Sketchnotes

Von Natalie A. Peter

Komplexe Sachverhalte schnell lernen, behalten und anwenden –  genau diese Fähigkeit gilt es, im Jurastudium zu meistern. Die Lernmethode „Sketchnotes“ verspricht einen spielerischen Weg dahin. Mit kleinen Zeichnungen, sogenannten Sketches, werden dabei Texte mit selbst angefertigten Zeichnungen, Symbolen und Grafiken visualisiert und auf den Punkt gebracht. Natalie A. Peter ist selbst Juristin und vermittelt diese Lernmethode in Workshops. Im Interview mit mkg-jura-studis.de verrät sie, warum diese Lernmethode so effektiv ist. 

Frau Peter, warum eignen sich Sketchnotes als Lernmethode für das Jurastudium?

Um Wissen zu verankern, braucht es Wissen und einen Anker. Kleine Symbole und Visualisierungen eignen sich sehr gut als ein solcher Anker.

Abstraktes kann greifbar gemacht und komplexe Sachverhalte können anschaulich dargestellt werden. Wer vornehmlich ein visuell veranlagter Lerntyp ist, wird es vermutlich leichter haben, sich eine sehr abstrakte Materie anzueignen, wenn sie mit Symbolen und Bildern zu einem plastischen Gesamtbild kombiniert wird.

Und wenn man Inhalte aus Lehrbüchern, Entscheidungen oder wissenschaftlichen Artikeln für sich selbst visuell zusammenfasst, findet eine tiefere Auseinandersetzung mit dem Lernstoff statt. Wer etwas zusammenfassen oder wiedergeben will, muss nämlich verstanden haben, um was es geht.

Können Sie grob erläutern, wie man vorgeht, wenn man Sketchnotes als Lernmethode nutzt?

Sketchnotes sind vielfältig und auf verschiedenen Ebenen anwendbar.

Eine Möglichkeit ist die Fallarbeit. Anfangs sind Übungsfälle im Studium noch recht übersichtlich. Aber schon bald werden sie umfangreicher und es geht um mehr als nur zwei oder drei Personen. Da können Sketchnotes oder eine visuelle Darstellung hilfreich sein. Man kann Person T, O oder M miteinander in Beziehung setzen, z. B. mit Pfeilen. An diese Pfeile können die jeweilige Handlung und die in Frage kommenden Paragraphen notiert werden. Zusätzlich können eine kurze Übersicht dieser Paragraphen erstellt sowie die klausurrelevanten Themen notiert werden, jeweils gespickt mit kleinen Symbolen. Das können ein einfaches Ausrufezeichen sein oder die Gegenstände, um die es im Fall geht. Diese visuelle Notiz wäre dann ein erstes Gerüst für die schriftliche Ausarbeitung.

Das ist nur eine von vielen Ideen, wie Sketchnotes genutzt werden können.

Darüber hinaus können Sketchnotes als Besprechungsgrundlage für Lerngemeinschaften dienen oder in den Gemeinschaften gemeinsam erstellt werden, wie eine Art Lernlandkarte. Auch wichtige Entscheidungen oder Meinungsstreitigkeiten können ebenfalls mit dieser Methode erschlossen oder versinnbildlicht werden. Die Liste der Anwendungsmöglichkeiten ließe sich noch weiter fortsetzen.

sketchnotes jura

Sie selbst haben ja ein Jurastudium erfolgreich absolviert. Können Sie ungefähr beziffern, um wie viel Prozent sich Ihr Lernerfolg gesteigert hat, nachdem Sie anfingen, Sketchnotes zu nutzen?

Ein Lernerfolg lässt sich schwer in Prozenten beziffern. Ich selbst habe aber bemerkt, dass die Materie für mich übersichtlicher wurde und ich sie mir umso besser einprägen konnte, je mehr ich mit visuellen Elementen gearbeitet habe. Dadurch dass ich es optisch aufbereitet habe, musste ich mich nämlich ganz anders mit dem Inhalt auseinandersetzen. Und das hat bei mir zu einer stärkeren Verankerung geführt.

Gibt es auch Lernbereiche, in denen es sich nicht empfiehlt, Sketchnotes anzuwenden?

Kommt drauf an.

Wenn es um die exakte Wiedergabe von Texten geht, wie bei einer Definition beispielsweise, dann sollte der Text so bleiben wie er ist. Möglich wäre aber, diesen Text mit Symbolen zu ergänzen. Das könnten ein Rahmen für die Definition oder ein kleines Symbol sein, das der Verdeutlichung oder vielleicht Kategorisierung dient.

Auch ein Sachverhalt sollte nicht um wichtige Teile gekürzt werden. Was wiederum möglich wäre ist, wie zuvor schon beschreiben, das Zeichnen von z. B. den beteiligten Personen, relevanten Gegenständen oder eine visuell passend aufbereitete Auflistung der relevanten Paragraphen.

Daran sieht man, dass es hier kein klares Ja oder Nein gibt. Wenn es um visuelle Ergänzungen geht, dann ist es auch in Bereichen, in denen es exakt sein muss – mit Vorsicht – möglich, Sketchnotes zur Verankerung von Wissen zu nutzen.

In welcher Phase des Jurastudiums profitiert man am meisten von Sketchnotes? Ist es besonders für „Erstis“ interessant, die sich zunächst einen Überblick von der Materie machen wollen oder sind Sketchnotes besser, wenn man die riesige Menge an Lernstoff für das Examen abstrahieren und auf den Punkt bringen möchte?

Meiner Meinung nach sind Sketchnotes zu jedem Zeitpunkt im Studium ein geeignetes Mittel, um sich die juristische Materie zu erschließen, sie zusammenzufassen oder damit zu lernen. Der Bedarf wird zu Beginn des Studiums aber wohl ein anderer sein als kurz vor dem Examen.

Am Anfang des Studiums sind es der Grad der Abstraktion, der einen überfordern kann, die Vielzahl an kleinen Fällen oder einfach nur die rein aus Text bestehenden Lehrbücher. Ein paar kleine visuelle Auflockerungen können das auf einfache Weise durchbrechen.

Aber auch den immer stärker zunehmenden Grad an Komplexität und die Menge an Lernstoff kann man mit Hilfe von Sketchnotes versuchen, zu bändigen. Später wird es möglicherweise nicht mehr um das Durchdringen der Materie gehen, sondern vermutlich eher um das Herr Werden des Umfangs.

Gibt es bestimmte „Anfängerfehler“, die man bei Sketchnotes machen kann?

Statt Fehler würde ich es lieber Erfahrungen nennen. So wie beim Erlernen vieler anderer Dinge. Damit diese Erfahrungen positiv bleiben, sollte man sich möglichst nicht unter Druck setzen und denken, dass man sofort alles können oder gar Zeichentalent haben muss. Das Können kommt mit der Übung. Außerdem geht es beim Sketchnoten ja auch gar nicht darum, besonders gut zu zeichnen, sondern darum, Informationen für sich zu notieren, zu sortieren und im besten Fall zu verinnerlichen.

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Besteht beim Visualisieren nicht auch die Gefahr, dass komplexe juristische Sachverhalte zu sehr vereinfacht werden?

Die Reduktion von Komplexität ist beim Sketchnoten eine Option, keine Pflicht. Die Methode kann, muss aber nicht angewendet werden, wenn es nicht ohne Informationsverlust möglich ist. Das Visualisieren kann außerdem schon auf ganz kleiner Ebene stattfinden, die keine Reduktion erfordert. Wenn eine Definition notiert und ein Rahmen drum herum gezeichnet wird, dann findet dadurch keine Vereinfachung statt. Und es ist ja in der Regel auch so, dass jeder, der etwas notiert, egal ob rein in Textform oder in Form von Sketchnotes, entscheiden muss, was er notiert und was nicht. Ein Wortlautprotokoll wird in Vorlesungen üblicherweise ja auch nicht angefertigt.

Was ist mit Menschen, die überhaupt nicht zeichnen können oder wollen?

Zeichnen können ist keine Voraussetzung. Beim Sketchnoten geht es nicht darum, besonders künstlerisch zu arbeiten oder ein besonders detailliertes Bild zu zeichnen. Beim Sketchnoten geht es darum, Informationen zu transportieren mittels einer Kombination aus Text und Symbolen. Und für die einfachen Symbole, die man braucht, gibt es auch eine einfache Zeichentechnik, mit der schnell mitgezeichnet werden kann.

Wer nicht zeichnen will, muss das auch gar nicht. Ein erster Schritt ist das Strukturieren der Inhalte mittels Formgebung. Dafür genügen bereits Bulletpoints (Aufzählungszeichen), Container (Rahmen) oder Pfeile. Mit Bulletpoints lassen sich Dinge in eine Ordnung bringen oder auflisten. Wer sich Problemschwerpunkte notieren möchte, kann z. B. ein rot eingekreistes P vor jede Zeile schreiben statt eines einfachen Spiegelstrichs. Eine Definition ist in der Vorlesungsmitschrift besser erkennbar, wenn Sie eingerückt und durch einen einfachen Rahmen hervorgehoben ist. Pfeile eignen sich unter anderem dazu, Beziehungen herzustellen. Um rechtliche Beziehungen geht es ja in der Regel in den Übungsfällen. Mit einem Rahmen könnte man etwas gruppieren oder hervorheben. Die visuelle Struktur, die mit der inhaltlichen einhergeht, muss nicht zwingend mit dem Zeichnen von Symbolen einhergehen.

Sie selbst vermitteln Sketchnotes als Lernmethode in Seminaren. Wie ist so ein Seminar aufgebaut?

Kommt drauf an. Wenn es ein eintägiger Workshop ist, dann lernen die Teilnehmer die Methode kennen, üben die Basics und zeichnen am Ende des Tages auch ihre ersten eigenen Sketchnotes mit verschiedenen Schriftarten, kleinen Icons und einfachen Figuren. Durch die Übungen finden schon erste Verknüpfungen mit den eigenen Themen statt. Wenn es noch einen zweiten Tag gibt, dann geht es an die Intensivierung des Wissenstransfers. Das Wissen aus dem ersten Tag wird im zweiten Tag auf die eigenen Themen intensiv angewandt. Sketchnotes werden aus dem Themenkomplex der Teilnehmer*innen heraus erstellt.

Bei einem Workshop mit (angehenden) Juristinnen und Juristen würde dies bedeuten, dass an (fiktiven) Fällen, Entscheidungen und ähnlichen Texten die Methode angewandt wird. Mehr verrate ich gerne auf Anfrage. Für beide Tage habe ich meine ganz eigenen Übungen und Methoden entwickelt, um den Teilnehmer*innen das Thema mit Freude, kreativer Leichtigkeit und der nötigen Struktur zugänglich zu machen.

Gibt es noch etwas, das Sie zum Thema hinzufügen möchten?

Ja. Einfach machen.

Liebe Frau Peter, vielen Dank für das Gespräch!

Das Interview führte Bettina Taylor.

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Natalie A. Peter ist Flipchart Artist und Visualisierungstrainerin. Von 2009 bis 2013 war sie wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Universität Bremen, Fachbereich Rechtswissenschaft. 2014 tauschte sie die „spitze Feder“ gegen die Zeichenfeder und ging in die Selbständigkeit. Seitdem konnten durch ihre Flipchart- und Sketchnotes-Seminare in Bremen und andernorts sehr viele Menschen das Vertrauen in ihre eigenen kreativen Fähigkeiten (wieder)entdecken. Weitere Infos: aufganzerlinie.de/ueber-mich

Fotos: ©Natalie A. Peter

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