Für den Mandanten wird es immer normaler, juristische Dienstleistungen wie Schuhe oder Fastfood online zu bestellen, sagt Andreas Duckstein, Geschäftsführer des Legal Tech-Startups LAW-APOYNT der Helix Services GmbH. Im Interview stellt er seine Geschäftsidee vor und erklärt, mit welchen Strategien Kanzleien trotzdem auf Erfolgskurs bleiben.

Herr Duckstein, könnten Sie Ihr Produkt kurz vorstellen?

Unsere Plattform LAW-APOYNT verbindet einerseits Mandanten mit Anwälten, anderseits auch Anwälte untereinander. Im Prinzip betreuen wir den Gesamtprozess der Rechtsberatung: Von dem Zeitpunkt an, an dem der Mandant sich den Anwalt sucht, bis der Fall abgeschlossen ist.

Warum sollte der Anwalt Ihre Plattform nutzen?

Die Zielgruppe, die online nach Rechtsberatung sucht, wird immer größer. Mandanten, die heute Ende 20 bis Mitte 30 sind, werden in den nächsten Jahren den wirtschaftlichen Erfolg von Kanzleien maßgeblich prägen. Wer online nach einem Anwalt sucht und eine Kanzlei vermittelt bekommt, fällt in eine analoge Welt zurück. Er hat nicht die Möglichkeit zu sagen: Ich nehme jetzt diesen Anwalt und kommuniziere weiterhin digital mit ihm. LAW-APOYNT ermöglicht das. Das spricht die Zielgruppe an.

Könnten Sie Ihre Zielgruppe näher beschreiben?

Privatpersonen, aber auch Unternehmer, die häufig aus dem IT-Sektor kommen, mit dem Internet vertraut sind und dort auch viel regeln – Digital Natives, könnte man sagen. Diese Zielgruppe hat ein ganz anderes Verständnis von den Nutzungsmöglichkeiten digitaler Medien.

Was unterscheidet Sie von einer klassischen Anwaltskanzlei?

Für die Mandanten sind wir wie eine große Anwaltskanzlei, nur dass die Anwälte nicht alle unter einem Dach sitzen, sondern dass wir zu jedem Fachgebiet einen spezialisierten Anwalt stellen können. Gleichzeitig hat der Mandant das Gefühl, von einer Kanzlei betreut zu werden, nur die Bearbeiter sind unterschiedlich. In der Wahrnehmung der Anwälte sind wir dagegen schon ein wenig anders, eine Art Zusatz, der das eigene Portfolio erweitert.

Auf Ihrer Webseite erklären Sie, dass Sie für die unterschiedlichen Rechtsgebiete in den Städten Lizenzen vergeben. Was hat es damit auf sich?

Wer sich die Lizenz für eine Stadt in seinem Rechtsgebiet gesichert hat, muss nicht fürchten, dass ihm noch drei andere Konkurrenten hinterher sind. Er bekommt alle Anfragen aus dieser Region exklusiv und alleine. Das unterscheidet uns von reinen Vermittlern. Unsere Partneranwälte bilden ein Netzwerk, in dem sie miteinander arbeiten und sich nicht gegenseitig als Konkurrenz betrachten. Ich vermittle lieber zehn Mandanten an einen Anwalt, weil ich weiß, dass ich mich auf ihn verlassen kann, statt einen Mandanten an zehn Anwälte zu vermitteln. Als Gruppe sind wir überschaubar, aber dadurch umso effektiver. Zusammen stemmen wir große Projekte aus unterschiedlichsten Rechtsgebieten, weil jeder mit der gleichen Technik arbeitet.

Ihren Partneranwälten stellen Sie auch Legal Tech-Tools zur Verfügung. Welche sind das?

Viele sind Erweiterungen von Microsoft Office-Programmen, die Schnittstellen zu unserer Software bilden und Arbeitsprozesse vereinfachen. Wir bieten zum Beispiel etwas Ähnliches wie WhatsApp an. Die Austauschdaten laufen jedoch nicht über Amerika, sondern über sicherere Server aus Deutschland. Bei diesen Lösungen ist es uns wichtig, neue Weichen zu stellen, aber nicht alles anders zu machen. Selbst wenn der Anwalt ein Tool verstanden hat, muss er auch seine Mitarbeiter überzeugen. Das kann schwierig sein. Deswegen haben wir einen hohen Anspruch an Usability. Statt zu sagen, „Mach jetzt alles anders“, sagen wir, „Guck mal, kennst du das schon? Macht man im Prinzip wie früher, nur statt hier da klicken“. Von unseren Testpersonen haben wir gutes Feedback bekommen, weil sie die Anwendung schon ein Stück weit kannten und nicht viel Neues lernen mussten.

Wie lässt sich Social Media für die Rechtsberatung nutzen?

Aus meiner Sicht eignet sich Social Media nicht, um Anwälte als Personen zu vermarkten. Wenn die Beiträge eines Anwalts gut sind, bekommt er auf Twitter zwar viele Follower, aber das ist nicht Rechtsberatung. Das ist nicht der seriöse Anwalt, dem man alles erzählt, weil man ihm vertraut. Social Media eignet sich jedoch, um Content zu verbreiten. Juristen können es nutzen, um ihr Wissen nach außen zu präsentieren. Dieser Ansatz ist Teil des klassischen Content Marketing.

Wie könnte so ein Content Marketing konkret aussehen?

Zum Beispiel Blog-Beitrage, in denen der Anwalt juristische Grundfragen erklärt. Ein Leser als potentieller Mandant denkt sich dann im Idealfall: „Der hat Ahnung, zu dem gehe ich!“ Die meisten Menschen informieren sich schließlich im Internet über ihr Rechtsproblem, bevor sie zu einem Anwalt gehen.

Welche Herausforderungen kommen auf den deutschen Rechtsmarkt zu?

Der Markt erfindet sich gerade komplett neu. Die klassische anwaltliche Beratung wird zurzeit massiv umgekrempelt von Leuten, die verstanden haben, dass es für jemanden, der im Internet unterwegs ist, keinen großen Unterschied macht, ob er eine Pizza bestellt oder Rechtsberatung kauft. Die Erfahrung zeigt außerdem, dass es viele Standard-Dienstleistungen in der Rechtsberatung gibt das klassische Brot-und-Butter-Geschäft, mit dem Kanzleien einen Großteil ihrer Einnahmen bestreiten. Diese Dienstleistungen werden massiv von Firmen abgegraben, die es schneller können, weil sie spezialisierte Technik nutzen, mit der sich die Arbeitsabläufe zum Teil automatisieren lassen. Wer sich nicht auf diese Entwicklung einstellt, muss in den nächsten Jahren mit Umsatzverlusten rechnen. Das muss jeder Kanzlei klar sein. Aus meiner Sicht ist die einzige Chance, sich darauf zu konzentrieren, was nur wir Anwälte können und nicht die Maschine. Gleichzeitig müssen wir unsere Mandanten stärker da abholen, wo sie sind.

Was meinen Sie mit „da abholen, wo sie sind“?

Im Alltag nutzen wir unsere Smartphones für alles Mögliche, egal ob beruflich oder privat. Warum nicht auch für Rechtsberatung? Wenn ich mein Geld per App hin und her schicken kann, dann kann ich auch per Handy einen Anwalt beauftragen. Gleichzeitig ermöglicht das Internet mehr Menschen Zugang zur Rechtsberatung. Viele gehen nicht zu einem Anwalt, weil sie Hemmungen haben. Das ist gravierend! Durch die anonyme Kommunikation im Internet können Hemmschwellen abgebaut werden.

Unterscheidet sich der junge Anwalt heute vom älteren?

Definitiv! Das Berufsbild hat sich in den letzten 20 Jahren komplett verändert vom elitären Fachmann zum strategisch denkenden Unternehmer. Das macht sich schon in den Strukturen bemerkbar. Es gibt nicht mehr einen Anwalt und seine Sekretärin. Da werden zum Beispiel noch Wirtschaftsprüfer mit ins Boot geholt. Man arbeitet heute viel häufiger projektbezogen und das über Kanzleigrenzen hinaus.

Mit welchen Vorurteilen haben Legal Tech-Unternehmen zu kämpfen?

Die meisten Kanzleien haben noch nicht den Ernst der Lage erkannt. Sie denken sich: „Brauche ich das schon? Reicht es nicht, sich in zehn Jahren damit zu beschäftigen?“ Aus meiner Sicht ist das zu kurz gedacht. Die Generation von Juristen, die heute etwa Mitte 30 ist und sich gerade selbstständig macht, hat verstanden, dass das nicht reicht. Technik sollte schon jetzt fest in den Kanzleialltag integriert werden. Jeder, der sich morgen damit auseinandersetzt statt heute, hat schon den Anschluss verloren. Die Zeit ist eigentlich schon letztes Jahr abgelaufen.

Herr Duckstein, ich danke Ihnen für das Gespräch!

Das Interview führte Bettina Taylor.

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