Bei der Nutzung des besonderen elektronischen Anwaltspostfachs (beA) können sich Fehler einschleichen, die ein erhebliches Haftungsrisiko darstellen. Im Nachfolgenden sollen mögliche Haftungsgefahren dargestellt werden. Ein Anspruch auf Vollständigkeit besteht natürlich nicht.

1. Unterschriftserfordernis nicht beachtet

Auch künftig müssen Schriftsätze vom Anwalt „unterschrieben“ werden. Selbst wenn im Zeitalter der Digitalisierung irgendwann die eigenhändige Unterschrift wegfällt, muss für das Gericht gewährleistet sein, zu erkennen, ob der den Schriftsatz einreichende Anwalt diesen verantwortet und so und nicht anders einreichen wollte. Wie beim Fehlen der eigenhändigen Unterschrift hat auch das Fehlen der „elektronischen Unterschrift“ zur Folge, dass keine wirksame Schriftsatzeinreichung vorliegt. Hierauf ist daher zu achten; die Büroorganisation ist auf die geänderten Anforderungen im elektronischen Zeitalter frühzeitig einzustellen. Die zu leistenden elektronischen Signaturen sind im letzten MkG-Infobrief behandelt worden.

2. Gericht ist noch nicht für den ERV eröffnet

Ob ein Schriftsatz überhaupt elektronisch eingereicht werden darf, hängt gem. § 130a Abs. 2 ZPO davon ab, ob der elektronische Rechtsverkehr bei dem angerufenen Gericht bereits durch Rechtsverordnung eröffnet worden ist. Es kommt also nicht darauf an, ob das Gericht über einen elektronischen Briefkasten verfügt, so dass rein technisch die Möglichkeit zur Einreichung besteht. Entscheidend ist, ob auch rechtlich eine Einreichung möglich ist. Hierauf ist nicht nur bis zum 31.12.2017 zu achten (bis dahin gilt § 130a Abs. 2 ZPO in der bisherigen Fassung uneingeschränkt in ganz Deutschland). Dies ist, wenn ein Schriftsatz ab dem 1.1.2018 eingereicht werden soll, auch dann zu beachten, wenn ein Bundesland von der sogenannten Opt-out-Klausel Gebrauch gemacht hat und das Inkrafttreten der ab 1.1.2018 geltenden Fassung des § 130a ZPO um ein oder zwei Jahre nach hinten verschoben hat. Wird dies nicht beachtet, scheidet eine Wiedereinsetzung aus.[1]

3. Formelle Voraussetzungen werden mit materiell-rechtlichen gleichgesetzt

Ist nach materiellem Recht Schriftform vorgeschrieben, kann diese durch die elektronische Form ersetzt werden, § 126a BGB, wenn eine qualifizierte elektronische Signatur angebracht wird. Von dieser Ersetzungsmöglichkeit gibt es Ausnahmen. Nach § 130a ZPO kann die Anbringung der qeS künftig durch die Kombination „einfache elektronische Signatur + Nutzung des beA als sicherer Übermittlungsweg“ ersetzt werden. Dies gilt jedoch nur für das formelle Recht. Eine Ersetzung der Schriftform durch Nutzung des beA im materiellen Recht ist nicht möglich. Sollte daher mit dem Schriftsatz eine materiell-rechtliche Erklärung abgegeben werden (z. B. bestimmte Anfechtungserklärungen), für die die Schriftform vorgeschrieben ist, ist zu prüfen, ob die Schriftform durch qeS in diesem Fall ersetzt werden kann. Die Nutzung des beA kann die Schriftform hier nicht ersetzen.

4. Fehlende Kenntnisnahme von Schriftsätzen und Ladungen zum Termin

Der elektronische Rechtsverkehr startet im „Vollbild“ ab 1.1.2018. Ein denkbar ungünstiges Datum, sind doch zu diesem Zeitpunkt die Kanzleien häufig wegen der Weihnachtsferien unterbesetzt. § 31 RAVPV, der erlaubt, Eingangspost bis zum 31.12.2017 unter bestimmten Voraussetzungen (beA noch nicht für Zustellungen und den Zugang von Mitteilungen gewidmet) zu ignorieren, wird zum 1.1.2018 wieder aufgehoben.[2] An seine Stelle tritt dann § 31a Abs. 6 BRAO-E,[3] der die Kenntnisnahme von eingegangener Post ab 1.1.2018 fordert. Da bereits seit dem 28.11.2016 das beA des Anwalts empfangsbereit ist, ist nicht ausgeschlossen, dass sich im beA am 1.1.2018 bereits „alte“ Post befindet. Diese muss zur Kenntnis genommen werden.

Im Hinblick auf Ladungsfristen etc. ist daher zu prüfen, ob diese „alte“ Post bereits in Papierform in der Kanzlei eingegangen und bearbeitet ist. Als denkbares haftungsträchtiges Szenario wurde die fehlende Kenntnisnahme einer Ladung zur Hauptverhandlung via beA schon früh angeführt.[4] Hier ist Sorge dafür zu tragen, dass alle Vorbereitungen zum beA abgeschlossen sind und eine Kenntnisnahme nicht deswegen unmöglich ist, weil technische Probleme bestehen. Aus diversen Internetforen und eigener Praxiserfahrung lässt sich berichten, dass die Inbetriebnahme des beA nicht immer reibungslos verläuft. Anwälte sollten m. E. daher spätestens im Herbst 2017 damit beginnen, ihr beA kennenzulernen. Wer will schon Anfang Januar 2018 einen IT-Fachmann suchen müssen. Viele werden sich in dieser Zeit wohl im Winterurlaub befinden. Noch heute haben nicht alle Anwälte ihre beA-Karten bestellt; die Erstregistrierung sollen bisher nur wenige Prozent vorgenommen haben (wenngleich diese unschädlich im Sinne des § 31 RAVPV ist), ein noch geringerer Anteil ist tatsächlich „beA-ready“.


[1] OLG Düsseldorf, Urt. v. 24.7.2013 – U (Kart) 48/12 AnwBl 2014, 91 = BeckRS 2013, 13235 = AnwBl 2014, 91 = Sandkühler, BRAK-Mitt 2014, 107; BGH v. 23.9.2014 – KZR 57/13, zitiert nach Viefhues, Elektronischer Rechtsverkehr, Ausgabe 3, Rn 65, S. 22..

[2] BT-Drucks 18/9521 v. 5.9.2016 – Regierungsentwurf eines Gesetzes zur Umsetzung der Berufsanerkennungsrichtlinie und zur Änderung weiterer Vorschriften im Bereich der rechtsberatenden Berufe, Art. 20 Nr. 14 i.V.m. Art. 21 Abs. 4 Nr. 5.

[3] Vgl. Fn. 2; noch nicht verabschiedet zum Zeitpunkt der Veröffentlichung; hat jedoch am 8.3.2017 den Rechtsausschuss passiert, wird im Bundestag wohl in 2. u. 3. Lesung am 23.3.2017 behandelt werden; kann am 31.3.2017 im Bundesrat seine Zustimmung finden und wird voraussichtlich im April im BGBl verkündet und tags darauf in Kraft treten.

[4] Brosch/Sandkühler, Das besondere elektronische Anwaltspostfach – Nutzungsobliegenheiten, Funktionen und Sicherheit, NJW 2015, 2761, re. Sp.

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