Bereits vor Jahren wurden immer häufiger Stimmen laut, die einen integrierten Bachelor im Rahmen des Jurastudiums forderten. Das Jurastudium wurde von vielen Jurastudierenden und diversen Interessenverbänden als nicht mehr zeitgemäß bezeichnet. Der psychische Druck sowie die Perspektivlosigkeit im Falle eines nicht bestandenen Examens wollte man nicht länger hinnehmen. Einige Bundesländer haben nun den ersten Schritt gemacht und den integrierten Bachelorabschluss eingeführt. Zudem soll auch ein weiteres Thema endlich Fahrt aufnehmen: die Digitalisierung im Rahmen des Jurastudiums.
Während beispielsweise elektronische Klausuren an vielen Fernuniversitäten bereits Gang und Gebe sind, war dies im Jurastudium in Präsenz, geschweige denn im Examen bisher nicht möglich. Das soll sich nun Stück für Stück ändern. Die meisten Studierenden tippen ohnehin fast ausschließlich in den Vorlesungen, lernen mit digitalen Karteikarten und schreiben kaum noch mit der Hand – es zeichnet sich ein Generationenwechsel ab. Was genau geplant ist, beantwortet dieser Beitrag.
Integrierter Bachelor: Wo ist dieser bereits eingeführt worden?
Da der integrierte Bachelor nicht flächendeckend eingeführt wurde, sondern Universitäten im Grunde selbst bestimmen können, ob sie diesen umsetzen möchten oder nicht, ist die Wahl des Studienplatzes für viele Studienanfänger und -anfängerinnen noch einmal relevanter geworden.
Was ist der integrierte Bachelor eigentlich?
Im Rahmen eines integrierten Bachelors können sich Jurastudierende parallel für ein Jurastudium mit dem Ziel der „Ersten Juristischen Prüfung“ und für den Bachelor of Laws einschreiben. Bei Nichtbestehen des Ersten Staatsexamens stehen Betroffene auf diese Weise nicht komplett ohne Abschluss da, sondern haben nach sechs Semestern einen Abschluss als Bachelor of Laws. Mit diesem Abschluss besteht die Möglichkeit in allen juristischen Feldern tätig zu werden, die die Erste Juristische Prüfung nicht zwingend fordern – beispielsweise in Banken, Versicherungen, Behörden oder auch Unternehmen. Außerdem können sich Bachelor-Absolventen und -Absolventinnen selbstverständlich im Anschluss für einen Master of Laws einschreiben. Sowohl der Bachelor, als auch Master of Laws sind international anerkannte Studiengänge. Der Nachweis befähigt folglich auch für das Arbeiten im Ausland. In Zeiten des Fachkräftemangels sowie der zunehmend internationalen Orientierung in der Berufswelt ist dieser Weg nicht nur für die Studierenden ein Gewinn.
Wo wurde der integrierte Bachelor bereits umgesetzt?
Das Saarland sowie Rheinland-Pfalz haben den integrierten Bachelor für Jurastudierende als Vorreiter bereits eingeführt. Ebenfalls in den meisten anderen Bundesländern wurde die Einführung eines integrierten Bachelors entweder bereits beschlossen oder die Universitäten setzten diesen auf eigene Initiative hin um. Lediglich die beiden südlichsten Bundesländer Bayern und Baden-Württemberg tun sich immer noch schwer mit der Umsetzung und bilden an dieser Stelle das Schlusslicht. Allerdings wurde in Baden-Württemberg Anfang November immerhin auf Antrag der grün-schwarzen Koalition die Neuregelung des Landeshochschulgesetzes (LHG) beschlossen, welche die Einführung des integrierten Bachelors an den juristischen Fakultäten ermöglichen soll. So hat die Universität in Konstanz bereits angekündigt, einen integrierten Bachelor einführen zu wollen. Die Universitäten Tübingen, Heidelberg und Freiburg dagegen wollen von einer Einführung absehen.
Nichts desto trotz merkt man: Es tut sich nach all den Jahren endlich etwas! Dies spiegelt auch das folgende Thema wieder – nämlich die Digitalisierung in der juristischen Ausbildung.
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Setzt sich das E-Examen durch?
Die Digitalisierung hat in den letzten Jahren einen großen Aufschwung erfahren. Auch, wenn Juristinnen und Juristen hier in der Vergangenheit eher zögerlich waren, war es im Grunde nur noch eine Frage der Zeit, bis die Digitalisierung auch im Rahmen der juristischen Ausbildung an Bedeutung gewinnen würde. Die digitale Anfertigung von Examensklausuren bietet dabei viele Vorteile, so dass die Einführung in den meisten Bundesländern immer weiter voran schreitet.
Erstes Staatsexamen als E-Examen: Wo ist dies möglich?
Für das Zweite Staatsexamen machte Sachsen-Anhalt schon vor der entsprechenden Gesetzesänderung ein digitales E-Examen möglich. Bereits seit April 2019 können sich Prüflinge für die Klausuren am Laptop entscheiden. Sachsen und Rheinland-Pfalz führten das E-Examen in der Zweiten Staatsprüfung im Jahr 2021 ein, Thüringen zog im Dezember 2022 nach. 2023 folgten Berlin, Brandenburg und das Saarland. Seit dem 1. Januar 2024 haben auch Prüflinge in Nordrhein-Westfalen die Wahl. Acht Bundesländer haben das E-Examen im Zweiten Examen somit eingeführt, fünf weitere stehen bereits in den Startlöchern. In Berlin entschieden sich dabei 99 Prozent der Prüflinge dafür, die Klausuren am Computer zu schreiben. Bei dieser enormen Resonanz war es an dieser Stelle nur noch eine Frage der Zeit, bis auch das E-Examen für das Erste Staatsexamen ins Gespräch kam. E-Klausuren im Ersten Juristischen Staatsexamen sind bislang in Rheinland-Pfalz, Nordrhein-Westfalen, Thüringen und seit August 2024 auch in Sachsen-Anhalt möglich. Sobald es ausreichende Erfahrungen damit gibt, wollen aber auch weitere Bundesländer das Erste Staatsexamen in digitaler Form anbieten.
Ist das E-Examen freiwillig?
Die Anfertigung elektronischer Klausuren an einem vom Landesjustizprüfungsamt zur Verfügung gestellten Laptop – selbstverständlich ohne Internetzugang – soll in einer Übergangsphase auf freiwilliger Basis erfolgen. So besteht auch weiterhin die Möglichkeit, die Klausuren handschriftlich zu erstellen. Ebenfalls soll zu Übungszwecken bereits im Examensklausurenkurs die Möglichkeit bestehen, anstelle einer handschriftlich abgefassten eine elektronisch angefertigte Klausur zur Korrektur einzureichen. Viele Betroffene berichten, dass sie mit dem Laptop effektiver, strukturierter und schneller arbeiten können und man zudem körperlich weniger beansprucht wird. Die Anfertigung einer digitalen Klausur sorgt auch bei den Examenskorrektoren, die ein saubereres und strukturierteres Schriftbild vor sich haben, für Anklang. Negative Stimmen gibt es natürlich auch. So haben einige Angst vor einem technischen Versagen. Allerdings ist es so, dass der Zwischenstand grundsätzlich alle fünf Sekunden abgespeichert wird. Außerdem ist immer ein Supportmitarbeiter vor Ort, der bei technischen Problemen innerhalb einer Minute den Laptop austauschen soll. So weit die Theorie.
Wie läuft die Testphase wirklich?
Während einer Prüfung im Zweiten Staatsexamen kam es in Bayern gleich bei der ersten Klausur zu zahlreichen Laptop-Ausfällen, weil die Akkulaufzeit für die fünfstündige Klausur nicht reichte und noch vor Beginn der Klausur zahlreiche Fehlermeldungen angezeigt wurden. Die Servicemitarbeiter mussten deshalb zahlreiche Laptops tauschen und nachträglich verkabeln, was einen enormen Zeitaufwand erforderte und ein regelrechtes Chaos verursachte. Letztendlich entschied der bayerische Prüfungsausschuss, dass allen Prüflingen eine Ersatzklausur angeboten werden muss.
Hohes Entwicklungspotenzial mit noch viel Luft nach oben
An der soeben beschriebenen Klausursituation in Bayern sieht man: Das Entwicklungspotenzial ist noch groß, jedoch nicht nur in technischer sowie organisatorischer Hinsicht. So besteht zwar die Möglichkeit, die Klausur quasi an einer „elektronischen Schreibmaschine“ zu verfassen – doch wie sieht es mit einem digitalen Sachverhalt, einem digitalen Zugriff auf Gesetzessammlungen und Kommentarinhalte aus?
Nach Abgabe der Klausur kommt man wohl ebenfalls noch nicht ohne Papierberge aus. Nachdem die Textdateien nämlich vom Landesjustizprüfungsamt gesichert wurden, werden die Prüfungsarbeiten ausgedruckt und zur Korrektur gesendet.
Die Gesetzesbegründung zu § 5d Abs. 6 S. 2 DRiG-E spricht von einem „notwendigen ersten Schritt der perspektivisch anzustrebenden vollständig elektronischen Prüfung“. Das E-Examen in seiner jetzigen Form steckt also noch in den Kinderschuhen und soll nur der Anfang sein. Wie lange es bis zu einer vollständig digitalen Prüfung dauern wird und ob auch der Rest der juristischen Ausbildung digitaler wird, ist noch völlig offen.
Pia Nicklas hat Rechtswissenschaften in Bayreuth und Wirtschaftsrecht an der Fernuniversität Hagen studiert. Sie arbeitete erst als Werkstudentin und nach Ihrem Abschluss als Wirtschaftsjuristin im Fraunhofer-Institut für Integrierte Schaltungen in Erlangen. Nach einem kurzen Ausflug in die Kanzleiwelt und in ein großes Wirtschaftsunternehmen, ist sie seit Anfang 2020 als freiberufliche Fachtexterin im juristischen Bereich tätig.
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