Fachanwaltskurs Corona

FachanwaltsanwärterInnen stehen in diesem Jahr vor der Herausforderung, alle notwendigen Qualifizierungsstunden abzuleisten. Vor allem zum Jahresende haben Fachanwältinnen und Fachanwälte Schwierigkeiten, alle bislang noch nicht vollständig gesammelten Fortbildungsstunden für die Aufrechterhaltung des oder der (bis zu drei) Fachanwaltstitel zu absolvieren. Das Angebot der Fortbildungsveranstalter ist dieses Jahr – geprägt durch die Pandemiezeit – von der Präsenzveranstaltung in die Online-Welt verschoben worden. Dabei bleibt die Frage offen: Kann bei der Fachanwaltsaus- und -fortbildung gänzlich auf Präsenzschulungen verzichtet werden?

Grundlagenkurse

Für die erstmalige Verleihung einer Fachanwaltsbezeichnung hat die Antragstellerin oder der Antragsteller grundsätzlich besondere theoretische Kenntnisse und besondere praktische Erfahrungen nachzuweisen, die auf dem Fachgebiet erheblich das Maß dessen übersteigen, das üblicherweise durch die berufliche Ausbildung und praktische Erfahrung im Beruf vermittelt wird. Der Erwerb dieser besonderen theoretischen Kenntnisse erfolgt nach § 4 Abs. 1 FAO in der Regel im Rahmen eines auf die Fachanwaltsbezeichnung vorbereitenden anwaltsspezifischen Lehrgangs mit mindestens 120 Zeitstunden (im Steuerrecht kommen für Buchhaltung und Bilanzwesen 40 Zeitstunden und im Fachgebiet Insolvenzrecht kommen für betriebswirtschaftliche Grundlagen 60 Zeitstunden hinzu).

Eine Ausnahme sieht § 15 Abs. 3 FAO vor, wonach außerhalb eines Lehrgangs erworbene besondere theoretische Kenntnisse anerkannt werden können, wenn diese dem im jeweiligen Fachlehrgang zu vermittelnden Wissen entsprechen.

Fortbildungskurse

Nach § 15 Abs. 1 S. 1 FAO muss jeder, der eine Fachanwaltsbezeichnung führt, kalenderjährlich auf diesem Gebiet wissenschaftlich publizieren oder an fachspezifischen der Aus- oder Fortbildung dienenden Veranstaltungen hörend oder dozierend teilnehmen.

Anwaltsspezifischer Lehrgang

Was genau ein „anwaltsspezifischer Lehrgang“ sein soll, klärt die FAO selbst nicht auf. Ein Lehrgang ist wohl dann anzunehmen, wenn der relevante Stoff der §§ 8 ff. FAO für das jeweilige Fachgebiet nach einem in sich geschlossenen Konzept vermittelt wird, wobei die bloße Zusammenstellung der Literatur und Rechtsprechung nicht ausreichen dürfte. Traditionell wurde  dieser Begriff als Präsenzveranstaltung (auch in der Inhouse-Variante) verstanden, die in Anwesenheit aller Teilnehmerinnen und Teilnehmer von qualifizierten DozentInnen abgehalten wird und anwaltsspezifisch ausgerichtet ist (BRAK-Mitt. 1993, 83 f.).

In der heutigen Zeit kann aber nicht mehr alleine an der Präsenzveranstaltung festgehalten werden. Diese Einschränkung findet sich zudem weder im Wortlaut noch im Zweck des § 4 FAO. Es kommt einzig auf die Vermittlung von Wissen an, welches auf dem betreffenden Fachgebiet erheblich das Maß dessen übersteigt, was üblicherweise durch die berufliche Ausbildung und praktische Erfahrung im Beruf vermittelt wird (BeckOK FAO/Günther, 11. Ed. 01.08.2020, FAO § 4 Rn. 3). Für Fortbildungsveranstaltungen sieht § 15 Abs. 2 FAO dies sogar ausdrücklich vor.

Anforderungen an Online-Lehrgänge

Auch Online-Lehrgänge zum erstmaligen Erhalt des Fachanwaltstitels sind möglich. Diese Fernlehrgänge müssen dabei lediglich eine Vergleichbarkeit zu den altbekannten Präsenzveranstaltungen sicherstellen. Das kann bspw. durch kursbezogene Einsendeaufgaben und Lernerfolgskontrollen erfolgen, wobei die Teilnehmerin bzw. der Teilnehmer zu jeder Kurseinheit Aufgaben einsenden muss und nur bei Bestehen einer gewissen Anzahl zu den Abschlussklausuren (§ 4a FAO) zugelassen wird. Die erfolgreich bestandenen Lernerfolgskontrollen kompensieren die (fehlende) Anwesenheit, welche in der Präsenzveranstaltung durch entsprechende Anwesenheitskontrollen sichergestellt wird. Auch Mischformen sind denkbar (BeckOK FAO/Günther, 11. Ed. 01.08.2020, FAO § 4 Rn. 4).

An der Pflicht zur erfolgreichen Unterziehung von mindestens drei schriftlichen Leistungskontrollen (Aufsichtsarbeiten = Klausuren) aus verschiedenen Bereichen des Lehrgangs ändert der Fernlehrgang nichts. Diese müssen in Präsenzpflicht absolviert  werden. Die Antragstellerin bzw. der Antragsteller muss nach § 4a Abs. 2 FAO Leistungskontrollen von einer Gesamtdauer von mindestens fünfzehn Zeitstunden ableisten. Dabei muss eine Leistungskontrolle mindestens eine Zeitstunde ausfüllen und darf fünf Zeitstunden nicht überschreiten.

Aus dem Begriff „Aufsichtsarbeiten“ lässt sich ableiten, dass es sich um solche handeln muss, die in Präsenzform geschrieben werden und vor allem schriftlich niederzulegen sind. Zwar ist anerkannt, dass der Unterricht im Rahmen eines Fernstudiums erfolgen kann, die Abschlussklausuren muss die Rechtsanwältin bzw. der Rechtsanwalt jedoch unter Aufsicht schreiben. Die Aufsichtsarbeiten werden von den Lehrgangsanbietern gestellt, korrigiert und bewertet. Die Form der Aufsichtsarbeiten wird von § 4a FAO nicht vorgegeben; es sind daher die klassischen Formen einer Falllösung, Frage/Antwort-, sog. „Multiple-Choice“-Aufgaben, oder auch Mischformen denkbar.

Anforderungen an Online-Fortbildungen

Dazu regelt § 15 Abs. 2 FAO zweierlei: Bei Fortbildungsveranstaltungen, die nicht in Präsenzform durchgeführt werden, müssen

  1. die Möglichkeiten der Interaktion zwischen der oder dem Referierenden und den Teilnehmenden untereinander während der Dauer der Fortbildungsveranstaltung sichergestellt sein (also in Form von Fragen und Diskussionsmöglichkeiten) und
  2. der Nachweis der durchgängigen Teilnahme erbracht werden.

Der Nachweis wird bspw. durch die sog. „Button-Lösung“ erbracht: Die Teilnehmerin oder der Teilnehmer bekommt vom Veranstalter nach dem Zufallsprinzip ein Zeitfenster von zehn bis dreißig Sekunden, um eine bestimmte Interaktion (hier Knopfdrücken) vorzunehmen. Ergänzt wird dieses Verfahren gelegentlich durch zusätzliche Fragen zu Vortragsinhalten, welche ebenfalls in einer kurzen Zeitspanne beantwortet werden müssen. Die Interaktion der Teilnehmerinnen und Teilnehmer wird z. B. durch eine parallel zur Verfügung gestellte Blog-Funktion sichergestellt.

Checkliste – das ist bei Fachanwaltslehrgängen und FAO-Fortbildungen online zu beachten

  • Fachanwaltskurse können auch im Fernunterricht und online absolviert werden.
    • Wichtig ist, dass der relevante Inhalt strukturiert vermittelt wird.
    • Es bedarf einzelner Lernerfolgskontrollen.
    • Die Aufsichtsarbeiten müssen jedoch in Präsenzform geschrieben werden.
  • Fortbildungskurse können online erfolgen.
    • Ein Teilnahmenachweis (bspw. durch Fragen oder Interaktion) ist erforderlich.
    • Die Fachanwältin/der Fachanwalt muss (bspw. durch einen Blog oder eine Wortmeldung) interagieren können.

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Foto: Adobe.Stock/©v.poth

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