Von Annette Loer
In Teil 1 dieser Artikelreihe wurden die Hintergründe und die wesentlichen Änderungen im Betreuungsrecht behandelt. Im zweiten Teil werden nun einige Einzelvorschriften vorgestellt sowie die neuen gesetzlichen Vorgaben für die Berufsausübung und die gerichtliche Aufsicht.
3.3 Neue Einzelvorschriften – eine Auswahl
Nach diesen allgemeinen Vorschriften differenziert das Gesetz nach Personen- (§§ 1827 – 1834) und Vermögensangelegenheiten (§§ 1835 – 1860). Im Rahmen der Personenangelegenheiten ist zum besseren Schutz der Betreuten die Aufgabe der selbstgenutzten Wohnung neu geregelt (§ 1833) sowie Voraussetzungen der Umgangs- und Aufenthaltsregelungen neu eingeführt (§ 1834). Die Vorschriften zur Gesundheitssorge, zur freiheitsentziehenden Unterbringung und Zwangsbehandlung sind kaum verändert. § 1832 BGB (§ 1906a a.F.) wird derzeit durch das BMJ evaluiert, was möglicherweise eine Änderung der Vorschrift zur Folge haben wird.
Eine Neuregelung hat der Umgang mit Vorsorgevollmachten erfahren (§ 1820 BGB). Weiterhin sieht das Gesetz keine Form- oder Registrierungspflichten vor, nur für besonders eingriffsintensive Befugnisse nach Abs. 2. Um der Missbrauchsgefahr zu begegnen sind in Abs. 3 die Voraussetzungen für die Bestellung eines sog. Kontrollbetreuers genannt. Ein ganz neues Instrument ist die vorübergehende Suspendierung einer Vollmacht in Abs. 4. zur Ermöglichung kurzfristiger Intervention bei einem Missbrauchsverdacht, um den endgültigen Widerruf zu vermeiden. Dieser ist in Abs. 5 geregelt und steht unter einem gerichtlichen Genehmigungsvorbehalt.
Eine Klarstellung hat die transmortale öffentliche Wirkung einer Vorsorgevollmacht bei einer Beglaubigung durch die Betreuungsbehörde in § 7 BtOG erfahren (die Beglaubigungswirkung endet mit dem Tod der Vollmachtgeberin bzw. des Vollmachtgebers – aber nicht rückwirkend).
In der Neuregelung des § 53 ZPO wurde der bestehende Automatismus aufgehoben, nach dem eine betreute Beteiligte verdrängt wurde, sobald die Betreuerin bzw. der Betreuer sie in diesem Verfahren vertreten hat. Somit gilt auch im Zivilprozess dieselbe parallele Doppelkompetenz wie im übrigen Rechtsverkehr. Bei einer Gefährdung kann aber die Betreuerin oder der Betreuer eine sog. Ausschließlichkeitserklärung abgeben. Die Änderung ist von großer Bedeutung, da nicht nur die meisten Prozessordnungen auf § 53 ZPO verweisen, sondern auch Verwaltungsverfahrensordnungen, siehe z. B. § 11 SGB X. In Ergänzung sieht der neue § 170a ZPO eine Erweiterung der Zustellungspflicht vor, § 6 VwZG entsprechend.
3.4 Qualität: Registrierung bei der örtlich zuständigen Betreuungsbehörde
Vor 30 Jahren waren weder die enorm steigenden Zahlen der rechtlichen Betreuungen noch die Ausbildung eines Berufsstandes absehbar. Derzeit werden knapp die Hälfte aller Betreuungen beruflich geführt, davon ein nicht geringer Anteil durch Anwältinnen bzw. Anwälte. Bisher gab es keinerlei gesetzliche Vorgaben für die Rahmenbedingungen, diesen Beruf ausüben zu können. Voraussetzung für die Bestellung als beruflicher Betreuer oder Betreuerin und damit für den Anspruch auf eine Vergütung ist nun eine Registrierung bei der örtlich zuständigen Betreuungsbehörde als Stammbehörde.
Nach § 23 BtOG kann sich nur registrieren lassen, wer über die persönliche Eignung und Zuverlässigkeit sowie ausreichende Sachkunde für die Tätigkeit als beruflicher Betreuer verfügt. Die nachzuweisende Sachkunde umfasst Kenntnisse des Betreuungs- und Unterbringungsrechts, des dazugehörigen Verfahrensrechts sowie auf den Gebieten der Personen- und Vermögenssorge, Kenntnisse des sozialrechtlichen Unterstützungssystems und Kenntnisse der Kommunikation mit Personen mit Erkrankungen und Behinderungen und von Methoden zur Unterstützung bei der Entscheidungsfindung (§ 23 Abs. 3 BtOG), siehe zu Übergangs- und Bestandsschutzregeln § 32 Abs. 2 BtOG.
Zukünftig müssen sich also auch Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte bei ihrer Stammbehörde registrieren lassen, wenn sie Betreuungen beruflich führen wollen und damit einen Vergütungsanspruch nach § 7 Abs. 1 VBVG i.V.m. § 19 Abs. 2 BtOG geltend machen wollen. Es ist nicht mehr die Entscheidung des Betreuungsgerichts bei der Bestellung. In der Registrierungsverordnung ist allerdings geregelt, dass bei Antragstellern mit der Befähigung zum Richteramt die für die Registrierung erforderliche Sachkunde als nachgewiesen gilt, siehe § 7 Abs. 6 BtRegV. Rechtsanwältinnen oder Rechtsanwälte müssen also keine weiteren betreuungsspezifischen Kenntnisse nachweisen. Die Teilnahme an einzelnen Modulen der angebotenen Sachkundelehrgänge sei dennoch empfohlen.
Ehrenamtliche Betreuerinnen und Betreuer werden stärker als bisher an die Betreuungsvereine angebunden, um sie besser in ihrer Tätigkeit zu unterstützen und um ihnen die Grundlagen ihrer Aufgabe zu vermitteln. Sie können künftig eine Vereinbarung über eine Begleitung und Unterstützung mit einem anerkannten Verein abschließen. Wer keine familiäre Beziehung oder persönliche Bindung zur betreuten Person hat, darf in der Regel nur bestellt werden, wenn eine solche Vereinbarung nachgewiesen ist, § 22 BtOG.
3.5 Gerichtliche Aufsicht
Schließlich muss auch das Betreuungsgericht in Ausübung seiner Aufsichts- und Kontrollfunktion das Selbstbestimmungsrecht der Betreuten, ihre Wünsche und Vorstellungen, mehr in den Fokus nehmen als bisher. Daher wurden u. a. die Berichtspflichten der Betreuerinnen und Betreuer konkretisiert, § 1863 BGB. Bestehen Anhaltspunkte, dass diese den Wünschen der betreuten Person nicht oder nicht in geeigneter Weise nachkommen, besteht grundsätzlich die Pflicht der Rechtspflegerin oder des zuständigen Rechtspflegers, die betreute Person persönlich anzuhören (§ 1862 BGB).
Zuletzt ein Zitat des Bundesjustizministers Herrn Dr. Buschmann auf der Homepage des BMJ in Rahmen einer Öffentlichkeitskampagne:
„Im Mittelpunkt des neuen Betreuungsrechts stehen die Wünsche der Betroffenen. Und genau da gehören sie hin: Denn alle Menschen haben einen Anspruch auf Selbstbestimmung und Würde – auch diejenigen, die ihre Angelegenheiten nur begrenzt selbst regeln können.“
Annette Loer ist seit über 25 Jahren Betreuungsrichterin am Amtsgericht Hannover. Sie ist Vorstandsmitglied des Betreuungsgerichtstages e.V., einem interdisziplinären Fachverband im Betreuungswesen. 2020 und 2021 war sie abgeordnet ans BMJV ins Referat Betreuungsrecht und hat an der Erarbeitung der Reform mitgearbeitet.