Zeugenvernehmung

Für den (jungen) Rechtsanwalt ist es wichtig, die Grenzen erlaubten Verteidigungsverhaltens zu erkennen und unerlaubte oder sogar strafbare Tätigkeiten zu unterlassen. Verteidigung ist Kampf, wie es Hans Dahs, der Autor des Standardwerks „Handbuch des Strafverteidigers“, formuliert hat, und in diesem Kampf kommt es immer wieder vor, dass die Justiz den Verteidiger zu disziplinieren versucht, indem sie ihn mit dem Vorwurf der Strafvereitelung konfrontiert und ihn nicht mehr als Beistand und Berater, sondern als Komplizen des Beschuldigten darstellen will.

Informationen als Basis für die Verteidigungsstrategie

Um eine Verteidigungsstrategie entwickeln zu können, muss der Verteidiger wissen, wessen genau sein Mandant beschuldigt wird, welche Beweismittel vorliegen und welche Qualität diese Beweismittel haben. Dafür ist die wichtigste Informationsquelle die Ermittlungsakte. Ohne Akteneinsicht und eine ausführliche Besprechung der Akte mit dem Mandanten ist eine erfolgreiche Verteidigung nicht möglich.

Darüber hinaus stehen dem Verteidiger aber auch andere Möglichkeiten der Informationsbeschaffung zu Verfügung. Eigene Ermittlungen des Verteidigers sind zulässig. Der Strafverteidiger übt keine staatliche Gewalt aus, greift also nicht in die Grundrechte anderer ein; daher braucht er keine Ermächtigungsgrundlage für sein Handeln. So ist es ihm erlaubt, Zeugen zu hören und ihre Aussagen schriftlich zu fixieren (OLG Frankfurt NStZ 1981, 144).

Zu den eigenen Ermittlungen gehören deshalb vor allem eigene Zeugenvernehmungen. Die außergerichtliche Zeugenvernehmung kann das Risiko bei Beweisanregungen an die Strafverfolgungsbehörden minimieren: „Wenn dem Verteidiger das Ergebnis seiner Beweisanregung nicht bekannt ist, kann ‚der Schuss nach hinten losgehen‘“ (Jan Bockemühl, Handbuch des Fachanwalts für Strafrecht, 2. Teil, 11. Kapitel, Rz. 80).

Straf-und berufsrechtliche Grenzen der Zeugenvernehmung beachten

Selbstverständlich darf der Verteidiger bei seiner Vernehmung keine Zeugenaussagen beeinflussen. Dass ein Verteidiger als Rechtsanwalt und Organ der Rechtspflege die straf- und berufsrechtlichen Grenzen einhält, versteht sich von selbst.

Schon zum Eigenschutz sollte die Zeugenvernehmung immer vollständig dokumentiert werden. Bereits die Kontaktaufnahme mit dem Zeugen sollte schriftlich erfolgen. Dabei muss der Zeuge darauf hingewiesen werden, dass der Absender ein Strafverteidiger ist, der im Rahmen eines Verfahrens ermittelt. Auch sollte klargestellt werden, dass der Rechtsanwalt eigene Ermittlungen durchführen darf, es aber keine Pflicht zur Aussage beim Rechtsanwalt gibt.

Finanzielle Zuwendungen an den Zeugen durch die Verteidigung dürfen unter keinen Umständen erfolgen. Allein Fahrtkosten und ein angemessener Verdienstausfall können beglichen werden.

Die Befragung des Zeugen sollte möglichst in der Kanzlei des Verteidigers stattfinden. Dabei sollte auch ein Gesprächszeuge herangezogen werden. Der Mandant scheidet dabei natürlich aus, es bieten sich Kollegen oder z. B. Rechtsreferendare an.

Das Gespräch wird aus Beweissicherungsgründen protokolliert und vom Zeugen gegengezeichnet. Außerdem muss der Zeuge darauf hingewiesen werden, dass er in der Hauptverhandlung auf Fragen der Staatsanwaltschaft oder des Gerichts frei und unbefangen zu der Vernehmung durch den Anwalt antworten sollte.

Eine so erhaltene Aussage kann dem Verteidiger als Grundlage für Beweisanträge im weiteren Ermittlungsverfahren oder später in der Hauptverhandlung dienen. Es gibt selbstverständlich keine Pflicht des Verteidigers, die Ergebnisse der Befragung zu offenbaren. Auch hier gilt ein Satz von Hans Dahs: „Alles, was der Verteidiger sagt, muss wahr sein, aber er darf nicht alles sagen, was wahr ist.“

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