Seit Jahren bereits geistert ein rechtspolitisches „Schreckgespenst“ durch das anwaltliche Vergütungsrecht: Erfolgshonorare. Für die einen sind es notwendige Finanzierungsinstrumente, um Mandanten ohne Versicherungsschutz ein überschaubares Kostenrisiko und Anwälten ein auskömmliches Einkommen zu ermöglichen. Andere hingegen sehen dabei den Teufel am Werk, der den Rechtsstaat ins Verderben führen möchte. Folglich – gerade auf Seiten ihrer Gegner – ein überaus emotionsbesetztes Thema, bei dem mit hohem Pathos argumentiert wird.
Erfolgshonorare teilweise heute bereits möglich
Teilweise sind Erfolgshonorare seit der RVG-Reform vom 01.07.2008 bereits erlaubt, so dass sich bisherige Weltuntergangsszenarien bislang nicht bestätigt haben: Der Rechtsstaat ist noch da. Aber das bestehende Regel-Ausnahme-Verhältnis diskriminiert diese Vergütungsart noch immer gegenüber RVG-basierter Vergütung, Stundensätzen oder Pauschalvereinbarungen. § 49b Abs. 2 BRAO verbietet sie weiterhin in dem Umfang, wie sie das Rechtsanwaltsvergütungsgesetz nicht ausnahmsweise erlaubt. Und § 4a RVG enthält zwar eine solche Ausnahme, die jedoch so eng gefasst wurde, dass sie tatsächlich nicht von Erfolgshonoraren handelt, sondern von der erfolgsbasierten Vergütung bei sozial Bedürftigen („… wenn der Auftraggeber aufgrund seiner wirtschaftlichen Verhältnisse bei verständiger Betrachtung ohne die Vereinbarung eines Erfolgshonorars von der Rechtsverfolgung abgehalten würde.“). Ob diese Kriterien vorliegen, ob aus der Vergütungsvereinbarung später Ansprüche abgeleitet und durchgesetzt werden können, dieses Risiko liegt beim Verwender (sprich: Anwalt).
Blick in die Geschichte
Ein kurzer Blick in die Historie erhellt, warum Erfolgshonorare in Deutschland so emotionsbesetzt sind. Bereits zu Zeiten des deutschen Kaiserreichs verstand sich die Anwaltschaft, und wurde so in der Begründung zur Rechtsanwaltsordnung (RAO) vom 01.07.1878 auch tituliert, als „Organ der Rechtspflege“. Was dies sein soll, wusste auch damals wohl schon niemand so genau. Aber es hatte wohlfeinen Klang und bereits der Reichsgesetzgeber sah in Rechtsanwälten – was ihren Standesvertretern gewiss schmeichelte – notwendige Akteure für die Gerichtsorganisation, zumal er in § 78 der Zivilprozessordnung vom 01.10.1879, als Teil der Reichsjustizgesetze, den Anwaltszwang erschaffen hatte.
Die später im Dritten Reich erlassene Reichsrechtsanwaltsordnung (RRAO) vom 21.02.1936 band den Rechtsanwalt als Ausdruck der NS-Ideologie der damaligen Zeit noch enger an den Staat und beseitigte die „freie Advokatur“, bis nach dem Zusammenbruch von 1945 am 03.10.1949 eine „Rechtsanwaltsordnung für die britische Zone“ in Kraft trat, die den Begriff des „unabhängigen Organs der Rechtspflege“ wieder aufgriff: Zwar nicht für den einzelnen Anwalt, aber zumindest für die deutsche Rechtsanwaltschaft insgesamt. Darauf folgte sodann die Bundesrechtsanwaltsordnung (BRAO) vom 01.08.1959, welche in § 1 fortan jedem Rechtsanwalt die Weihen eines „unabhängigen Organs der Rechtspflege“ verlieh. Über knapp 70 Jahre hinweg war der Begriff „Organ der Rechtspflege“ in Gesetzeskraft erwachsen und erfüllte den Berufsstand mit Stolz: Die Anwaltschaft, so glaubte sie, hatte ihre feste Stellung in der Gesellschaft endlich erreicht.
Erfolgshonorare unter dem Verdacht gewerblicher Betätigung
Zugleich wurde in § 2 BRAO definiert, dass der Rechtsanwalt einen freien Beruf und kein Gewerbe ausübt, was bis heute fortgilt. Insgesamt entsprach das Bild, dass sich die Bundesrepublik in der Nachkriegszeit von ihren Rechtsanwälten machte, eher dem eines „Rechtsbeamten“ oder „forensisch tätigen Notars“. Folglich Berufsgruppen, die nach festen Gebührenvorgaben zu vergüten waren. Und so erstaunte es auch nicht, dass die Bundesrechtsanwaltsgebührenordnung vom 26.07.1957, die erst durch das RVG vom 01.07.2004 außer Kraft trat, die darin geregelte Gegenleistung der Mandanten – wie bei behördlichem Handeln – noch als „Gebühren“ bezeichnete.
Der Gesetzgeber hatte sehr bestimmte, eng-definitive Vorstellungen davon, was die Rechtsanwälte der Bundesrepublik waren und was nicht. Ferner: Wie sie zu vergüten waren und wie nicht. An mancher Stelle liberalisierte sich dieses Bild sodann zwar über die Zeit, auch infolge der 1968er-Bewegung, die aufgrund harscher repressiver Reaktionen des Rechtsstaats auf diese Jugendbewegung, einen neuen Typus von Strafverteidiger entstehen ließ. Aber die Justiz und die ihr anhängenden Berufe waren zu jeder Zeit und in wohl jeder Gesellschaft schon immer am veränderungsresistentesten. Daran änderten auch die sog. Bastille-Beschlüsse des Bundesverfassungsgerichts vom 14.07.1987, mit denen ohne gesetzliche Ermächtigung von der Bundesrechtsanwaltskammer erlassene „Standesrichtlinien“ außer Kraft gesetzt wurden, nur vordergründig etwas. Rechtsanwälte sollten sich gefälligst nicht „gewerblich“ betätigen und wie Händler am wirtschaftlichen Ergebnis ihrer Mandanten durch „Erfolgshonorare“ beteiligt werden. So war es, seit dem deutschen Kaiserreich, und so sollte es bleiben.
Kleiner Lichtblick – § 4a RVG seit dem 01.07.2008
Seitens der Rechtsanwaltskammervorstände war es die Sorge um dieses angestammte Berufsbild des „Organs der Rechtspflege“, das bei einer „Kommerzialisierung der Anwaltschaft“ in Gefahr geraten und sie der Nähe zur Justiz berauben konnte. Gleichwohl gelang am 12.12.2006 ein Teilerfolg gegen das bis dahin bestehende rigide Totalverbot jeglicher Form von Erfolgshonoraren vor dem BVerfG. Eine Anwältin, die mittellose US-amerikanische Kläger auf deren Bitten hin auf Erfolgsbasis vertreten hatte, war hierfür mit einem Verweis und einer Geldbuße berufsrechtlich hart sanktioniert worden.
Im Beschluss 1 BvR 2576/04 stellte das BVerfG klar, dass die damalige Fassung von § 49b Abs. 2 BRAO mit der anwaltlichen Berufsfreiheit aus Art. 12 Abs. 1 GG nicht vereinbar war, als sie keinerlei Ausnahme vom Verbot der Erfolgshonorare bzw. der „quota litis“ – auch nicht bei mittellosen Mandanten – gestattete. Dem Gesetzgeber wurde aufgegeben, dies zu ändern, was er sodann durch Anfügung eines zu § 4a RVG hinführenden zweiten Satzes in § 49b Abs. 2 RVG zum 18.12.2007 auch umsetzte. Zwar hätte der Spruch der Verfassungsrichter dem Gesetzgeber auch die Freiheit belassen, völlig auf das Verbot von erfolgsabhängigen Honoraren zu verzichten („große Lösung“). Da dieser jedoch am hergebrachten anwaltlichen Berufsbild festhalten wollte („Organe der Rechtspflege“), setzte er ihn nur minimalistisch um („kleine Lösung“).
Was bremst Erfolgshonorare bislang?
Es ist dieses schon mehrfach angesprochene Berufsbild, die „Organtheorie“, womit erfolgsabhängige Honorare auf den ersten Blick nicht vereinbar erscheinen. Ministerialbeamte, Rechtspolitiker, die deutsche Richterschaft, aber z. B. vielerorts auch immer noch RAK-Vorstände, denken abwertend darüber und malen sich die potenziellen negativen Folgen in leuchtenden Farben aus, durch Parolen wie „Amerikanische Verhältnisse wollen wir nicht.“ oder „Der Anwalt, der am Erfolg des Mandats persönlich beteiligt ist, agiert nicht mehr unabhängig.“.
Die heutige Wirklichkeit der Anwaltschaft entspricht jedoch längst schon nicht mehr dem eines selbstlosen „Organs der Rechtspflege“, welches nur die Interessen des Rechts im Blick hätte, sondern hat sich weiterentwickelt zum „Kaufmann für Rechtsdienstleistungen“. Dies gilt insbesondere für große Wirtschaftskanzleien, die sich auf lukrative Rechtsgebiete spezialisiert haben und PKH-Mandate umgehen. Aber in der heutigen Zeit auch für jeden sonstigen Anwalt, egal ob in Einzelkanzlei oder Sozietätsmitglied. Denn durch die fortgesetzte Nichtanpassung der zuletzt zum 01.08.2013 angehobenen RVG-Vergütungssätze hat der Gesetzgeber das Rechtsanwaltsvergütungsgesetz selber massiv entwertet. Inzwischen sind die Lebenshaltungs- und Betriebskosten um ca. 25 bis 30 % gestiegen.
Andere Berufe haben Lohnsteigerungen erfahren (teils kräftig, vgl. Fluglotsen, Lokführer). Auch die gesetzlichen Renten und die Bezüge der Richter und Beamten werden turnusmäßig angepasst. Einer Änderung des RVG hingegen muss neben dem Bundestag stets auch der Bundesrat zustimmen – und die Länder nutzen den Föderalismus bekanntlich gerne, um Zugeständnisse des Bundes an anderer Stelle zu erzwingen.
Die Folge ist, dass für die breite Masse der Rechtsanwälte, insbesondere im Zivilrecht und Sozialrecht, allein auf RVG-Basis keine für Akademiker angemessenen Vergütungen mehr erzielt werden können. Es bedarf daher eines Modus, wie mehr Geld in das Vergütungssystem gespült werden kann, ohne Mandanten durch erfolgsunabhängige Mehrvergütungen von der Verfolgung ihrer Rechte abzuschrecken. Erfolgshonorare, ggf. auch in Kombination mit den bereits existierenden RVG-Vergütungen, wären optimal geeignet, dieses zu leisten. Die Anwaltschaft würde darüber von der Politik zugleich unabhängiger, ohne die Mandanten überproportional zu belasten. Sie würden zwar mehr zahlen, als auf Basis des bisherigen RVG, jedoch nur insoweit, wie der Anwalt für sie auch erfolgreich war. Das übrige sind Details (Was ist „Erfolg“? Wann ist die Vergütung fällig?), über die im Einzelfall eine Verständigung gefunden werden kann, nachdem das grundsätzliche Verbot erst einmal gefallen ist.