringen.

Es passt nicht… Das sollte eine moderne Kanzlei haben

Hat man sich zu einem Kanzleiwechsel entschlossen, gilt es, eine passende Kanzlei zu finden.

Als Außenstehender ist es naturgemäß schwer, Einblicke in das Mindset und die Strategie einer Kanzlei zu bekommen. Erste Anzeichen dafür, ob eine Kanzlei das Potential hat, künftig am Markt zu bestehen oder sie einer Marktbereinigung zum Opfer fallen wird, finden sich jedoch recht einfach auf der Kanzleihomepage. Hierbei ist es nicht nur wichtig, was zu sehen ist, sondern auch, was nicht zu sehen ist. Ist der Auftritt professionell und zielgruppenorientiert gestaltet? Ist die Seite für mobile Endgeräte optimiert? Gibt es Mitarbeiter-Login-Funktionen und Zugriffsmöglichkeiten auf Web-Akten? Auch die Kanzleigröße gibt Hinweise. Kleine Kanzleien haben in aller Regel nicht die Ressourcen, maßgeschneiderte IT-Tools zu implementieren. Die Verzahnung der Rechtsfragen führt in der Tendenz zu einer Marktkonzentration auf größere Kanzleien.

Bei kleinen Kanzleien werden sich insbesondere diejenigen am Markt halten, die hochspezialisiert und regional gut vernetzt sind. Aber auch diese werden sich auf Dauer technologischen Innovationen nicht verwehren können. Eine Möglichkeit, Größennachteile abzufedern ist es, wenn kleine Kanzleien Kooperationen mit anderen Kanzleien eingehen. Insofern sind entsprechende Anzeichen ebenfalls aussagekräftig.

Besonders aufschlussreich sind Bewertungen von ehemaligen Mitarbeitern. Eine entsprechende Nachfrage lohnt sich. Bei Kanzleien, die in die engere Auswahl kommen, heißt es nachzuhaken, ob das Angebot der Kanzlei, tatsächlich dem entspricht, wie es auf der Homepage angepriesen wird. Essentielle Aspekte wie Fortbildungsmöglichkeiten und -bedingungen sollten im Bewerbungsgespräch auf alle Fälle gezielt abgefragt werden.

Und nun?

Die Digitalisierung juristischer Arbeit lässt sich nicht aufhalten. Dies sollten sich sowohl Berufsträger wie auch Kanzleien bewusst machen und entsprechend agieren. Die Zukunft hat bereits begonnen. Finden Sie Ihren Weg!

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