Von Dorothee Dralle
In der Umbruchphase zwischen Papier und Elektronik sind immer wieder Probleme zu lösen. Beleuchtet werden sollen diese hier bei der Durchführung des Verfahrens auf Erlass einer einstweiligen Verfügung/eines Arrestes. Obwohl Rechtsanwält:innen ab dem 1.1.2022 ihre Klagen und Anträge nur noch elektronisch einreichen dürfen (Nutzungspflicht des beA, § 130d ZPO), geht es selbst dann nicht immer ohne Papier.
1. Die Antragsvoraussetzungen
Weil das einstweilige Verfügungsverfahren – wenn auch nur vorläufig – dem Erkenntnisverfahren entspricht, gelten dessen Vorschriften zunächst auch im Eilverfahren, es sei denn, in den § 916 bis § 945 ZPO ist etwas anderes bestimmt.
a) Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung nach den § 916 bis § 945 ZPO entspricht insoweit einer Klageschrift, nur in abgekürzter Form. Auch ein solcher muss ab 1.1.2022 elektronisch eingereicht werden.
b) Die einstweilige Verfügung muss dasselbe enthalten wie ein vorbereitender Schriftsatz im Hauptverfahren (§ 253 ZPO). Neben den Angaben zu Parteien, Gericht, Streitgegenstand gehört hierzu auch die Angabe der Anlagen/ihrer Anzahl und die genaue Bezeichnung der Beweismittel. Schließlich wird die Unterschrift der verantwortenden Person, hier also des Rechtsanwalts/der Rechtsanwältin gefordert.
Dem Antrag/der Klageschrift müssen die Urkunden, auf die Bezug genommen wird, in Abschrift beigefügt werden (§ 131 ZPO).
In einem Eilverfahren ist nach § 920 Abs. 2 ZPO zusätzlich die Glaubhaftmachung von Grund und Anspruch notwendig; die Möglichkeiten sind in § 294 ZPO genannt.
Die für die Zustellung an den Beklagten, hier den Antragsgegner, erforderliche Zahl von Abschriften der Antragsschrift und deren Anlagen sind beizufügen (§ 130 Abs. 1 S. 1. ZPO).
2. Übermittlung des Antrags auf Erlass einer einstweilige Verfügung per beA
a) Wird ein solcher Antrag per beA elektronisch übersandt, also ein elektronisches Dokument erstellt, muss dies für die Bearbeitung durch das Gericht geeignet sein (§ 130a Abs. 2 S. 1 ZPO). Die Grundlagen hierfür sind der Elektronischen-Rechtsverkehr-Verordnung (ERVV) zu entnehmen[1]. Da der Gesetzgeber vorhergesehen hat, dass sich die technischen Gegebenheiten verändern werden, enthält § 130a Abs. 2 S. 2 eine Ermächtigung, solchen Veränderungen durch Rechtsverordnung Rechnung zu tragen.
Für den aktuellen Stand sind folgende Eigenschaften von Bedeutung:
- Die elektronische Datei muss eine „sinnvolle“ Bezeichnung/einen Namen haben, um Irrtümer insbesondere beim Empfänger auszuschließen[2]. Beispiel: „Klage“, „KlaErwid“, „K1“, „Anl.B2“ o. Ä.
- Der Schriftsatz muss kopier- und insbesondere „durchsuchbar“ sein, das bedeutet, er muss im Format PDF/A[3] versendet werden. Ist z. B. der Briefkopf nicht durchsuchbar, ist zur wirksamen Einreichung ein volles Rubrum notwendig[4].
Praxistipp: Wenn eine solche PDF/A-Datei geöffnet wird, erscheint oben auf dem Bildschirm ein „blaues Band“ mit der Information, dass „diese Datei eine Konformität mit dem PDF/A-Standard“ verlangt. Fehlt dieser Hinweis, handelt es sich nicht um das richtige Format.
- Die Schriftarten im Schriftsatz müssen „eingebettet“ sein, anderenfalls wäre der Schriftsatz formatfehlerhaft und damit „nicht zugegangen“[5], also nicht wirksam und nicht fristwahrend eingereicht.
Praxistipp: Wenn man den Mauszeiger auf das geöffnete Dokument richtet und die rechte Maustaste klickt, „Dokumenteneigenschaften“ und im nächsten Fenster den Reiter „Schriftarten“ auswählt, findet man dort die einzelnen im Dokument enthaltenen Schriftarten aufgeführt sowie, jeweils dahinter in Klammern vermerkt, ob sie eingebettet sind. Fehlt ein solcher Hinweis, entspricht das Dokument nicht den technischen Vorgaben nach § 130a Abs. 2 ZPO.
Praxistipp: Aus dem Ordner „gesendet“ wird der Schriftsatz mit einem Doppelklick geöffnet; in der jetzt erscheinenden Zeile gibt es rechts ein Lupensymbol. Auch dieses ist zu öffnen. Nun erscheint ein langer Strukturdatensatz. In dessen obersten Zeilen ist die Eingangsbestätigung des entsprechenden Gerichtes ersichtlich. Dieser ist unbedingt elektronisch zu speichern (und nicht auszudrucken).
Ein häufiger Fehler in der Praxis ist, dass das „Prüfprotokoll“ mit der eigentlichen Eingangsbestätigung verwechselt wird. Sollte es dadurch zum Nichterkennen einer versäumten Frist führen, wäre dies nach der BGH-Rechtsprechung ein haftungsrelevantes Organisationsverschulden, gegen das es keine Wiedereinsetzung gäbe. Dieses Prüfprotokoll bestätigt lediglich den erfolgreichen Versand an das beA der Bundesrechtsanwaltskammer.
b) Nach 130a Abs. 4 Nr. 2 ZPO ist die Übermittlung per beA – und nur diese Form soll hier besprochen werden – eine zulässige Form für einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung/eines Arrestes.
Für das notwendige Unterschriftserfordernis sieht 130a Abs. 3 ZPO zwei Möglichkeiten vor:
- Der Rechtsanwalt/„die verantwortende Person“ versieht das Schriftstück mit einer qualifizierten elektronischen Signatur (qeS).
- Die Rechtsanwältin/„die verantwortende Person“ versendet den Schriftsatz direkt aus dem eigenen Postfach. Dann genügt die sog. einfache Signatur. Notwendig ist dafür allerdings, dass der vollständige Name unter dem Schriftsatz steht. Nur „Rechtsanwalt“ reicht nicht aus.[8] Anlagen hingegen müssen überhaupt nicht signiert werden (§ 130a Abs. 3 S. 2 ZPO).
Eine eidesstattliche Versicherung als zulässiges Mittel der Glaubhaftmachung kann unterschrieben und eingescannt und damit auch per beA eingereicht werden[9].
Bei allen elektronisch eingereichten Dokumenten sind keine Abschriften der Klage/des Antrages/aller Schriftsätze und Anlagen mehr nötig (§§ 153 Abs. 5 S. 2, 133 Abs. 1 S. 2 ZPO).
Allerdings muss nach wie vor wohl die schriftliche Prozessvollmacht zu den Gerichtsakten eingereicht werden (§ 80 S. 1 ZPO)[10]. Dies kann aber auch später nachgeholt werden, falls die Bevollmächtigung bestritten wird, z. B. im Termin zur mündlichen Verhandlung, wenn diese stattfindet.
Aktuell gibt es noch eine technische Begrenzung auf max. 60 MB pro beA-Nachricht. Ist das Dokument umfangreicher, kann dem Gericht stattdessen ein Datenträger eingereicht werden (§ 3 ERVV[11]). Dass diese Begrenzung überschritten wird, muss ausdrücklich anwaltlich versichert werden.
Praxistipp: Bei umfangreichen Anlagen, z. B. Bauunterlagen, Zeichnungen, Skizzen o. Ä. kann man die Nachrichten auch in mehrere Teile aufteilen und dann, weil unterhalb der technischen Grenze, versenden. Allerdings müssen diese dann für das Gericht erkennbar und eindeutig benannt worden sein.
Zwischenfazit: Bis auf die Prozessvollmacht wird kein Papier mehr benötigt
Bis auf die Prozessvollmacht wird für die Einreichung eines Antrags auf Erlass einer einstweiligen Verfügung ebenso wie für weitere Schriftsätze kein Papier mehr benötigt. Logischerweise werden auch keine Abschriften mehr benötigt. Es genügt das Hochladen des Schriftsatzes nebst Anlagen und die ordnungsgemäße Versendung per beA.
3. Hilfe – das beA funktioniert nicht!
Wir alle kennen es: Die Technik funktioniert nicht immer, wie sie soll. Dies ist besonders stressauslösend, wenn entweder ein Fristablauf droht oder wenn die Angelegenheit – Eilverfahren! – tatsächlich sehr eilig ist.
Auch hierfür hat der Gesetzgeber vorgesorgt und bietet insoweit eine Lösung: Ist ausnahmsweise die eigentlich verpflichtende Nutzung des beA „aus technischen Gründen vorübergehend nicht möglich, bleibt die Übermittlung nach den allgemeinen Vorschriften zulässig“ (130d S. 2 ZPO). Dann kann also ein Schriftsatz auch per Fax oder gar per Post an das Gericht übersandt werden. Notwendig hierzu ist allerdings wiederum eine Glaubhaftmachung der technischen Unmöglichkeit – und insbesondere die Beifügung von Abschriften etc. wie bisher.
Praxistipp: Wenn Sie Fehlermeldungen erhalten, die bestätigen, dass eine Übermittlung technisch nicht möglich ist, ist es sinnvoll, Screenshots zu erstellen; sowohl von der beA-Oberfläche als auch der Störungsdokumentation der BRAK[12].
4. Die Vollziehung und die Gerichtsvollzieher
Wenn einem Antrag auf einstweilige Verfügung/Arrest stattgeben wird, hat die antragstellende Partei dem Antragsgegner den Beschluss zuzustellen (§ 922 Abs. 2 ZPO). Diese Vollziehung ist die Kundgabe des Willens, von dem erwirkten Titel Gebrauch zu machen. Bereits durch die Zustellung äußert sich der Wille[13], dass man vollstrecken will. Eine Klausel ist für diese Zustellung (= Vollziehung) nicht notwendig (§ 929 Abs. 1 ZPO). Zu beachten ist dabei die einmonatige Vollziehungsfrist (§ 929 Abs. 2 S. 1 ZPO[14]). Die Frist beginnt ab Zustellung des Beschlusses beim Antragssteller.
Ist allerdings ein Urteil gegen den Antragsgegner ergangen (z. B. nach Widerspruch und/oder ggf. mündlicher Verhandlung), wird dieses von Amts wegen zugestellt. Die o. g. notwendige „Willenskundgabe“ durch den Antragsteller findet also nicht statt. Deshalb muss dieser nun eine einfache Abschrift im Parteibetrieb selbst an den Antragsgegner zustellen lassen und zeitgleich die Zwangsvollstreckung ausdrücklich androhen.
Wenn das Gericht, wie zukünftig sicherlich häufiger, sein Urteil/den Beschluss elektronisch, hier also an das beA des Antragstellers übersendet, kann es sich möglicherweise, je nach Ausstattung des Gerichts, bereits um eine beglaubigte elektronische Abschrift (§ 169 Abs. 4 ZPO) handeln. Ob qualifiziert signiert wurde, kann der Empfänger selbst prüfen. Dann kann eine solche Entscheidung auch im Parteibetrieb und von Anwalt zu Anwalt per beA gegen Empfangsbekenntnis zugestellt werden (§ 174 Abs. 3, 4 ZPO). Es bleibt jedoch, wie „früher“ im Papierbetrieb auch, das Risiko, dass ein angefordertes Empfangsbekenntnis gar nicht oder nicht zügig abgegeben wird. Dies hätte gegebenenfalls berufsrechtliche Konsequenzen, lässt aber keine wirksame Vollziehung entstehen[15].
Praxistipp: Die sicherste Variante ist immer noch die Zustellung durch den Gerichtsvollzieher. Wichtig dabei: Solche Eilaufträge – um solche handelt es sich hier! – folgen nicht der allgemeinen Geschäftsverteilungsregel[16]. Dies bedeutet, dass die Kanzlei „dauerhaft“ einen ihr vertrauten und schnell und leicht erreichbaren konkreten Gerichtsvollzieher mit dieser Zustellung beauftragen kann. Er darf und muss bei entsprechendem Auftrag diese Zustellung auch durchführen. Bei dieser Alternative wird logischerweise wieder Papier benötigt.
5. Fazit: Checklisten und Dokumentationen nutzen
Die Elektronik erspart oft viel Papier. Allerdings: Es geht nicht immer ganz ohne. Der Zeitaufwand für die „Post“-Ausgangskontrolle ist mindestens gleichgeblieben. Deshalb ist eine Checkliste/eine Organisationsanweisung, wer wann was zu prüfen und zu dokumentieren hat, sinnvoll, ja sogar notwendig.
Grundsätzlich sollte gelten, dass die Medien – Elektronik und Papier – nicht vermischt werden sollen. Deshalb kann z. B. ein elektronisch angefordertes Empfangsbekenntnis wirksam auch nur elektronisch abgegeben werden. Der Ausdruck des o. g. Strukturdatensatzes fördert nicht nur den Papierverbrauch, er stellt keinen wirksamen Nachweis der ordnungsgemäßen Zustellung dar. Eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift in Papier dagegen können nicht elektronisch von Anwalt zu Anwalt vollzogen werden. Dies ist auch nicht möglich, indem eine solche Abschrift eingescannt und elektronisch signiert wird[17].
Dorothee Dralle ist gepr. Rechtsfachwirtin, gepr. Bürovorsteherin, Lehrbeauftragte an der Hochschule für Technik, Referentin für die Bucerius Law School, Anwaltsvereine u. v. m. Sie führt Inhouse-Seminare bundesweit in Anwaltskanzleien durch und schult zu Themen wie „aktuelle Rechtsprechung zur Kanzleiorganisation“, Zwangsvollstreckung, RVG – Kosten, Verfahrensrecht und Fristen u. a. Regelmäßig veröffentlicht sie (Fach-)Beiträge im Berliner Anwaltsblatt.
Die Fachinfo-Broschüre „beA kompakt – fit für die aktive Nutzungspflicht“ von beA-Expertin Ilona Cosack erläutert als kompaktes Nachschlagewerk in zehn Kapiteln den effektiven und gleichzeitig rechtskonformen Umgang mit dem Postfach.