Seit dem 01.01.2015 gilt das MiLoG. In der anwaltlichen Praxis gilt es, einige Fallstricke zu beachten:

1. Rechtsgrundlagen

Bereits vor dem MiLoG gab und gibt es (§ 1 Abs. 3 MiLoG) zahlreiche Regelungen, die Mindestlöhne festlegen. Hier sind insbesondere das AEntG und § 3 AÜG, einige Rechtsverordnungen, wie z. B. die 2. PflegeArbbV für den Pflegebereich sowie allgemein verbindliche branchenbezogene Mindestlöhne, wie z. B. für das Bauhauptgewerbe und die Gebäudereinigung, zu nennen. Daneben kommen noch auf Landesebene einige tarifliche Mindestlohnbestimmungen dazu, die es zu beachten gilt. Soweit dort höhere Branchenmindestlöhne festgelegt sind, haben diese vor dem gesetzlichen Mindestlohn nach MiLoG Vorrang.

Linktipp:

Eine Übersicht der branchenbezogenen, allgemein verbindlichen bundesweit gültigen Mindestlöhne (Stand 01.06.2021) und speziell für den Pflegebereich.

2. Personenkreis nach § 22 MiLoG

Grundsatz: Es gilt für alle Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer.

Ausnahmen:

• Jugendliche unter 18 Jahren und ohne Berufsausbildung;

• Auszubildende und

• Ehrenamtliche;

• Langzeitarbeitslose, die länger als ein Jahr ohne Job waren, dürfen in den ersten sechs Monaten im Beruf vom Mindestlohn ausgenommen werden;

• (echte) freie Mitarbeiter.

Sonderfall Praktikanten vgl. § 22 Abs. 1 MiLoG:

• Definition: Wer sich für eine begrenzte Dauer zum Erwerb praktischer Kenntnisse und Erfahrungen einer bestimmten betrieblichen Tätigkeit zur Vorbereitung auf eine berufliche Tätigkeit unterzieht, ohne Auszubildender im Sinne des BBiG zu sein;

• Mindestlohn (+) Praktikum nach dem Studium;

• Mindestlohn (-) Pflichtpraktikum im Rahmen einer Ausbildung oder eines Studiums;

• Mindestlohn (-) bei Schulpraktika und Hochschulpraktika;

• Mindestlohn (-) Praktikum zur Orientierung oder vor Aufnahme einer Ausbildung von bis zu 3 Monaten.

3. Begriff der Arbeitszeit und MiLoG

Mindestlohn ist für jede geleistete Arbeitsstunde bzw. auch Teile davon zu zahlen, in der der Arbeitnehmer die geschuldete Arbeitsleistung tatsächlich erbracht hat, vgl. Wortlaut der §§ 1 Abs. 1, 2 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 Nr. 1 MiLoG. Bei der Auslegung des Arbeitszeitbegriffs ist das ArbZG heranzuziehen. Daher fallen unter geleistete Arbeitsstunden im Sinne des MiLoG auch die Arbeitsbereitschaft und der Bereitschaftsdienst, nicht jedoch die Rufbereitschaft oder Pausen.

4. Welche Entgeltbestandteile fallen unter den Mindestlohn?

Es ist zu prüfen, ob Folgendes vorliegt:

• Entgeltcharakter des Vergütungsbestandteils?

• Normalleistung oder Zusatzleistung des Arbeitnehmers?

• Synallagma von Leistung und Gegenleistung?

• Zweck der Leistung des Arbeitgebers mit dem Zweck des Mindestlohns funktional gleichwertig (vgl. weiterführend dazu BAG vom 16.04.2014 – 4 AZR 802/11, DB 2014, 2659 – Rspr. zur Entsende-RL 96/71/EG bzw. zum AEntG anwendbar)?

Keine Anrechnung auf den Mindestlohn bei

• Zuschlag für Nachtarbeit, Sonn- und Feiertagsarbeit,

• Schmutz und Gefahrenzulage,

• Zuschlag für Überstunden,

• Akkord- und Qualitätsprämien,

• Trinkgelder (keine Leistung des ArbG, sondern Dritter),

• VWL und Beiträge zur betrieblichen Altersvorsorge,

• Aufwendungsersatz/Aufwandsentschädigungen, Reisekosten,

• Provisionen/Umsatzbeteiligungen/Boni,

• Einmalzahlungen und Sonderzahlungen (zusätzliches Urlaubsgeld, Weihnachtsgeld, Treueprämie, Gratifikationen),

• Sachbezüge (Dienstwagen, Mobiltelefon, Kost und Logis) – teilweise strittig. Streitig bei Leistungszulage, die neben Grundvergütung gezahlt wird:

• Pro Anrechnung z. B. ArbG Düsseldorf, Urt. vom 20.04.2015 – 5 Ca 1675/15, juris.

• Kontra Anrechnung z. B. ArbG Berlin, Urt. vom 04.03.2015 – 54 Ca 14420/14, NZA-RR 2015, 404 (im Berufungsurteil des LAG Berlin-Brandenburg v. 2.10.2015 –9 Sa 570/15, juris, konnte diese Detailfrage außer Acht gelassen werden).

Anrechnung zulässig:

• Regelmäßig mtl. ausgezahlte Schichtzulage (vgl. BAG v. 16.04.2014 – 4 AZR 802/11, NZA 2014, 1277, 1280);

• Eingeschränkt bei mtl. anteiliger Auszahlung von Sonderzahlungen nur dann, wenn vorbehaltlos ohne Rückholmöglichkeit des ArbG gezahlt wegen § 20 MiLoG.

5. Unabdingbarkeit, Fälligkeit, Ausschlussfristen

Wegen der klar geregelten Unabdingbarkeit in § 3 MiLoG sind etwaige Ausschluss oder Verfallfristen auf den Mindestlohn nicht anwendbar. Auch eine Verwirkung oder ein Verzicht des Arbeitnehmers ist ausgeschlossen. Zu beachten ist die allgemeine Verjährung von drei Jahren nach § 195 BGB.

Achtung: Dies gilt nur für den Anteil der Vergütung, der unter das MiLoG fällt. Bei einer Vollzeittätigkeit von 172 h Arbeit pro Monat und dem gesetzlichen Mindestlohn von 8,50 € /h entspricht dies 1.462 € brutto. Bei Vergütungsteilen, die darüber liegen, sind die vertraglichen, tariflichen oder in der VO festgelegten Ausschlussfristen zu beachten und entsprechend zu notieren. Bei der Fälligkeit der Vergütung ist in § 2 MiLoG folgende Reihenfolge zu prüfen:

• Vereinbarte Fälligkeit (laut Arbeitsvertrag);

• Letzter Bankarbeitstag (Frankfurt/a.M.), der auf den Monat folgt, in dem die

Arbeitsleistung erbracht wurde;

• Ansonsten gilt § 614 BGB;

• Orientierungshilfe: max. wirksame Zahlungsfrist ist der 15. des Folgemonats.

6. MiLoG und Kündigung

Die Gerichte halten in aller Regel eine Änderungskündigung mit dem alleinigen Ziel, nicht anrechenbare Entgeltbestandteile „umzuwandeln“ und die Vergütung auf Mindestlohnniveau herabzusenken, für unwirksam. Macht ein Arbeitnehmer den Mindestlohn nach MiLoG geltend und reagiert der Arbeitgeber darauf mit einer Kündigung, so ist diese Kündigung wegen Verstoßes gegen das Maßregelungsverbot nach § 612a BGB unwirksam (vgl. ArbG Berlin, Urt. vom 17.04.2015 – 28 Ca 2405/15, juris, nicht rkr.).

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