Das OLG Oldenburg (Beschl. v. 28.2.2017 – 6 W 12/17, AGS 2017, 176) hatte sich mit der Frage zu befassen, ob im einstweiligen Verfügungsverfahren eine fiktive Terminsgebühr nach Anm. Abs. 1 Nr. 1 zu Nr. 3104 VV anfallen kann.

Zugrunde lag folgender Fall:

Der Antragsteller hatte vor dem LG den Erlass einer einstweiligen Verfügung beantragt. Der Antragsgegner hat daraufhin den Verfügungsantrag anerkannt, so dass das Landgericht im schriftlichen Verfahren ein Anerkenntnisurteil erlassen hat. Im nachfolgenden Kostenfestsetzungsverfahren machte der Antragsteller auch eine 1,2-Terminsgebühr nach Anm. Abs. 1 Nr. 1 zu Nr. 3104 VV geltend. Der Antragsgegner ist dem entgegengetreten, da nach seiner Auffassung in einem einstweiligen Verfügungsverfahren eine mündliche Verhandlung nicht vorgeschrieben sei, so dass hier auch bei Erlass eines Anerkenntnisurteils keine (fiktive) Terminsgebühr anfallen könne.

Das OLG hat die Terminsgebühr unter Berufung auf die Entscheidung des BGH (NJW 2012, 459) zugesprochen. Ein Verfahren mit vorgeschriebener mündlicher Verhandlung liege nämlich nicht nur dann vor, wenn von vornherein die mündliche Verhandlung vorgeschrieben sei, sondern auch dann, wenn die Parteien durch nachträgliche Anträge die Durchführung der mündlichen Verhandlung erzwingen könnten. Da im einstweiligen Verfügungsverfahren nach §§ 936, 924, 925 ZPO die Möglichkeit bestehe, durch einen Widerspruch eine mündliche Verhandlung zu erzwingen, handele es sich somit um ein Verfahren mit vorgeschriebener mündlicher Verhandlung, so dass Anm. Abs. 1 Nr. 1 zu Nr. 3104 VV anwendbar sei (ebenso bereits OLG Zweibrücken AGS 2015, 16 = RVGreport 2015, 20).

Die Entscheidung des OLG Oldenburg ist zwar im Ergebnis richtig. Das OLG übersieht jedoch, dass es sich bei einem Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Verfügung von vornherein um ein Verfahren mit vorgeschriebener mündlicher Verhandlung handelt (KG NJW-RR 1992, 576; OLG Köln NJW-RR 2002, 1596; Zöller/Vollkommer, ZPO, 31. Aufl. 2016, § 937 Rn 3; Musielak/Drescher, ZPO, 14. Aufl. 2017, § 937 Rn 4). Es gilt hier zunächst einmal § 128 Abs. 1 ZPO, wonach grundsätzlich mündlich zu verhandeln ist. Anders als im Prozesskostenhilfeverfahren (§ 117 Abs. 1 ZPO) ist nicht vorgeschrieben, dass ohne mündliche Verhandlung zu entscheiden ist. Es ist auch nicht wie in einem selbstständigen Beweisverfahren (§ 490 Abs. 1 ZPO) grundsätzlich durch Beschluss und damit ohne mündliche Verhandlung (§ 128 Abs. 4 ZPO) zu entscheiden. Im Gegensatz zu den Arrestverfahren steht es dem Gericht auch nicht nach § 922 Abs. 1 S. 1 ZPO frei, ob es durch Urteil oder durch Beschluss entscheidet und damit ohne mündliche Verhandlung (§ 128 Abs. 4 ZPO). Die Regelung des § 922 Abs. 1 S. 1 ZPO gilt hier über § 936 ZPO nicht, da § 937 Abs. 2 ZPO etwas anderes vorsieht. Danach ist eine Entscheidung ohne mündliche Verhandlung in einstweiligen Verfügungsverfahren nur zulässig, wenn der Antrag zurückgewiesen wird oder eine Dringlichkeit besteht. Gerade aus dieser Ausnahmeregelung des § 937 Abs. 2 ZPO folgt, dass die mündliche Verhandlung grundsätzlich vorgeschrieben ist. Anderenfalls bedürfte es dieser Ausnahmeregelung nicht. Das bedeutet, dass es sich bei einem Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Verfügung immer um ein Verfahren mit vorgeschriebener mündlicher Verhandlung handelt.

Ergeht ein Anerkenntnisurteil oder schließen die Parteien einen schriftlichen Vergleich, dann fällt die 1,2-Terminsgebühr nach Anm. Abs. 1 Nr. 1 zu Nr. 3104 VV an.

Die bloße Entscheidung über den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung ohne mündliche Verhandlung im Falle der Zurückweisung oder der Dringlichkeit (§ 937 Abs. 2 ZPO) löst allerdings keine Terminsgebühr aus, weil es dann an der weiteren Voraussetzung der Anm. Abs. 1 Nr. 1 zu Nr. 3104 VV fehlt, nämlich dass die mündliche Verhandlung nur aufgrund des Einverständnisses der Parteien entbehrlich ist. In diesem Fall benötigt das Gericht nicht das Einverständnis der Parteien, um im schriftlichen Verfahren zu entscheiden.

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