Reisekosten Anwalt

Neues Urteil vom 09.05.2018: BGH entscheidet zur Reisekostenerstattung des auswärtigen Anwalts

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Zur Erstattungsfähigkeit der Reisekosten eines Anwalts, der nicht im Gerichtsbezirk ansässig ist, gibt es Neuigkeiten.

Dass die Reisekosten eines im Gerichtsbezirk niedergelassenen Anwalts immer erstattungsfähig sind, unabhängig davon, ob er am Gerichtsort ansässig ist oder nicht, hat sich zwischenzeitlich durchgesetzt. Die gesetzliche Regelung in § 91 Abs. 2 S. 1 ZPO ist insoweit eindeutig (zuletzt LG Bonn).

Die Reisekosten eines Anwalts, der seine Kanzlei im Gerichtsbezirk hat, allerdings an einem anderen Ort als das Gericht, sind ohne Notwendigkeitsprüfung zu erstatten.
LG Bonn, Beschl. v. 11.12,2015 – 30 O 3/15, AGS 2016, 31 = AnwBl 2016, 361 = DAR 2016, 296 = NZFam 2016, 187 = NJW-Spezial 2016, 187 = RVGprof. 2016, 81

Problematisch ist aber nach wie vor die Frage, in welchem Umfang die Reisekosten eines Anwalts zu erstatten sind, der seine Kanzlei nicht im Gerichtsbezirk hat und dessen Hinzuziehung auch nicht aus besonderen Gründen notwendig war.

Die ganz überwiegende Rechtsprechung erstattet die Reisekosten des Anwalts außerhalb des Gerichtsbezirks bis zur höchstmöglichen Entfernung innerhalb des Gerichtsbezirks, was dazu führen kann, dass die Reisekosten des auswärtigen Anwalts in vollem Umfang erstattungsfähig sind. Dies ist auch zutreffend. Wenn die Kosten eines im Gerichtsbezirk weiter entfernten Anwalts erstattungsfähig sind, dann müssen es die geringeren Reisekosten eines auswärtigen Anwalts erst recht sein.

Die angemeldeten Fahrtkosten eines nicht am Gerichtsort und in einem anderen Gerichtsbezirk ansässigen Rechtsanwalts sind im Rahmen von § 91 ZPO nicht in voller Höhe erstattungsfähig, sondern nur insoweit, als sie die Reisekosten eines Hauptbevollmächtigten am Wohnsitz der Partei zum Prozessort nicht übersteigen, wobei die Höhe der weitesten Entfernung innerhalb des Gerichtsbezirks insgesamt die Höchstgrenze darstellt (Anschluss OLG Köln, 25. November 2015, I-17 W 247/15, MDR 2016, 184).

AG Waldbröl, Beschl. v. 25.4.2017 – 15 C 114/14, AGS 2017, 258 = NJW-Spezial 2017, 445

Es gibt allerdings auch Gerichte, die anders entschieden haben, so das OLG Karlsruhe.

Reisekosten eines nicht im Bezirk des Verfahrensgerichts (Prozessgerichts) niedergelassenen Rechtsanwalts, dessen Beauftragung nicht notwendig war, sind nicht erstattungsfähig, auch nicht in Höhe der fiktiven Reisekosten eines fiktiven Bevollmächtigten mit Niederlassung am weitesten entfernt gelegenen Ort innerhalb des Gerichtsbezirks.
OLG Karlsruhe, Beschl. v. 25.4.2017 – 20 WF 58/17, MDR 2017, 730 u.
934 = FamRZ 2017, 1417 = RVGreport 2017, 347 = FF 2017, 466

Das OLG Karlsruhe hatte sogar die Rechtsbeschwerde zugelassen, die aber leider nicht eingelegt worden ist. Andernfalls hätte der BGH diese Frage endlich abschließend klären können.

Das OLG Frankfurt ist sich uneins. Während der 25. Senat eine Kostenerstattung bis zur höchstmöglichen Entfernung innerhalb des Gerichtsbezirks annimmt, lehnt der 6. Senat diese Rechtsprechung ab.

Wenn ein Rechtsanwalt, der seinen Sitz nicht am Gerichtsort, aber im Gerichtsbezirk hat, nicht als Rechtsanwalt am „dritten Ort“ zu behandeln ist und daher seine Reisekosten zum Gerichtsort stets zu erstatten sind, muss für die fiktive Berechnung der Reisekosten eines außerhalb des Gerichtsbezirkes ansässigen Rechtsanwalts darauf abgestellt werden, dass die Reisekosten eines im Gerichtsbezirk ansässigen Rechtsanwaltes in jedem Fall hätten angesetzt werden können. Daher ist das Kriterium der Notwendigkeit i.S.v. § 91 Abs. 2 S. 1 ZPO für auswärtige Rechtsanwälte so zu verstehen, dass zumindest die Fahrtkosten vom Gerichtsort bis zur Gerichtsbezirksgrenze als erforderlich anzusehen und ohne Notwendigkeitsprüfung zuzuerkennen sind.
OLG Frankfurt, Beschl. v. 23.3.2015 – 25 W 17/15, AGS 2017, 101

Die Reisekosten eines nicht im Bezirk des Prozessgerichts ansässigen Rechtsanwalts, dessen Beauftragung nicht notwendig war, sind auch nicht in Höhe der – fiktiven – Kosten erstattungsfähig, die bei der Anreise eines am weitest entfernten Ort im Gerichtsbezirk ansässigen Rechtsanwalts entstanden wären.
Das AG Frankfurt bejaht dagegen wiederum die Erstattungsfähigkeit.

Bei Beauftragung eines Rechtsanwalts mit Kanzleisitz außerhalb des Gerichtsbezirks durch eine im Gerichtsbezirk ansässige Partei sind dessen (tatsächlich entstandenen) Reisekosten lediglich bis zur größtmöglichen Entfernung von Kanzlei- und Gerichtsort innerhalb des Gerichtsbezirks erstattungsfähig (Anschluss OLG Frankfurt, 23.3.2015 – 25 W 17/15).
AG Frankfurt, Beschl. v. 18.1.2017 – 30 C 594/16 (47), AGS 2017, 257

Häufig wurde in der Strafgerichtsbarkeit eine Erstattung abgelehnt mit der Begründung, die Rechtsprechung der Zivilgerichte sei auf das Strafrecht nicht übertragbar. Dies ist jedoch unzutreffend, da kraft ausdrücklicher Verweisung in § 464a Abs. 2 Nr. 2 StPO die Vorschrift des § 91 Abs. 2 ZPO auch in Strafsachen gilt. Dies ist zwischenzeitlich auch von der Rechtsprechung in Strafsachen erkannt worden, so dass entsprechende Entscheidungen vorliegen.

Das Kriterium der Notwendigkeit i.S.v. § 91 Abs. 2 S. 1 ZPO darf bei der Abrechnung von Reisekosten nicht zu einer Schlechterstellung von außerhalb des Bezirks ansässigen Rechtsanwälten führen. Diese können daher bei überschießenden Kosten zumindest denjenigen Betrag in Ansatz bringen, der bei Beauftragung eines bezirksansässigen Rechtsanwalts maximal entstanden wäre.
LG Heilbronn, Beschl. v. 21.10.2016 – 8 Qs 31/16, AGS 2017, 102 = NJW-Spezial 2017, 60 = RVGprof. 2017, 57 = RVGreport 2017, 174

Gleiches gilt in Bußgeldsachen.

Reisekosten eines nicht im Bezirk des Gerichts niedergelassenen Anwalts sind bis zur höchstmöglichen Entfernung innerhalb des Gerichtsbezirks zu erstatten.
AG Aschaffenburg, Beschl. v. 23.6.2017 – 333 OWi 125 Js 9560/16, AGS 2017, 493 = NJW-Spezial 2017, 700

In verwaltungsrechtlichen Angelegenheiten gibt es grundsätzlich keine Beschränkung der Erstattungsfähigkeit von Reisekosten (BVerwG NJW 2007, 3656 = RVGreport 2008, 65). Häufig wird aber auch hier im Rahmen der allgemeinen Notwendigkeit auf die Kosten eines Anwalts im Gerichtsbezirk abgestellt. Auch hier gewährt die Rechtsprechung allerdings bei einem Anwalt außerhalb des Gerichtsbezirks die Kostenerstattung bis zur höchstmöglichen Entfernung im Bezirk.

  1. Ist die Beauftragung eines außerhalb des Gerichtsbezirks ansässigen Rechtsanwalts nicht notwendig, sind zumindest diejenigen Reisekosten erstattungsfähig, die bei einer (fiktiven) Anreise des Prozessbevollmächtigten von dem am weitesten vom Gerichtssitz entfernten Ort des Gerichtsbezirks entstanden wären.
  2. Dabei bildet die Höhe der tatsächlich entstandenen Reisekosten des auswärtigen Prozessbevollmächtigten die Grenze der Erstattungsfähigkeit.

VG Magdeburg, Urt. v. 27.1.2017 – 3 E 299/16, AGS 2017, 306

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