Edith Kindermann

Junganwälte starten mit einem breiten juristischen Wissen in den Beruf, doch wie genau sie ihr Geld verdienen und was laut Berufsordnung ihre Rechte und Pflichten dabei sind, wissen die wenigsten, wenn sie ihre Karriere beginnen. Einen Überblick zum RVG gab DAV-Präsidentin Edith Kindermann beim Traditionsseminar „Start in den Anwaltsberuf“ des FORUM Junge Anwaltschaft, das am 28./29. Juni in Berlin stattfand.

„Am Anfang meiner Karriere hätte ich mir lieber ein Klavier an die Backe genäht als mit Mandanten über Geld zu sprechen“, eröffnete DAV-Präsidentin Edith Kindermann ihren Vortrag. Mit dieser Aussage brachte sie ein Kernproblem vieler Jungjuristen auf den Punkt: Die Haltung und die Motivation, dem Mandanten in seinem Rechtsproblem mit Rat und Tat zur Seite zu stehen, steht im Vordergrund und verstellt den Blick darauf, auch die eigenen Interessen nicht zu vernachlässigen. Kindermann half in ihrer Anfangszeit ein Zitat aus dem Werk von Bertram Zwanziger, der wiederum Tom Wolfe zitierte. Man sei der Anwalt und nicht der Freund. Man werde aber mehr tun als jeder Freund tue. Und warum tue man es? Man tue es für Geld. Trotzdem würden Anwälte nicht ganz selten weniger abrechnen, als dasjenige, was Ihnen gesetzlich zustehe. Manche Anwälte neigten dazu, als „weiße Ritter“ auftreten zu wollen, die nur Gutes für ihre Mandanten täten. Doch wie jeder andere auch müssten schließlich auch sie Geld verdienen.   

Nach dieser Einleitung gab Kindermann, die auf das anwaltlichen Haftungs-, Berufs- und Gebührenrecht spezialisiert ist, einen kleinen Vorgeschmack auf den Dschungel des Vergütungsrechts. Dabei schilderte sie zu jedem Sachverhalt einen lebhaften Beispielfall. „Wir haben mittlerweile immer mehr Aufklärungs- und Hinweispflichten beim RVG. Aber wenn es um gebührenrechtliche Auseinandersetzungen geht, kommen Mandanten meistens mit drei Einwänden“, fasste sie zusammen.

Abrechnungsfalle Nr. 1: Immer und nachweisbar auf Abrechnung nach dem Gegenstandswert hinweisen

Nach § 49b Absatz 5 der Bundesrechtsanwaltsordnung (BRAO) muss der Anwalt seinen Mandanten vor Auftragserteilung durch den Mandanten darauf hinweisen, dass in seiner Sache nach dem Gegenstandwert abgerechnet wird. Bei Mandaten im außergerichtlichen Bereich sei dies besonders wichtig.  Ihr erstes Beispiel zeigte, dass die Unterschiede, die sich daraus ergeben, Hunderttausende von Euro Unterschied machen können: „Bei der Vergütungsklage ging es um 248.000 Euro. Der Auftrag wurde erteilt und es wurde genau nach dem Gegenstandwert in der Gebührentabelle abgerechnet. Die Mandantin erhob jedoch folgenden Einwand: ‚Hätte man mich darauf hingewiesen, dass nach dem Gegenstandswert abgerechnet wird, hätte ich mir einen Anwalt gesucht, der in meinem Fall nach Stundensatz abrechnet‘. “ Beispielhaft aus einem anderen Fall sei eine Begründung des OLG Hamm, so Kindermann: „Es entspricht der Lebenserfahrung des Gerichts, dass man hinreichend Anwälte findet, die bereit sind, Mandate zu einem Stundensatz von 250 Euro zu übernehmen.“ Selbst, wenn der Anwalt behaupte, dass man sich mit dem Mandanten auf eine Pauschalvergütung geeinigt habe, bereite der Hinweis ein Problem, wenn die Vergütungsvereinbarung letztlich nicht nachgewiesen werden könne und der Mandant sich darauf berufe, dass er wegen der vom Anwalt behaupteten Vergütungsvereinbarung nicht über eine Abrechnung nach Gegenstandswert belehrt worden sei. Es müsse eindeutig darauf hingewiesen werden, dass nach dem Gegenstandswert abgerechnet wird. Der Mandant habe zwar die Darlegungs- und Beweislast für den fehlenden Hinweis. Den Anwalt trifft aber die sekundäre Darlegungslast. Er muss konkret schildern, wann und in welcher Weise der Hinweis erteilt worden ist.

Wer nach dem Gegenstandwert abrechnet, muss dies konkret gegenüber dem Mandanten tun und nicht ins Kleingedruckte einer Vollmacht packen, wie Edith Kindermann erklärte: „Da steht dann über der Unterschrift: ‚Der Mandant bestätigt, dass er durch den Anwalt auf Abrechnung nach dem Gegenstandwert hingewiesen wurde und dies zur Kenntnis genommen hat.‘ Wer das tut, kennt aber das AGB-Recht nicht! Das wird nicht klappen. Die Vollmacht ist nur dafür da, dass man jemand anderem beweist, dass man jemanden vertreten kann. Sie ist nur ein Legitimationspapier. Wer wegen des Hinweises auf die Abrechnung nach dem Gegenstandswert sicher sein  möchte, sollte dies mit einem gesonderten Dokument erreichen“, so Kindermann.

Abrechnungsfalle Nr. 2: Verstoß gegen widerstreitende Interessen

Gemäß § 43a Abs. 4 BRAO darf kein Anwalt ein Mandat annehmen, das widerstreitende Interessen umfasst (sog. Interessenkollision). Wer ebensolche wahrnimmt, muss das Mandat niederlegen. Dadurch soll nicht nur der Mandant geschützt werden. Vielmehr geht es auch um das Vertrauen in eine geradlinige Berufsausübung des Rechtsanwalts. Deswegen kann dieser nicht von der Einhaltung des Verbots der Vertretung widerstreitender Interessen entbunden werden, erklärte Kindermann.

Abrechnungsfalle Nr. 3: Abschluss eines Anwaltsvertrages außerhalb der Geschäftsstelle

Augenmerk ist erforderlich, wenn das Mandat nicht in den Kanzleiräumen erteilt wird, also bei einem Geschäftsabschluss außerhalb der Geschäftsstelle. Auch hier hatte Kindermann ein Beispiel aus dem Erbrecht: „Wer zu seinen Mandanten fährt und z.B. in Altersheimen und Pflegeeinrichtungen über Themen wie Patientenverfügung, Testament, Pflichtteilsanspruch und Nachlassregelungen aufklärt und im Rahmen dieser Tätigkeit auch Mandate annimmt, schließt diese nicht in seiner Kanzlei ab. Hier gilt das Widerrufsrecht des Mandanten nach § 312g BGB sowie die darauf aufbauenden Hinweise auf das Bestehen des Widerrufsrechts und die Belehrung über dessen Ausübung nach der Informationsverordnung. Nimmt der Mandant das Widerrufsrecht wahr, fällt die Vergütung weg, gleich ob ein Anwalt schon eine Leistung erbracht hat oder nicht.“ Was passiert jedoch, wenn ein Strafrechtler von seinem potenziellen Mandanten vom Polizeigewahrsam aus nachts kontaktiert wird, wollte ein Zuhörer wissen: „In diesem Falle muss ich ja bereits vor Ort tätig werden“, ergänzte der Fragende. Kindermanns Antwort: „Sie müssen ihn trotzdem auf die Widerrufsmöglichkeit hinweisen. Er muss Ihnen aber dann ausdrücklich mitteilen, dass Sie vor Ablauf der 14 Tage Widerrufsfrist tätig werden sollen und er Ihnen die Vergütung dafür bezahlt.“

Kindermann betonte in diesem Zusammenhang, dass die berufsrechtliche Hinweis- und Aufklärungspflicht von Anwälten eine entscheidende Komponente für die Professionalisierung sei. So muss ein Anwalt nach § 16 der BORA seinen Mandanten auch darauf hinweisen, wenn er die Voraussetzungen für Prozesskostenhilfe oder Beratungshilfe erfüllt.

Edith Kindermanns Beispiele und die Fragen aus dem Publikum zeigten in jedem Fall, dass sich in der Praxis und im Detail ein ganze Reihe von Schwierigkeiten ergeben können. Junganwält/innen sind gut beraten, wenn sie sich im Fall der Fälle ausführlich informieren und sich auch mit unwahrscheinlichen Fällen in diesem Zusammenhang beschäftigen.   

Video: Impressionen zum Start in den Anwaltsberuf

Foto: FFI-Verlag 

Weitere Teile der Serie Start in den Anwaltsberuf

Serie „Start in den Anwaltsberuf“ Teil 1: Vier Wege, eine Profession

Dies ist der zweite Teil der Serie „Start in den Anwaltsberuf“ zum Traditionsseminar des FORUM Junge Anwaltschaft.

Freuen Sie sich bald auf folgende weitere Themen in der Serie:
Teil 2: Grundzüge des RVG
Teil 3: Marketing
Teil 4: Zeugenvernehmung

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