In Zeiten der Digitalisierung, steigender Mandantenansprüche und des Konkurrenzdrucks wird es für Anwaltskanzleien – wie für jedes Unternehmen auch – immer wichtiger, wirtschaftlich zu denken. Kanzleistrategie, Buchhaltung, Marketing, Personalführung und viele weitere Punkte gehören zur erfolgreichen Kanzlei, werden aber in Studium und Referendariat kaum berücksichtigt. Doch neben dem Erfolg in der juristischen Beratung und Vertretung, spielt natürlich auch der wirtschaftliche Erfolg immer eine zentrale Rolle.
Um herauszufinden, wie es konkret in deutschen Anwaltskanzleien in Sachen unternehmerischem Know-how aussieht, haben wir in Zusammenarbeit mit der Kanzleiberatung CLP – Consulting for Legal Professionals eine Umfrage unter rund 100 Anwältinnen und Anwälten durchgeführt.
Wie stehen Kanzleien betriebswirtschaftlichen Kompetenzen und Methoden gegenüber und wo besteht Nachholbedarf? Lesen Sie hier die zentralen Umfrageergebnisse.
Infos zur Umfrage
Die rund 100 Teilnehmer/-innen der Umfrage waren zu 64 % männlich und vornehmlich im Alter zwischen 30 und 39 Jahren (56 %). Einen Fachanwaltstitel trugen davon 29 %. Bei den meisten Teilnehmer/-innen handelte es sich zudem um Einzelanwälte/-innen (27 %) und Anwälte/-innen kleiner Kanzleien (23 %), 11 % gaben an, Vollpartner zu sein.
Das Interesse an wirtschaftlichen Fragen und Strategien zum unternehmerischen Erfolg ist, wie zu erwarten, besonders unter selbstständigen Anwältinnen und Anwälten groß, aber auch angestellte Anwälte sehen die Vorteile, die wirtschaftliches Verständnis ihnen bietet. Die einen haben bereits eine eigene Kanzlei gegründet oder planen dies zu tun. Andere streben die Partnerschaft in einer Kanzlei an und wieder andere wollen einfach ihre Mandate wirtschaftlich effizienter bearbeiten.
Top-Thema Kanzleientwicklung
Kanzleientwicklung, Kanzleistrategie und Positionierung sind die zentralen Punkte, in denen (selbstständigen) Anwältinnen und Anwälten das Know-how für die optimale wirtschaftliche Führung der Kanzlei fehlt. Marketing und Akquise sowie Digitalisierung (Legal Tech) landen auf den Plätzen zwei und drei. In Sachen Personalführung sehen sich die meisten Anwältinnen und Anwälte dagegen ausreichend informiert.
Betriebswirtschaftliche Strategien und Tools werden kaum genutzt
Bei der Nutzung konkreter betriebswirtschaftlicher Tools und Strategien, zeigt sich, dass Kanzleien nach wie vor kaum als klassisches Unternehmen betrachtet werden: 55 % der Anwältinnen und Anwälte haben bisher keine Erfahrung mit Tools rund um Business Development (Businessplan, SWOT-Analyse, Forecasting) gemacht. Den klassischen Businessplan haben immerhin 17 % schon einmal genutzt.
Fragt man, wie gut sich Juristinnen und Juristen für die unternehmerischen Fragen einer Kanzlei gerüstet fühlen, zeigt sich, dass mehr als die Hälfte betriebswirtschaftlich nicht ausreichend vorbereitet ist. 59 % fühlen sich gegenüber unternehmerischen Fragen gar nicht oder weniger gut gerüstet. 47 % wünschen sich umfangreicheres Wissen bzgl. unternehmerischer Fragen. Nur 7 % geben an, optimal informiert zu sein und sich mit Geschäftsentwicklung und -management sehr gut auszukennen. Hier besteht also ein eindeutiger Informationsbedarf.
Die Anforderungen an Kostentransparenz, -senkung und Effektivität steigen
Eine deutliche Mehrheit von 81 % der Anwältinnen und Anwälte hat den Eindruck, dass die Anforderungen der Mandanten in Bezug auf Kostensenkungen, Effektivität und Transparenz in den letzten Jahren gestiegen sind. Nur 12 % konnten keine steigenden Anforderungen beobachten.
Dies geht auch damit einher, dass Juristinnen und Juristen ihre Arbeitsweisen in den letzten fünf bis zehn Jahren modernisiert haben. 38 % setzen auf Software, um effektiver arbeiten zu können, 6 % haben mehr Personal eingestellt und 8 % arbeiten eine höhere Anzahl an Stunden, um den Anforderungen gerecht zu werden. 11 % geben an, dass ihre Arbeitsweisen optimal funktionierten und keine Anpassungen nötig seien.
Digitale Geschäftsmodelle für den wirtschaftlichen Erfolg?
Eine Möglichkeit, den wachsenden Anforderungen zu begegnen, ist die Digitalisierung. Wir haben die Umfrageteilnehmer/-innen gefragt, wie groß ihr Interesse an der Entwicklung neuer Geschäftsmodelle mithilfe von Legal Tech ist. Bislang nutzen 10 % eigens entwickelte digitale Geschäftsmodelle. 16 % planen dies in naher Zukunft und die große Mehrheit von 61 % zeigt zumindest Interesse an der Entwicklung neuer Geschäftsmodelle, benötigt hierzu aber weitere Informationen oder ist noch nicht auf das passende Modell für die eigene Kanzlei gestoßen. Nur 12 % gaben an, sich lieber auf altbewährte Geschäftsmodelle zu konzentrieren.
Mitarbeitersuche größte Herausforderung im Personalbereich
Das Thema Personal spielt natürlich eine zentrale Rolle bei der Kanzleiführung. Als „Dauerbrenner“ gilt hier besonders das Finden von qualifizierten und engagierten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Diese zu halten stellte für die meisten Kanzleien dagegen weniger ein Problem dar. Daneben spielen bei wirtschaftlichen Überlegungen auch die Personalkosten immer eine große Rolle.
Mandantenakquise für Mehrheit der Kanzleien noch kein Problem
Was die Mandantenakquise betrifft, scheint die Kanzleiwelt zwiegespalten: Erstaunliche 57 % sind der Meinung, dass ihre Kanzlei bzgl. Mandantenakquise gut bis sehr gut aufgestellt ist. 9 % haben sich zu diesem Zweck sogar von einem Spezialisten beraten lassen, um das Optimum an Mandatsanfragen herauszuholen. 43 % sehen in diesem Bereich hingegen noch Optimierungspotenzial. Aber auch das Personal Branding, also der Aufbau eines eigenen Expertenstatus, unabhängig von der eigenen Kanzlei, wird für Anwältinnen und Anwälte immer wichtiger – zumal es in Zeiten des Internets (z. B. mithilfe von XING und LinkedIn) wesentlich einfacher geworden ist, sich im eigenen Rechtsbereich als Expertin bzw. Experte zu positionieren.
Fazit: Tiefergehendes unternehmerisches Know-how fehlt häufig
Die MkG-Umfrage zeigt: Das Interesse an betriebswirtschaftlichen Themen und Strategien ist groß, häufig fehlt es aber an Know-how, um diese gewinnbringend in das Kanzleimanagement zu integrieren. Besonders im Bereich Kanzleientwicklung/-strategie, Marketing und Digitalisierung, wünscht sich ein Großteil der Anwältinnen und Anwälte mehr Informationen. Gerade mit Blick auf die wachsenden Anforderungen auf Seiten der Mandanten und des steigenden Konkurrenzdrucks sehen sich viele nicht optimal für die unternehmerischen Fragen der Kanzleiführung gerüstet. Das Thema Legal Tech und Digitalisierung ist bereits in vielen Kanzleien präsent und auch den damit einhergehenden neuen Geschäftsmodellen begegnet die Anwaltschaft offen und interessiert.
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