In der Arbeitswelt ist Digitalisierung seit Jahrzehnten kein Fremdwort mehr. Der technologische Fortschritt hat aufgrund von zunehmender Vernetzung von Menschen und Objekten untereinander, sowie mit dem Internet in den letzten Jahren jedoch rasant an Geschwindigkeit zugenommen. Eines der Schlagwörter inmitten des digitalen Wandels ist „Flexibilisierung“. Dieser Beitrag skizziert, welche Anforderungen die fortschreitende Flexibilisierung der Arbeit bereits heute an das Arbeitsrecht stellt.

Der Wandel zur zunehmend digitalen Wirtschaft wirkt sich hinsichtlich der Interaktion von Mensch und Technologie nachhaltig aus und verändert unser Verständnis von Arbeit grundlegend. Insbesondere dort, wo neue Organisationsformen und Arbeitsmodelle nicht mit dem im Wesentlichen unveränderten Arbeitsrecht zusammenpassen, ist der Arbeitsrechtler vor große Herausforderungen gestellt. Nicht immer passen die Wünsche von Arbeitgebern und Arbeitnehmern mit den arbeitsrechtlichen Regelungen zusammen.

Flexibilisierung der Arbeit vs. Arbeitsrecht

Nach Angaben des BMAS nutzen rund 85 Prozent der Beschäftigten digitale Technologien am Arbeitsplatz. Die Voraussetzungen für zeit- und ortunabhängiges Arbeiten sind dadurch mehr denn je gegeben. Die Abkehr von einem starren Arbeitsmodell wird zugunsten der besseren Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben von Beschäftigen inzwischen nahezu vorausgesetzt. Nach einer Studie der Manpower Group Solutions bevorzugen rund 40 Prozent der deutschen Beschäftigten, einschließlich der Führungskräfte, Homeoffice. Mit 26 Prozent steht Arbeit in Gleitzeit auf dem zweiten Platz.

Auch Arbeitgeber profitieren von der Flexibilisierung. Sie gewinnen an Attraktivität und machen sich stark für den bestehenden Fachkräftemangel, der mit den veränderten Anforderungen an die Qualifikation der Arbeitnehmer einhergeht. Außerdem ist bereits heute der flexible Einsatz der Beschäftigten für die Reaktionsfähigkeit auf Marktschwankungen sehr wichtig. Das sagen laut der Fraunhofer-Studie „Produktionsarbeit der Zukunft – Industrie 4.0“ 94,7 Prozent der  661 befragten produzierenden Unternehmen. Flexibilität kann auch bei der Optimierung der Arbeitsprozesse durch Technologie in anderen Branchen eine Rolle spielen. So können z. B. Handwerker mittels Telematik Dienstleistungen, wie Reparaturen, anleiten, ohne vor Ort zu sein.

Beispiele für innovative Arbeitsmodelle sind Mobile Office, flexible Teilzeit, Lebensarbeitszeitmodelle, hohe Zeitsouveränität, die mit Selbstorganisation verbunden ist, Desk-Sharing oder Open-Space-Offices. Bei der Einführung entsprechender Arbeitsmodelle kann die richtige Einordnung der Arbeitszeit oder des Arbeitsortes in den arbeitsrechtlichen Kontext allerdings ein Problem darstellen. Als Hürden bei der Ausgestaltung kommen die starren Vorgaben der §§ 3 ff. ArbZG im Hinblick auf Höchstarbeitszeiten, Ruhezeiten oder Arbeit auf Abruf in Betracht. Auch die durch den Einsatz von smarten Arbeitsgeräten begünstigte und jederzeit mögliche Erreichbarkeit ist eine Herausforderung bei der Einordnung der arbeitsbezogenen Tätigkeiten als Arbeitszeit, und zwar dann, wenn Arbeitnehmer außerhalb der vertraglichen Arbeitszeit erreichbar sind oder sich selbst erreichbar machen.

Neue Organisationsformen erfordern Umdenken

Die Anpassung der Unternehmensstrukturen an die Anforderungen der Arbeitswelt 4.0 stellt das Arbeitsrecht ebenfalls auf den Prüfstand. Die Auslösung von Innovationen ist immer mehr an kollaborative Arbeitsprozesse und die teils betriebsübergreifende Vernetzung von Experten-Know-how oder sogar ganzer Unternehmen geknüpft. Agilität gewinnt an Bedeutung und spiegelt sich z. B. in Schwarm-Organisationen wider. Hier handeln die Beschäftigten losgelöst von hierarchischen Strukturen als Arbeitskollektiv, sind selbstorganisiert, flexibel und situationsbestimmt. Bereits im Jahr 2016 hatte Daimler für rund 20 Prozent der Mitarbeiter eine Umstellung der Organisationsstruktur auf Schwarm-Organisation angekündigt.

Der Trend zur Plattformökonomie, insbesondere bei fluiden Organisationsformen, macht zudem digitales Outsourcing möglich. In diesem Zusammenhang werden die sog. „Crowd- oder Clickworker“ als Externe zur Erledigung von entweder wissensintensiven oder einfachen Aufgaben beauftragt.

Solche und ähnliche Organisationsformen werfen in erster Linie Fragen im Hinblick auf die Weisungsgebundenheit, die arbeitsrechtliche Haftung oder die Scheinselbstständigkeit auf. Weiter gefasst könnten sogar arbeitsrechtliche Grundbegriffe, wie Arbeitgeber, Arbeitnehmer oder Betrieb grundlegend einer Neudefinition unterworfen sein.

Innovative Technologie wirft neue Fragen auf

Ferner erfordert der weitgehende Einsatz von digitaler Technologie und künstlicher Intelligenz einen Schritt in Richtung Flexibilisierung der Arbeit. Diesen Schritt nicht zu gehen, wäre fatal, da diese Technologie durchaus in der Lage ist, einen nicht flexibilisierten Arbeitsprozess und somit auch die daran Beteiligten, abzulösen. Der Einsatz solcher Technologien, wie z. B. der Servicerobotik, Assistenzsysteme, Wearables oder Augumented Reality wirft zudem angrenzende Fragen nach Umgang mit Beschäftigtendaten, Anpassung der Mitbestimmungsrechte und des Arbeitsschutzes oder dem Umgang mit großflächigen Rationalisierungsmaßnahmen auf. Diese Fragen gilt es jedoch, separat zu beleuchten.

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