Demografischer Wandel und Fachkräftemangel führen dazu, dass Menschen mit Behinderungen für den Arbeitsmarkt relevanter werden. Somit verliert auch das SGB IX, das durch das Bundesteilhabegesetz (BTHG) in mehreren Stufen umfassend reformiert wird, an „Exotenstatus“. Diese Punkte sollten Sie berücksichtigen, wenn das Thema (Schwer-)Behinderung Ihren Mandanten betrifft:

Anhaltspunkte für die Relevanz des Themas Schwerbehinderung in der anwaltlichen (Arbeitnehmer-) Beratung:

  • Mandant berichtet über gesundheitliche Einschränkungen
  • Mandant spricht über Leistungsdruck, Arbeitsverdichtung, nachlassende Kräfte
  • Längere Arbeitsunfähigkeitszeiten
  • Erhalt einer Kündigung

Wann spricht man von Behinderung nach § 2 SGB IX?

Eine Behinderung

  • kann körperlicher, geistiger oder seelischer Natur sein,
  • muss länger als sechs Monate bestehen und
  • abweichend vom alterstypischen Zustand sein.

Es wird unterschieden zwischen

  • Behinderung nach Abs. 1, Grad der Behinderung (GdB) 20 bis 45, Teilhabe beeinträchtigt oder Beeinträchtigung zu erwarten,
  • Schwerbehinderung nach Abs. 2, Grad der Behinderung (GdB) mindestens 50 bis 100,
  • Gleichstellung nach Abs. 3, dann GdB mindestens 30 und Gefährdung des Arbeitsplatzes.

Die Eigenschaft der Behinderung nach § 2 SGB IX tritt kraft Gesetzes ein.

Dies ist bei der anwaltlichen Beratung und Vertretung in folgenden Verfahren zu beachten:

Antragsverfahren

Widerspruchsverfahren

  • Frist notieren: einen Monat nach Bekanntgabe, § 84 SGG
  • Widerspruch einlegen und Akteneinsicht nach § 25 SGB X beantragen, danach Widerspruch begründen. Wichtige Argumente:
    – Konkrete Auseinandersetzung mit Bewertung des GdB, oft werden nicht alle Gesundheitsbeeinträchtigungen in die Bewertung einbezogen
    – Detaillierte Darstellung der behinderungsbedingten Beeinträchtigung in Alltag und Erwerbsleben (Mehraufwand, Hilfe Dritter)
    – Aktuelle Befundberichte oder Befundberichte der Zweitmeinung vorlegen
  • Gibt es nach drei Monaten keinen Widerspruchsbescheid, Möglichkeit der Untätigkeitsklage nach § 88 Abs. 2 SGG
  • War Widerspruch erfolgreich, ergeht Abhilfebescheid nach § 85 Abs. 1 SGG, dann nicht vergessen, (RA-)Kostenerstattung nach § 63 SGB X zu beantragen

Klageverfahren beim SG

  • War Widerspruch erfolglos, Klagefrist nach § 87 Abs. 3 SGG notieren: einen Monat ab Bekanntgabe
  • RA-Kosten: ggfs. Deckungszusage bei RSV beantragen
  • Anträge und Begründung spätestens mit Aufforderung und Fristsetzung durch das SG, § 92 Abs. 2 SGG, Wiedergabe des bisherigen Sachverhalts sowie einzelne Angriffsmittel und Beweisantritte
  • Keine Bindung des SG an gestellte Anträge, Amtsermittlungsgrundsatz nach §106 SGG

Alternative zu Widerspruch und Klage

  • Mandanten empfehlen, neuen Verschlechterungsantrag zu stellen, wenn neue Beeinträchtigungen dazu kommen oder bereits vorhandene sich verschlimmern.

Antrag auf Gleichstellung

  • Zuständig ist die BA für Arbeit (siehe auch: https://www.arbeitsagentur.de/menschen-mit-behinderungen/gleichstellung)
  • Möglich ab GdB 30, jedoch unter 50
  • Kausalen Zusammenhang zwischen Gefährdung des Arbeitsplatzes (z.B. Drohung mit Kündigung, Gehaltskürzung wegen Minderleistung etc.) und Behinderung darlegen
  • Angabe der Fehlzeiten wg. Behinderung (Bescheinigung der Krankenkasse)
  • Folge: Kündigungsschutz

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