RVG Kostenfestsetzungsverfahren

Gerade in der Übergangszeit von RVG 2021 zu RVG 2025 kann es zu Konstellationen kommen, die bei einer Bewertung „Ungerechtigkeiten“ zu Tage bringen, die einen dazu verleiten können, „vorschnell“ zu reagieren und zu kritisieren, obwohl diese aufgrund von Gesetzesvorschriften hinzunehmen sind. Und diese Konstellationen werden in den nächsten Wochen und Monaten „aufploppen“, denn sie zeigen sich regelmäßig (erst) im Rahmen von Kostenfestsetzungs- bzw. Kostenausgleichungsverfahren.

Das kann in der Praxis so aussehen:

Beispiel 1: Zustellung der Klage nach 31.5.2025 

In der Kostengrundentscheidung des Urteils sind die Kosten nach Quoten verteilt. Rechtsanwalt A leitet das Kostenfestsetzungsverfahren nach Erhalt des Urteils ein und ermittelt – weil er Klageauftrag vor dem 1.6.2025 erhalten hat – seine Gebühren auf Grundlage des RVG 2021. Die gegnerische Kollegin, Rechtsanwältin B, meldet die bei ihr entstandenen Gebühren auf Basis der Tabelle 2025 ein, was Rechtsanwalt A dazu verleitet, die Kostenanmeldung der Kollegin hinsichtlich der angewandten Tabelle zu rügen. Die Rüge hat in diesem Verfahren keinen Erfolg.

Rechtsanwältin B hat nämlich ausgeführt, dass die Klage nach dem 31.5.2025 an ihre Mandantin zugestellt wurde und somit ihr unbedingter Auftrag erst zur Zeit der Geltung des neuen RVG erteilt wurde bzw. erteilt werden konnte.

(Anmerkung: Die Einordnung wäre gleichermaßen korrekt, wenn die Klage zwar noch vor dem 1.6.2025 zugestellt wurde, der Auftrag zur Vertretung aber erst nach dem 31.5.2025 erteilt worden wäre, wobei insoweit die anwaltliche Versicherung ausreicht.)

Beispiel 2: Auftragserteilung nach 31.5.2025 

Die Klage der Rechtsanwältin C wurde abgewiesen, die Kostenentscheidung ergeht (folglich) zu Gunsten des Beklagten. Dessen Prozessbevollmächtigter, Rechtsanwalt D, beantragt die Festsetzung der Kosten und legt hierbei die Tabelle RVG 2025 zugrunde.

Nach Blick in die Akte (die Klage wurde am 21.5.2025 eingereicht) rügt Rechtsanwältin C die Gebührentabellenauswahl des D – allerdings erfolglos.

Begründung: Der Auftrag an D wurde erst nach dem 31.5.2025 erteilt; demensprechend wurde erst auch am Tage des Fristablaufs Verteidigungsabsicht angezeigt.

Beide Fälle zeigen deutlich, dass es durchaus möglich ist, dass zwei Berufsträger:innen, die in derselben Angelegenheit tätig sind, unterschiedlich hohe Vergütungen erhalten, was aufgrund der Vorschrift des § 60 RVG nicht zu vermeiden ist.

Das gilt natürlich nicht nur für erstinstanzliche Verfahren, sondern gleichermaßen für Rechtsmittelverfahren: Der zweite Rechtszug ist ein „neues Verfahren“, das einen neuen Auftrag erfordert (der nicht erteilt werden kann, bevor ein Urteil in erster Instanz gefällt wurde). Auch hier kann es in der Übergangszeit dazu kommen, dass aufgrund der zeitlichen Lücke zwischen Beauftragung von (z. B.) Berufungskläger und Berufungsbeklagtem nach unterschiedlichen Gesetzeslagen abzurechnen ist.

Fazit: Unterschiedliche Vergütungen im selben Verfahren möglich

Die Anwendung unterschiedlicher RVG-Tabellen innerhalb desselben Verfahrens mag mindestens verwirrend, sogar ungerecht erscheinen – sie ist jedoch eine zwingende Folge des § 60 RVG und der jeweiligen Beauftragungszeitpunkte. Gerade in Übergangszeiten, wie jetzt von RVG 2021 zu RVG 2025, müssen sich Verfahrensbeteiligte darauf einstellen, dass unterschiedliche Vergütungstabellen parallel zur Anwendung kommen können. Entscheidend ist stets der Zeitpunkt der jeweiligen Mandatserteilung für den konkreten Verfahrensabschnitt des jeweiligen Prozessvertreters.

Carmen Wolf
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Carmen Wolf ist gelernte Rechtsanwaltsfachangestellte mit Weiterbildung zur Rechtswirtin und zur Kanzleimanagerin, Ausbilderin für Rechtsanwaltsfachangestellte sowie Büroleiterin der Koblenzer Rechtsanwaltskanzlei FROMM. Dort ist sie mit allen Bereichen der Kanzleipraxis betraut. 

Sie hat mehrere Fachbücher, wie „Arbeitshilfen für Rechtsanwaltsfachangestellte“ und „RVG für Einsteiger“ verfasst und ist Herausgeberin des „Infobriefs anwaltbüro“.

Bild: Adobe Stock©Hyejin Kang