Montagmorgen, 9.00 Uhr. Auf dem Weg ins Büro kommen mir schon im Foyer des Gebäudes mehrere Personen am Aufzug entgegen und wedeln mit einem gelben Umschlag. Einen Termin haben sie nicht. Wir fahren zusammen hoch ins Büro und ich werfe einen Blick auf die Unterlagen. Es handelt sich um den Ablehnungsbescheid einer afghanischen Großfamilie, die nun nicht mehr viel Zeit hat, gegen diesen Bescheid vorzugehen. Heute haben die Familie und ich Glück, wenn man in solchen Fällen überhaupt von Glück sprechen kann: Es handelt sich um einen einfachen Ablehnungsbescheid, was bedeutet, dass wir zwei Wochen Zeit für die Klage haben und nicht nur eine. Außerdem hat die Klage auch aufschiebende Wirkung, was das Verfahren erheblich vereinfacht und der Familie erst mal ihren Verbleib in Deutschland sichert, bis über die Klage entschieden wurde.

Die Klagebegründung muss innerhalb eines Monats eingehen, allerdings kann hier noch später eine Begründung nachgereicht werden. Alles in allem also erst mal eine schnell erledigte Arbeit. Dies bedeutet aber nicht, dass es nicht in Zukunft noch arbeitsintensiv werden kann. Insbesondere die Aufarbeitung der Fluchtgeschichte ist zeitaufwändig. Auch die weitere Betreuung der Familie wird Zeit in Anspruch nehmen. Es werden Fragen aufkommen wie: Welche möglichen Entscheidungen gibt es? Haben wir überhaupt Chancen? Wie lange dauert das alles?

Insbesondere diese letzte Frage wird immer wieder gestellt und stellt die Mandanten – aber auch mich als Rechtsanwalt – auf eine harte Probe, da ich hierauf nicht viel erwidern kann. Die Verfahren beim Verwaltungsgericht dauern derzeit durchschnittlich ein Jahr. Erst dann kommt es zur mündlichen Verhandlung und danach zur Entscheidung. Dies bedeutet zumindest in dem dargestellten Fall zwar auch, dass die Familie sicher ist und ihr bis zum Ende des Verfahrens aufgrund der aufschiebenden Wirkung der Klage nichts passieren kann, allerdings zerrt die Gesamtsituation sehr an den Nerven. Es werden also immer wieder Anrufe und Nachfragen folgen, was es denn Neues gebe, und dies ist bei der Menge der Verfahren auch für den Anwalt durchaus eine Herausforderung.

Der oben geschilderte Fall stellt derzeit im Alltag eines Rechtsanwaltes für Migrationsrecht keine Seltenheit, sondern eher die Regel dar. Es kommen immer wieder Leute ohne Termin und möchten vertreten werden. Selbstverständlich zusätzlich zu denen, die mit Termin kommen, telefonisch oder per E-Mail nachfragen. Kurz gesagt: Es gibt eine große Nachfrage!

Dies bedeutet, dass man als Rechtsanwalt entscheiden muss, ob man alle Fälle annimmt oder ob man selektiert bzw. eventuell sogar einen Annahmestopp ausruft. Dies tun derzeit sehr viele Migrationsrechtsanwälte, da die Masse an Fällen sonst einfach nicht zu bewältigen ist. Das bedeutet aber auch, dass es für die Hilfesuchenden immer schwerer wird, einen spezialisierten Anwalt zu finden. Das größte Problem hierbei sind die Fristen. Diese sind, wie oben schon kurz angedeutet, extrem kurz, ja, so kurz wie in keinem anderen Rechtsgebiet.

In den normalen Fällen beträgt die Klagefrist noch zwei Wochen. In anderen Fällen (z. B. Dublin-III-Verordnung oder offensichtliche Unbegründetheit) beträgt die Frist aber nur eine Woche. Zusätzlich haben diese Klagen keine aufschiebende Wirkung, das heißt, es muss auch noch ein Eilantrag gestellt werden. Da dieser vom Gericht meist umgehend oder zumindest in einigen Wochen entschieden wird, ist hier auch mehr oder weniger sofort eine Begründung nötig. Dies führt natürlich zu weiterem Stress.

Hinzu kommt, dass die Materie extrem komplex und somit auch sehr zeitaufwändig ist und viel Recherche betrieben werden muss.

Alles in allem ist die Situation somit sehr angespannt: Als Anwalt steht man ständig unter Druck – sowohl seitens der Mandanten, die Fortschritte sehen möchten, als auch seitens der Gerichte und Behörden. Der Zeitdruck ist immens.

Es hilft somit nur eine gute Organisation und ein dickes Fell. Die Arbeitstage sind nicht selten zwölf Stunden oder noch länger. Ich habe festgestellt, dass Abschalten nach einem solchen Tag sehr wichtig ist. Daher treibe ich regelmäßig Sport und treffe auch Freunde, um auf andere Gedanken zu kommen. Nur so hat man als Anwalt in diesem Rechtsgebiet auch am nächsten Tag wieder die Kraft, den Mandanten hilfreich zur Seite zu stehen.

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