Hand aufs Herz: Sie kennen sicherlich jemanden, der schon ewig in der Kanzlei ist, unermüdlich arbeitet – und trotzdem nie den Sprung in die Partnerschaft geschafft hat. Und Sie wissen auch, warum: Fleiß beeindruckt, aber da hat noch was gefehlt. Aus irgendeinem Grund blieb die Beförderung aus und an diesem Zustand wird sich auch künftig nichts mehr ändern.
1. „Partner wird man nicht, weil man brav war.“
Sie haben sich folglich schonmal gefragt, wann der Moment kam, an dem diese Person „falsch abgebogen“ ist, denn in den meisten Fällen erscheint der aktuelle Zustand nicht das ursprüngliche Ziel gewesen zu sein, sondern vielmehr das Ergebnis einer Kette von Entscheidungen.
Partnerschaft ist keine Auszeichnung für Loyalität, sondern eine Investition! In welchen Menschentyp investieren Partner und Partnerinnen am liebsten? In Menschen, die denken wie sie: unternehmerisch, strategisch und mit dem gewissen Radar-Faktor.
Kurz gesagt: Wer sichtbar werden will, muss aufhören, nur Fälle zu lösen – und anfangen, sich selbst als Business Case zu sehen!
2. Die Wahrheit ist unbequem
Fachlich gut sind die meisten. Was Sie unterscheidet, ist, ob Sie nur am Fall arbeiten – oder an der grundsätzlichen Ausrichtung der Kanzlei.
Viele Associates schuften den ganzen Tag, teilweise auch nachts oder am Wochenende, in der stillen Hoffnung, jemand werde das schon bemerken. Aber die Realität in Kanzleien ist weniger romantisch: Niemand wacht auf und denkt: „Heute mache ich Frau Müller oder Herrn Mayer zum Partner.“
Was zählt, sind Mindset, Mandanten, Netzwerke, Ideen – kurz: messbarer Mehrwert.
Ein Partner sagte es einmal so:
„Ich brauche keine Juristen, die meine Arbeit machen. Ich brauche Juristen, die mein Geschäft vergrößern.“
Oder andersherum ausgedrückt: „Als Associate schulden Sie Leistung, als Partner schulden Sie Erfolg!“. Das bedeutet nicht, dass Sie Akquise-Broschüren schreiben müssen. Es bedeutet: Sie müssen anfangen, in Märkten zu denken, nicht in Paragrafen oder billable hours.
Was das konkret bedeutet, erfahren Sie hier. Es wird Sie vielleicht überraschen, zu erfahren, dass juristische Kompetenz hierbei kaum eine Rolle spielt, denn diese ist Ihre Eintrittskarte in die Kanzlei. Ab dann gilt es nur noch, seinen Platz zu finden und unverwechselbar (im positiven Sinne) zu werden.
3. Ihr Weg zur Sichtbarkeit
3.1 Vom Aktenfresser zum Architekten
Viele Anwältinnen und Anwälte sitzen im sogenannten Red Ocean: da, wo sich kluge Köpfe gegenseitig mit Fußnoten bewerfen. Jeder arbeitet, keiner fällt auf, der Anwalt schrumpft zur MAK (Mitarbeiterkapazität), jene gesichtslose Recheneinheit, die als Lösung auf eine quantifizierbare Größe Mandatsanfragen geworfen wird.
Im Blue Ocean dagegen schwimmen jene, die nicht nur das Recht kennen, sondern den Markt verstehen. Sie erkennen Trends, sie schwimmen gegen den Strom und verstecken sich nur im Schwarm.
Wenn Sie also noch das Gefühl haben, Sie seien „eine gute Arbeitskraft“, sollten Sie sich dringend umbenennen in „geschäftsrelevanter Faktor“. Klingt weniger bescheiden, aber deutlich partnerwürdiger. Aber belassen Sie es bloß nicht nur bei der inneren Einstellung, denn diese muss auch erkennbar sein!
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3.2 Sichtbar werden – ohne laut zu sein
Sichtbarkeit hat nichts mit Lautstärke zu tun, sondern mit einer grundsätzlichen Einstellung.
Führen Sie intern kleine Projekte. Zum Beispiel ein internes Team zur Vertriebsentwicklung, die Weiterentwicklung eines neuen Abrechnungsprozesses, die Steigerung der Arbeitgeberattraktivität. Dies sind alles Themen, bei denen Sie zeigen können, dass Sie sowohl in der Lage sind zu liefern als auch gewillt, die „Extrameile“ zu gehen.
Kommunizieren Sie Ergebnisse. Wer nur arbeitet, ohne darüber zu sprechen, darf sich nicht wundern, wenn niemand applaudiert.
Positionieren Sie sich thematisch. Wenn Sie (noch) in der Partnerbesprechung fehlen, sollte wenigstens Ihr Thema dort vertreten sein und Sie im besten Falle zur Vorstellung „Ihres Themas“ hinzugezogen werden.
Und falls Sie denken, das sei Selbstmarketing: Nein. Es ist professionelle Bestandssicherung – für Ihre Karriere.
3.3 Der eigene Business Case
Jetzt kommt der Moment, in dem Sie sich entscheiden: „Will ich nur arbeiten oder mitgestalten?“
Ihr Business Case ist Ihr unternehmerischer Fingerabdruck. Er beantwortet drei Fragen, die die Partnerebene wirklich interessiert:
- Welche Marktchance sehen Sie?
Vielleicht, dass die Mandantschaft zunehmend Strukturberatung statt reiner Rechtsberatung will. Entwickeln Sie Szenarien! Jedes neue Projekt wird nur verfolgt, wenn es die Aussicht bietet, ein lukratives Feld zu werden. Dies trainiert nebenbei auch Ihr eigenes rationales Verständnis und Sie verrennen sich nicht in Orchideenthemen.
- Wie tragen Sie dazu bei?
Was ist Ihr Part beim ganzen Unterfangen? Zum Beispiel, indem Sie neue Mandate akquirieren oder Ihr Netzwerk gezielt nutzen.
- Wie zahlt sich das aus?
Zahlen schlagen Sympathie. Zeigen Sie, wie Ihre Idee Umsatz, Sichtbarkeit oder Mandantenbindung bringt.
Faustregel: Wenn Ihr Business Case auch im Partnermeeting ohne Sie verstanden und überzeugen würde, haben Sie schon einiges richtig gemacht.
3.4 Ihr USP – oder: Warum genau Sie?
„Ich bin zuverlässig, gründlich und engagiert.“ Schön. Aber das steht schon in jeder Bewerbung aus 2007.
Was Partner und Partnerinnen wirklich hören wollen, ist: Worin sind Sie einzigartig nützlich? Was können Sie, was keiner macht? Haben Sie Lust, dorthin zu gehen, wo keine vertrauten Pfade laufen, sondern wo erst einmal der Weg freiräumt werden muss?
Beispiele:
- Sie sind die Einzige, die Start-ups versteht, ohne nervös zu werden, da Sie mal in einem gearbeitet haben und noch Kontakte in diese spezielle Welt haben.
- Sie haben ein Händchen für Vertrieb und haben keine Probleme damit, vor anderen Menschen zu reden. Leute sagen über Sie, dass Sie jeden „anhauen“ können.
- Sie kombinieren juristisches Wissen mit betriebswirtschaftlicher Klarheit, weil Sie keinen LL. M. haben, sondern einen MBA.
Ihr USP ist kein Etikett. Er ist Ihr Ticket zur internen Sichtbarkeit!
3.5 Der Beweis – Ihr Proof of Partnership
Partnerinnen und Partner glauben selten an Visionen. Aber sie glauben an Zahlen, Ergebnisse und Reputation.
Deshalb brauchen Sie Beweise. Und zwar solche, die nicht erklärungsbedürftig sind:
- Ein Mandant, der (nicht zufällig) wegen Ihnen kam.
- Ein Vortrag, der neue Kontakte brachte.
- Ein Mandant, der explizit und wiederholt Ihren Namen nennt, wenn es um gute Zusammenarbeit geht.
- Ein Projekt, das Sie geführt haben, ohne dass jemand es merkte – außer am Ende, als es funktionierte.
- Ein Thema für das Sie stehen und das sich verkauft.
Das ist kein Marketing. Das ist Dokumentation Ihrer Wirkung. Und die kann man nicht weglächeln.
3.6 Partnermentalität beginnt im Denken
Partnerschaft ist kein Titel, sondern das Ende eines Auswahlprozesses. Es ist Ihre Denkweise. Partner sind keine besseren Juristinnen und Juristen – sie sind aber bessere und schnellere Entscheider. Keine Berufszweifler, sondern Umsetzer.
Sie denken in Rendite, Risiken, Reputation. Sie überlegen, wie sich 100 Stunden Arbeit in zehn Jahre Wachstum verwandeln lassen.
Wenn Sie also Partnerin oder Partner werden wollen, hören Sie auf, um Erlaubnis zu bitten. Fangen Sie an, in Beteiligung zu denken:
„Wenn ich Teil dieses Kreises wäre – wie würde ich entscheiden?“
Und genau so sollten Sie auch auftreten. Nicht fordernd, sondern mit Auftreten: „Ich bin bereit, Verantwortung zu tragen – mit allem, was dazugehört.“
4. Ihr 3-Punkte-Plan für die Partnerfähigkeit:
Wenn die Zeit reif ist und die Sie die Basis geschaffen haben, können Sie beispielsweise so vorgehen: Sie erstellen Ihr individuelles Partner-Dossier – Ihr internes Bewerbungsgespräch ohne Einladung.
4.1 Schreiben Sie Ihren Business Case.
Formulieren Sie schwarz auf weiß, warum es ohne Sie teurer, langsamer oder komplizierter würde. Zwei Seiten genügen, wenn Sie knackig sind.
Beschreiben Sie, welche Marktchance Sie für die Kanzlei sehen, welche Mandanten oder Themenfelder Sie erschließen wollen – und welchen wirtschaftlichen Hebel das für das Haus bedeutet.
Kein Marketingtext, sondern eine Mini-Geschäftsstrategie. Hier zeigen Sie genau, was SIE in dieser Idee umsetzen, damit es kein Luftschloss bleibt.
4.2 Belegen Sie Ihren Beitrag.
Listen Sie drei Beweise, die zeigen, dass Sie die Kanzlei bereits messbar vorangebracht haben.
Zum Beispiel:
- Ein Mandant, der über Ihr Netzwerk kam.
- Ein Projekt, das Sie strukturiert und abgeschlossen haben.
- Ein Thema, das dank Ihnen erstmals sichtbar wurde.
Das sind Ihre „Gesellenstücke“ und diese belastbaren Fakten zählen mehr als jedes Partnergespräch.
4.3 Definieren Sie Ihren USP – Ihren Alleinstellungsnutzen.
Stellen Sie sich vor, Sie müssten sich der Partnerebene mit nur einem Satz verkaufen. Was würden sie sagen? Wenn die Antwort lautet: „Ich bin sehr engagiert“, dann arbeiten Sie lieber nochmal daran.
Ihr USP muss lauten: „Ohne diesen Kollegen verlieren wir Geschäft.“
Das ist keine Arroganz, das ist strategische Selbsterkenntnis.
Bonus-Tipp: Präsentieren Sie Ihren Plan nicht als Forderung, sondern als Angebot zur Umsetzung. Partner fördern keine Bittsteller – sie investieren in Mitunternehmer.
5. Das Konzept auf Ihre Kanzlei anwenden
Jede Kanzlei hat ihre eigenen Regeln. Klären Sie die entscheidenden Dinge ab. Was sind in Ihrer Kanzlei die wichtigsten Voraussetzungen auf dem Weg zur Partnerernennung – die Sichtbarkeit, das Selbstverständnis oder das interne Spiel?
Die Gegenprobe ist auch nicht unwichtig: Was sind die größten Stolpersteine, die vielversprechenden Kandidatinnen und Kandidaten am Ende zum Verhängnis wurden? Häufig wird das gerne mit einem simplen: „Er oder sie war kein Partnermaterial“ beantwortet, weil etwas fehlte, ohne dass man es genau sagen kann. Hier läuft viel unterbewusst ab. Nutzen Sie das für sich! Wenn Sie es schaffen, eine positive „Macher“-Aura um sich aufzubauen, dann trägt Sie das über manche Klippe!
Ebenfalls ganz wichtig: Wer sind die Entscheider? Das müssen nicht immer die lautesten sein, sondern nicht selten sind das die Strippenzieher im Hintergrund, die entscheidend sind.
6. Fazit: Wer die Kanzlei weiterbringt, bringt sich ins Spiel
Niemand wird Partnerin oder Partner, weil sie oder er brav war. Niemand wird es, weil sie nett ist.
Aber wer zeigt, dass er wirtschaftlich denkt, Beweise liefert und die Kanzlei weiterbringt, der hat den wichtigsten Satz verstanden: „Partner werden nicht gesucht. Sie werden erkannt.“
Lassen Sie sich also finden! Und dafür brauchen Sie keinen Zufall – nur Strategie, eine klare Einstellung und den Mut, sich selbst als Investment zu sehen, in welches die Partnerebene nur allzu gerne investiert!
Götz F. Vinnen ist Geschäftsführer und Gründer von viax consulting. Als Wachstumsberater für Anwälte und Notare verhilft er diesen zu einer planbaren Kanzleientwicklung. Der studierte Betriebswirt und MBA berät Kanzleien im DACH-Raum bei Fragen zu Business Development, Positionierung, Kennzahlenentwicklung und Pricing.









