Anders als in den USA, wo Richter am Supreme Court Anleitungen für Anwaltsschriftsätze verfassen und mehr als 160.000 Anwälte bisher Seminare wie „The Winning Brief“ besucht haben (www.lawprose.org), ist in Deutschland eine entsprechende Fortbildungskultur unbekannt. Das ist eigentlich nicht zu verstehen. Jeder Zivilanwalt weiß, und ein ehemaliger vorsitzender Richter vom OLG München bestätigt ausdrücklich, dass die Entscheidung des Richters „vor allem durch Schriftsätze“ beeinflusst wird. Und: „Als Zivilrichter überlegt man immer auch, wer denn hier der Böse ist … Deshalb gehört zum guten Schriftsatz außer der scharfzüngigen Argumentation auch die Einwirkung auf den Bauch.“ Im Ergebnis gilt: „Kopf verliert gegen den Bauch“ (Seitz, NJW 2000,118).

Der Schriftsatz muss also einerseits gut verständlich und juristisch überzeugend formuliert sein, andererseits aber auch die außerrechtliche, „moralische“ Rechtfertigung für den Klageanspruch mitliefern. Nur dann wirkt der „Bauch“ bei der Entscheidung durch den „Kopf“ mit.

Grundlage ist ein Text, der in gut überschaubaren Sätzen klare Aussagen trifft. Die Länge der Sätze ist nicht das Problem (vgl. oben Satz 1: Dieser Einschub behindert das Verständnis ausnahmsweise nicht), sondern allein ihr Aufbau. Wesentlich ist eine Satzstruktur, die die Satzaussage früh und eindeutig erkennbar vermittelt. Die Abfolge von Aussagen innerhalb eines Satzes oder über die Sätze hinweg muss so gestaltet sein, dass Lesende sofort erkennen können, in welcher Weise die Gedanken aneinander anknüpfen.

Die Struktur des Schriftsatzes insgesamt sollte sich an der schulmäßigen Subsumtion orientieren, die gerade jungen Anwälten noch gut präsent sein dürfte. Sie hat nicht nur die größere Überzeugungskraft der juristischen Argumentation für sich. Ihr Aufbau entspricht genau den kognitionspsychologischen Anforderungen an Verstehen und Erinnern von Inhalten. Die Abfolge von Obersatz, seiner Ausfüllung im Einzelnen und abschließender Feststellung fügt sich in das Wirkungsmuster der neuronalen Abläufe.

Zentral für den Erfolg des Schriftsatzes ist ein Aufbau, der gleich am Anfang einen großen Rahmen setzt, in den sich die detaillierenden Ausführungen Mosaikteil für Mosaikteil einfügen. Hier liegt die gleiche Gesetzmäßigkeit für die Gesamtheit zugrunde, wie sie soeben für die Abfolge der juristischen Teilprüfungen beschrieben wurde. Dieser große Rahmen zu Beginn setzt sich zusammen aus einem Konzentrat der Sachlage, der komprimierten Rechtsargumentation und schließlich der „Perspektive“. Sie ersetzt das Schimpfen im Schriftsatz, indem sie mit einer deutlich interessenorientierten, aber dennoch möglichst sachlichen Bewertung der jeweiligen Parteisituationen das Verständnis des Gerichts für das verfolgte Rechtsschutzziel weckt.

Letztlich sollte nicht vergessen werden, dass auch die formale Gestaltung (Schriftgröße, Zeilenabstand, Hervorhebungen etc.) wesentlichen Einfluss auf den Komfort der Rezeption des Textes hat. Und dieser Komfort ist der erste Schritt zum Erfolg.

3 Tipps für effektivere Schriftsätze:

Tipp 1: Sichern Sie die Transparenz über den Gedankengang des Schriftsatzes für den Leser – zu Beginn und durchgängig im Text (Gliederung, Überschriften).

Tipp 2: Formulieren Sie nicht gekünstelt – gehobene Umgangssprache und gut verständliche Sätze wirken am besten.

Tipp 3: Erleichtern Sie dem Leser Lektüre und Verständnis – verwenden Sie ein übersichtliches Layout (Text, Hervorhebungen) und zusätzliche Hilfen (z.B. Grafiken).

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