I. Problemstellung

Die Klägerin hatte mit dem beklagten Rechtsanwalt einen Geschäftsbesorgungsvertrag geschlossen. Der Rechtsanwalt sollte einen Rentenversicherungsvertrag kündigen, den daraus resultierenden Abrechnungsbetrag (6.977,73 Euro) einziehen, an eine Kapitalanlagefirma weiterleiten, die davon 50 % sofort auszahlte und den doppelten Restbetrag nach Ablauf von zehn Jahren. In anderen Fällen wurde der Beklagte treuhänderisch direkt für die Anlagegesellschaft tätig, die nicht über eine Erlaubnis nach § 32 KWG verfügte. Ihr wurde am 26.1.2010 von der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht das Betreiben des Einlagengeschäfts gemäß § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 KWG untersagt. Daraufhin ging sie in Insolvenz. Auszahlungen wird der Kläger daher kaum erhalten. Die Klägerin nahm daher den kündigenden Rechtsanwalt in Haftung.

Der BGH hob das landgerichtliche Urteil zwar auf, traf aber grundsätzliche Aussagen zur Haftung eines Rechtsanwalts bei einer Treuhändertätigkeit.

II. Die Hintergründe der Entscheidung

1. Vertragliche Haftung

Eine Haftung des Treuhänders komme aus verschiedenen Gesichtspunkten in Betracht. Der Geschäftsbesorgungsvertrag begründete eine Pflicht zur Offenlegung von Kenntnissen über das Geschäftsmodell jedenfalls dann, wenn der eine Teil einen erkennbaren Wissensvorsprung über Umstände hat, die den Vertragszweck vereiteln können, sodass der Rechtsanwalt den Anleger bereits vor Abschluss des Geschäftsbesorgungsvertrags über die vom Anleger nicht erkannten Gefahren des Modells – vorliegend: die Genehmigungspflichtigkeit des Modells nach dem Kreditwesengesetz (KWG) – aufklären muss (BGH v. 01.12.1994 – Az. III ZR 93/93, NJW 1995, 1025 [1027]), bei Verstoß haftet er wegen vorvertraglicher Pflichtverletzung (§§ 280 Abs. 1, 311 Abs. 2 BGB). Hieran ändert die Beauftragung mit einer bloßen Vertragsabwicklung nichts, womit der BGH auf die Grundsätze des nur „eingeschränkten Mandats“ abstellte: So können die Pflichten eines Anwalts zwar durch den Umfang des Mandats begrenzt werden, die Pflicht eines Anwalts, die Interessen seines Auftraggebers nach jeder Richtung wahrzunehmen und sich so zu verhalten, dass Schädigungen des Mandanten möglichst vermieden werden, begründet jedoch auch beim nur eingeschränkten Mandat die anwaltliche Pflicht, den Mandanten vor Gefahren, die dem Anwalt bekannt oder für ihn offenkundig sind, zu warnen, wenn er Grund zu der Annahme hat, dass sich der Mandant der ihm drohenden Nachteile nicht bewusst ist (BGH v. 9.7.1998 – IX ZR 324/97, VersR 1999, 188). Ob das Vorliegen eines erlaubnispflichtigen Einlagengeschäfts (§ 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 KWG, da der Kunde ein Mehrfaches des Rückkaufswerts erhalten sollte) erkennbar war und ob und wie hierüber aufgeklärt wurde, muss eine erneute Verhandlung zeigen.

2. Deliktische Haftung

Hierneben besteht möglicherweise eine deliktische Haftung nach § 826 BGB. Denn die Unterstützung eines objektiv unzulässigen Vertriebssystems in herausgehobener und für dieses System unerlässlicher Funktion sei sittenwidrig, wenn der Anwalt es zumindest leichtfertig unterlassen habe, sich über die rechtlichen Rahmenbedingungen des Vertriebs zu vergewissern. Für die neue Verhandlung weist der BGH darauf hin, dass es zur Annahme eines Schädigungsvorsatzes ausreiche, dass der Funktionsträger es leichtfertig unterlassen habe, sich über die rechtlichen Rahmenbedingungen des Vertriebs zu vergewissern.

Weiterführender Hinweis:

Hat die Anlagegesellschaft ihren Sitz außerhalb der EU (z. B. Schweiz), so begeht der Rechtsanwalt durch eine Weiterleitung von Anlegergeldern ein eigenes erlaubnispflichtiges Einlagengeschäft im Sinne einer Drittstaateneinlagenvermittlung (vgl. LG Ansbach v. 23.7.2014 – 3 O 950/13, u.v.) mit eigener deliktischen Haftung über § 823 Abs. 2 BGB. Erfolgt die treuhänderische Tätigkeit direkt für die Anlagegesellschaft, so liegt in der Weiterleitung der Rückkaufswerte nach dem Kammergericht (v. 15.01.2015 – 27 U 37/12, u.v.) gleichfalls ein eigenes erlaubnispflichtiges Bankgeschäft mit eigener täterschaftlicher Deliktshaftung vor. In beiden Fällen besteht bei einer Gewerbsmäßigkeit sogar eine mögliche Strafbarkeit nach § 54 Abs. 1 KWG, die ein Berufsverbot nach sich ziehen kann. Rechtlich ist daher äußerste Vorsicht geboten, wenn Anlagegesellschaften mit entsprechenden Wünschen nach einer Treuhändertätigkeit an einen Anwalt herantreten.

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