
Was sind die Voraussetzungen für die Verleihung des Titels eines Fachanwalts oder einer Fachanwältin? Ganz grundsätzlich sind die Voraussetzungen die Folgenden.
- die dreijährige Zulassung und Tätigkeit als Rechtsanwält:in (§ 3 FAO),
- den Nachweis besonderer theoretischer Kenntnisse im Fachgebiet (§§ 2, 4 f., 8 ff. FAO),
- den Nachweis zwischenzeitlich erbrachter Fortbildung (§ 4 Abs. 2 und Abs. 3 S. 2 FAO),
- den Nachweis besonderer praktischer Erfahrungen im Fachgebiet (§§ 2, 5 i.V.m. §§ 8 ff. FAO) und
- (sehr selten!) das Bestehen eines Fachgesprächs (§§ 7, 24 Abs. 5 bis 7 FAO).
Die Prüfung des Vorliegens der Voraussetzungen nimmt ein sog. Vorprüfungs- oder Fachausschuss vor, der aus einschlägigen Expertinnen und Experten besteht. Die Letztentscheidung, die von dem Votum des Ausschusses auch abweichen kann, trifft der Vorstand der Rechtsanwaltskammer, deren Mitglied der Antragsteller ist. In der folgenden Artikelserie schauen wir uns die Voraussetzungen näher an.
1. Dreijährige Zulassung und Tätigkeit als Rechtsanwält/in (§ 3 FAO)
Nach § 3 FAO ist Voraussetzung für die Verleihung eines Fachanwaltstitels eine dreijährige Zulassung und Tätigkeit als Rechtsanwältin bzw. Rechtsanwalt innerhalb der letzten sechs Jahre vor Antragstellung. Durch die etwas schwerfällige Zeitvorgabe „innerhalb der letzten sechs Jahre vor Antragstellung“ soll sichergestellt werden, dass Unterbrechungen der Zulassung und/oder Tätigkeit nicht dazu führen, dass der Drei-Jahres-Zeitraum immer wieder neu zu laufen beginnt.
Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte i.S. von § 3 FAO sind auch Rechtsanwält:innen aus einem EU-Mitgliedstaat, die die Eingliederungsvoraussetzungen nach Teil 3 des Gesetzes über die Tätigkeit europäischer Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte in Deutschland (EuRAG) erfüllen (§ 4 Nr. 2 BRAO) oder über eine Bescheinigung nach § 16a Abs. 5 EuRAG verfügen (§ 4 Nr. 3 BRAO), und außerdem Syndikusrechtsanwältinnen und -anwälte nach § 46a BRAO, für die gem. § 46c Abs. 1 BRAO grundsätzlich „die Vorschriften über Rechtsanwälte“ gelten.
2. Besondere theoretische Kenntnisse (§§ 2, 4 f., 8 ff. FAO)
Gem. § 2 Abs. 1 Alt. 1 FAO ist Voraussetzung für die Verleihung einer Fachanwaltstitels der Nachweis besonderer theoretischer Kenntnisse.
Worauf sich die theoretischen Kenntnisse in den einzelnen Fachbereichen beziehen müssen, ergibt sich aus den §§ 8 bis 14q FAO, die für jedes Fachgebiet einen Katalog von Themen enthalten, die kumulativ (Ausnahme: § 8 Nr. 2 FAO) abgedeckt sein müssen.
a) Fachanwaltslehrgänge
Der übliche und meist einfachste Weg, die besonderen theoretischen Kenntnisse in einem Fachgebiet zu erwerben, ist die Teilnahme an einem „auf die Fachanwaltsbezeichnung vorbereitenden anwaltsspezifischen Lehrgang, der alle relevanten Bereiche des Fachgebiets umfasst“ (§ 4 Abs. 1 S. 1 FAO).
aa) Dauer
Gem. § 4 Abs. 1 S. 2 FAO muss die Gesamtdauer des Lehrgangs mindestens 120 Zeitstunden (nicht Unterrichtseinheiten von einer dreiviertel Stunde Dauer) betragen.
bb) Inhalt
Die Inhalte der Fachanwaltslehrgänge ergeben sich aus den §§ 8 bis 14q FAO, die die „nachzuweisenden besonderen Kenntnisse“ je Fachgebiet festlegen. Zusätzlich verlangt § 2 Abs. 3 FAO, dass auch die verfassungs-, europa- und menschenrechtlichen Bezüge des Fachgebiets behandelt werden.
Mit der Ausweitung der Fachgebiete stellt sich die Frage, ob Teile eines Lehrgangs für ein Fachgebiet auch in einem anderen angerechnet werden können. Da sich Fachgebiete oft überschneiden (z. B. Versicherungsrecht und Verkehrsrecht), passen einige Anbieter ihre Kurse gezielt an und bieten identische Unterrichtseinheiten für mehrere Fachanwaltslehrgänge an. Die Rechtsanwaltskammern verlangen nicht, dass bereits besuchte Kursteile erneut absolviert werden, jedoch müssen weiterhin die geforderten Klausuren geschrieben und die Fortbildungspflicht nach § 4 Abs. 2 FAO erfüllt werden.
cc) Klausuren
Der Antragsteller muss gemäß § 4a Abs. 1 FAO mindestens drei bestandene Klausuren aus verschiedenen Bereichen des Lehrgangs nachweisen. Jede Klausur muss zwischen einer und fünf Zeitstunden dauern, wobei die Gesamtdauer mindestens 15 Zeitstunden betragen muss. Die Bewertung erfolgt ausschließlich durch den Lehrgangsveranstalter oder beauftragte Personen, ohne Eingriffsmöglichkeit der Rechtsanwaltskammern.
Ein materielles Prüfungsrecht der Kammern besteht nicht. Weder § 43c Abs. 2 BRAO noch die FAO ermöglichen eine inhaltliche Überprüfung oder Korrektur der Klausuren durch die Kammern. Die Prüfung durch den Fachausschuss beschränkt sich auf eine formale Kontrolle der eingereichten Nachweise, ohne eigenständige Bewertung der fachlichen Qualifikation. Dies gilt auch für eine mögliche Überprüfung zugunsten des Antragstellers.
dd) Fortbildungspflicht nach § 4 Abs. 2 FAO
Ein Verfallsdatum für den Fachanwaltslehrgang kennt die FAO nicht. Deshalb steht der Besuch eines Lehrgangs auch schon Referendaren offen. Um ein „Veralten“ der besonderen theoretischen Kenntnisse zu verhindern und Fachanwaltsanwärter:innen den „promovierten“ Fachanwält:innen gleichzustellen, fordert § 4 Abs. 2 FAO allerdings, dass dann, wenn der Antrag auf Verleihung der Fachanwaltschaft nicht in dem Kalenderjahr gestellt wird, in dem der Lehrgang begonnen hat, ab diesem Jahr Fortbildung in Art und Umfang von § 15 FAO nachzuweisen ist. Lehrgangszeiten sind dabei anzurechnen.
Hinweis der Redaktion: Fachanwälte und Fachanwältinnen müssen ihre Fortbildungspflicht nach § 15 FAO erfüllen, doch oft stellt sich die Frage, wo geeignete Fortbildungen angeboten werden. Vier unserer Premiumpartner – Fachseminare von Fürstenberg, Juristische Fachseminare, ZORN Seminare und ARBER Seminare – bieten entsprechende Veranstaltungen an. Diese decken verschiedene Fachbereiche ab und helfen, die jährlichen Anforderungen der FAO zu erfüllen. Weitere Informationen finden sich direkt bei den Anbietern.
b) Außerhalb eines Fachanwaltslehrgangs erworbene Kenntnisse
Die erfolgreiche Teilnahme an einem Fachanwaltslehrgang ist nicht die einzige Möglichkeit, den Nachweis besonderer theoretischer Kenntnisse im Fachgebiet zu führen. Nach § 4 Abs. 3 S. 1 FAO können auch außerhalb eines Lehrgangs erworbene Kenntnisse akzeptiert werden, sofern diese dem im jeweiligen Fachlehrgang zu vermittelndem Wissen entsprechen.
Die Anforderungen, die an den Nachweis der außerhalb eines Lehrgangs erworbenen Kenntnisse gestellt werden, sind hoch. Erforderlich ist, dass ausnahmslos alle der in den §§ 8 bis 14q FAO für die einzelnen Fachgebiete geforderten „Bereiche“ und „Gebiete“ (so die Begrifflichkeiten der FAO) abgedeckt sind.
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Rechtsanwältin Dr. Susanne Offermann-Burckart war viele Jahre (Haupt-) Geschäftsführerin zweier großer Rechtsanwaltskammern und kennt das „Fachanwalts-Geschäft” deshalb aus dem Effeff. Außerdem hat sie als langjähriges Mitglied des Ausschusses 1 der Satzungsversammlung die FAO entscheidend mitgeprägt. Dr. Offermann-Burckart berät bundesweit in Fragen des Gesellschaftsrechts, des Rechts der Versorgungswerke und der Befreiung von der DRV sowie des Berufs- und Haftungsrechts.